Foto: Maike Freund/evangelisch.de
"Shabbat, Schalom": Es ist der Job des Vaters, den Brotsegen zu Sabbat zu sprechen. In der Kita König David spielt heute Maximilian den Vater.
Jüdische Kita: "Chag Purim" statt "Tante aus Marokko"
In der Kindertagesstätte König David in Osnabrück lernen die Kinder die jüdische Religion kennen. Was ist anders als in anderen Kindertagesstätten? Gar nicht so viel. Die Unterschiede machen sich an Kleinigkeiten bemerkbar. Seit ein paar Wochen sind nun auch katholische Kinder dabei.
11.04.2012
Maike Freund

"Ich will, ich will!" Sarah hüpft vor Aufregung auf und ab (Namen der Kinder geändert.) Also legt Rasa Saramis, die Erzieherin, ihr das Tuch über die Haare, denn jüdische Frauen bedecken ihr Haar, also trägt jetzt auch das kleine Mädchen ein Tuch den Kopf, auch wenn bei ihr überall Strähnchen herauslugen und das Tuch eher ein Netz ist. Jeden Freitag spielt eine andere die Mutter, jedes Mädchen darf in die Rolle schlüpfen, denn freitags wird Sabbat gefeiert. Auch den Papa darf einer der Jungen spielen, heute ist es Maximilian. Auf seinem Kopf: die Kippa.

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"Habt ihr die Hände gewaschen?" Eifriges Nicken. David läuft doch noch mal nach draußen, bevor er zu den anderen an den schön gedeckten Tisch kommt. "Shabbat, Schalom", sagt Rasa Saramis, eine der Erzieherinnen. "Shabbat, Schalom", hallt es durch den Raum. Alle Augen ruhen auf Sarah, sie darf als Mutter die zwei Sabbatkerzen anzünden. Erst hält sie ihre Hände über die Kerzen und dann vors Gesicht. Zusammen mit der Erzieherin spricht sie den Sabbatkerzen-Segen. "Wisst ihr noch, warum wir Sabbat feiern?" Und gemeinsam erzählen sie die Geschichte des jüdischen Ruhetags.

Zwar ist noch lange nicht Sonnenuntergang, aber das Feiern des Sabbat gehört in der Kita König David, der jüdisch-christlichen Kindertagesstätte Osnabrück, zum festen Ritual. Die jüdische Gemeinde Osnabrück ist mit ihren 1.000 Mitgliedern eine der 108 jüdischen Gemeinden mit insgesamt rund 105.000 Mitgliedern in Deutschland. Dort, in Osnabrück, wünschten sich einige Eltern, dass ihre Kinder die jüdische Religion und ihre Bräuche kennenlernen sollten - Bräuche, die die Eltern oft selbst nicht mehr kennen. Deshalb gibt es nun seit Sommer 2011 die jüdisch-christliche Kita in Osnabrück.

 

Zwei Küchenzeilen: eine fleischige und eine milchige

Die Kita König David liegt in der Trägerschaft der katholischen Kirche, sie ist eines der Projekte der interreligiösen Erziehung, die das Bistum fördert. Seit dem Winter besuchen nun auch zwei christliche Kinder die Kita König David, deren Eltern darauf Wert legen, dass ihre Kinder die jüdische Religion kennenlernen oder die den religiösen Austausch einfach gut finden.

Wer von den Jungen will, darf zur Sabbat-Feier die Kippa
aufsetzten - sie ist aber kein Muss.
Foto: Maike Freund/evangelisch.de

Zwölf Kinder zwischen zwei und sechs Jahren kommen täglich in den Container auf dem Gelände der katholischen St. Barbara-Kirche. Denn noch ist die Kita in Containern untergebracht. Schön ist das nicht, eher spartanisch, es soll nur zum Übergang sein. "Im neuen Jahr wird es hier hoffentlich schon ganz anders aussehen", sagt Anne Feldmann, die katholische Erzieherin der Kita. Insgesamt sind sie zu Dritt. Neben Feldmann und Saramis arbeitet noch Tatjana Limets hier – auch sie ist - wie Saramis - Jüdin und spricht Hebräisch und Russisch – wichtig, denn viele der jüdischen Kinder sind Russen und lernen Deutsch erst nach und nach in der Kita.Was anders ist, hier in Osnabrück? Nicht viel, denn das Alltägliche – spielen, toben, singen – ist das Gleiche wie in jeder anderen Kita auch. Und dann sind da doch kleine Unterschiede: Es gibt zwei voll eingerichtete Küchenzeilen in der Küche, eine fleischige und eine milchige. Je nach Gericht wird das Essen auf der einen oder der anderen Seite zubereitet, damit es koscher ist - also nach jüdischem Gesetz zubereitet wird. Natürlich werden auch die Flächen in der Küche mit unterschiedlichen Lappen gereinigt. Die Kinder singen zusammen, wie in jeder Kita – nur nicht "Die Tante aus Marokko", sondern jüdische Lieder auf Hebräisch – zum Beispiel "Chag Purim" – wenn auch noch ein wenig holperig.

Auch wird gebastelt und gebacken – nur eben keine Osterlämmer, sondern Hamantaschen – diese süßen Teigtaschen, die aussehen wie kleine Geschenke, gefüllt mit Pflaumen - zu Purim, dem Gedenktag zur Erinnerung an die Errettung der Juden in Persien.

Die Kinder lernen nicht nur jüdische Traditionen kennen

Vorurteile? Probleme? Hindernisse? Darauf ist Feldmann bisher nicht gestoßen. Nicht bei den Eltern oder der Gemeinde. Natürlich musste sie einiges neu lernen, zum Beispiel das mit dem koscheren Essen. Und dabei ging es Eltern der christlichen Kinder nicht anders. Die hatten für die Kinder am Anfang Süßigkeiten mitgegeben. Weil aber niemand wusste, ob sie koscher waren, konnten sie nicht verteilt werden.

Beim Sabbat-Ritual. Foto: Maike Freund/evangelisch.de

Aber es sind nicht nur die jüdischen Traditionen, die die Kinder hier kennenlernen. Zu Sankt Martin beispielsweise haben die Kindern mit den Kindern der katholischen Kita St. Barbara nebenan Laternen gebastelt und gelernt, warum dieses Fest gefeiert wird. Zu Purim sind die St. Barbara-Kinder dann rüber gekommen und alle haben die Teigtaschen gemeinsam gebacken. Die Kita hat zwar eine enge Kooperation mit der katholischen Kirche. "Aber der Schwerpunkt der Erziehung in der Kita König David liegt auf der jüdischen Religion", sagt Feldmann.

"Baruch Atah Adonaj Elohejnu melech ha'olam." (Gelobt Seist Du, Ewiger unser Gott). Maximilian ist voll konzentriert, als er mit der Erzieherin Rasa Saramis gemeinsam das Kiddusch-Gebet spricht und den dicken, dunkelroten Saft segnet, der aussieht wie Wein. Dann nehmen sie das Tuch vom Challa, dem Sabbatbrot und wieder ist es Maximilians Job, den Brotsegen zu sprechen. Er grinst stolz, als jeder ein mit Salz bestreutes Stück Brot in der Hand hält, aber vielleicht schmeckt es ihm auch einfach nur.

"Ich will noch mehr Saft!" "Ich auch!" "Ich auch!" "Nee, ihr hattet genug von dem süßen Traubenzeugs", sagt Erzieherin Saramis. "Gleich gibt es Mittagsessen. Ihr könnt noch etwas spielen." Und Sarah, Maximilian und die anderen springen auf.