Foto: Frank Vollmer
Die Kirchenkita in der Kaserne
In Hamburg-Blankenese gibt es einen Ort, an dem zukünftige Generäle und Admiräle ausgebildet werden. Sie kommen aus aller Herren Länder und bleiben mit ihren Familien für zwei Jahre dort in der Führungsakademie der Bundeswehr. Um ihre Kinder kümmert sich in dieser Zeit eine evangelische Kita des Kindertagesstättenwerks Altona-Blankenese. Wie es sich dort arbeitet, erzählt die Leiterin der Einrichtung in einem Gespräch mit unserem Redakteur Frank Muchlinsky.

###mehr-personen### Wer die Kita der Führungsakademie besuchen will, braucht gültige Papiere. Das sagt mir auch die Leitung der Kita, Maren Dietz, als wir uns verabreden. "Oder ich hole Sie am Seiteneingang ab. Rufen Sie mich an, wenn Sie vor dem großen grünen Zaun stehen. Ich öffne die Tür, und dann gehen wir zusammen zu unserem Gebäude." Gesagt, getan. Als wir schließlich über das Gelände gehen, frage ich, warum ich denn keinen Ausweis vorzeigen musste. "Hier sind überall Kameras. Ich habe angekündigt, dass Sie kommen, und weil wir zusammen hier langgehen, wissen die Bescheid, wer Sie sind." Das Gelände der Führungsakademie der Bundeswehr liegt in Blankenese, einem der vornehmeren Hamburger Stadtteile. Hier nehmen angehende Generäle und Admirale an Führungskursen teil. "Die kommen aus der ganzen Welt hierher. Lediglich aus Nordkorea hatten wir noch niemanden", erklärt Maren Dietz.

Alles Generalskinder?

"Wer aus einem NATO-Land kommt, bleibt für zwei Jahre. Das ist für die Teilnehmer eine sehr angenehme Zeit, weil sie mit ihren Familien zusammen sein können. Die Väter genießen, dass sie ihre Kinder morgens um viertel vor acht selbst bei uns vorbeibringen können. Die Gelegenheit haben sie sonst so gut wie nie."

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Ich schaue mich in der ausgesprochen sauberen und aufgeräumten Kita um, doch bevor ich das ansprechen kann, kommt mir die Leitung zuvor: "Das sieht hier nicht immer so aus. Wir haben gerade Sommer und Schließzeit. Das heißt, dass viele Kinder gerade gegangen sind, andere wechseln eine andere Gruppe. Da nehmen wir sämtliche Bilder von den Wänden und räumen gründlich auf, bevor es wieder neu losgeht."

Dennoch fällt mir auf, wie viel Platz hier ist und wie gut die Gruppenräume eingerichtet sind. Ich frage, ob diese Kita lediglich für Kinder von privilegierten Offizieren da ist? "Nein. Die Eltern sind nur zu 40 Prozent Soldaten. Wir haben 120 Kinder bei uns. Vier Gruppen mit Kindern von 3-6 Jahren und zwei Krippengruppen. Bei uns kann jedes Kind angemeldet werden, allerdings stimmt es schon, dass wir vorwiegend Akademiker als Eltern haben. Das bringt auch der Stadtteil mit sich. Und unter den Soldateneltern sind auch nicht nur angehende Generäle, sondern auch Zeitsoldaten, die hier arbeiten."

"Wir singen und beten mit den Kindern"

Ich bin erstaunt über die hohe Zahl an Kindern, die von außerhalb des Geländes jeden Tag hierher kommen. "Ja, das ist für einige Eltern auch ärgerlich, denn sie dürfen nicht mit dem Auto auf das Gelände fahren, und auch sie müssen täglich ihren Ausweis vorlegen. Aber andererseits fühlen sich die Kinder und auch die Eltern hier sehr wohl. Unsere Kita ist so eine Art Treffpunkt geworden."

Material für den Morgenkreis

Warum ist die Kita der Führungsakademie der Bundeswehr ausgerechnet eine evangelische Einrichtung? Maren Dietz zuckt mit den Achseln: "Die Führungsakademie brauchte eben eine Kindertagesstätte, und nachdem die Soldatenfamilien merkten, dass sie eine eigene Kita nicht selber leiten konnten in den 70er Jahren, wurde die Kirchengemeinde Blankenese angesprochen."

Beim Gang durch die Gruppen fällt mir auf, dass es in jedem Raum eine Ecke gibt, in der ein kleines Kreuz steht - zusammen mit einer Kerze, einer Klangschale und einem Gebetswürfel. Maren Dietz erklärt: "Das ist für unseren Morgenkreis. Jeden Morgen trifft sich die Gruppe, die Kerze wird angezündet, und wir singen und beten mit den Kindern."

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Gibt es da keinen Einspruch von einigen Eltern? "Nein. Alle wissen, dass wir eine kirchliche Einrichtung sind, und dass wir entsprechend arbeiten. Wir zwingen kein Kind mitzubeten, aber wir verzichten auch nicht darauf. Wir erzählen biblische Geschichten und feiern unsere christlichen Feste. Und dazu laden wir eben alle ein."

Mein Blick fällt auf ein Bord mit Kinderbibeln, Gesangbüchern und Literatur zu Islam und Buddhismus. Sicherlich sind nicht nur alle Nationen, sondern auch die meisten Religionen irgendwann einmal hier gewesen. "Ja, wir haben natürlich auch ab und an Kinder der verschiedenen Religionen bei uns. Von denen lernen wir dann etwas." Ich erfahre noch, dass die Kita mit der Kirchengemeinde Blankenese ebenfalls sehr eng zusammenarbeitet. Die Pastoren besuchen die Einrichtung regelmäßig, um die Mitarbeitenden religionspädagogisch fortzubilden. Gemeinsam werden Kindergottesdienste geplant und gefeiert.

Kameradschaft spielt eine große Rolle

Und wie ist das mit den Sprachen? "Derzeit haben wir Kinder aus sechs Nationen hier. Wer auf die Führungsakademie will, muss zuerst einen Deutschkurs bestehen. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass die Väter Deutsch sprechen können, die Mütter aber nicht. Darum führen wir unsere Elterngespräche zunächst auch auf Englisch, damit die Mütter mitreden können. Die Kinder der Soldaten kommen völlig ohne Deutschkenntnisse zu uns. Ein halbes Jahr lang hören sie zu, dann erhöhen sie ein halbes Jahr lang ihren Wortschatz, und wenn sie nach zwei Jahren gehen, können sie alle Deutsch."

Ich frage Maren Dietz danach, was für sie das Außergewöhnlichste ihrer Kita ist. "Zunächst einmal, dass ich als Kita-Leitung im Notfall Befehle empfange und befolgen muss, weil wir eben auf einem Militärgelände liegen. Das ist schon etwas anderes als eine Anweisung zu bekommen."

Das Außengelände der Kita

Dann deutet sie auf ein dunkelblaues Bundeswehrtelefon mit dem sie in ständigen Kontakt mit den Soldaten steht. "Wir sind hier eine eigene Gemeinde auf dem Bundeswehrgelände. Außerdem habe ich eine Anlage, mit der ich Ansagen im ganzen Haus machen kann, ist eher ungewöhnlich für eine Kita. Letztlich ist die Kita selbst ein Sicherheitsrisiko für die Führungsakademie, weil wir so viel Außenverkehr haben. Aber es gibt auch ein paar Besonderheiten, die das Arbeiten hier leicht und angenehm machen. Bei uns kann kein Kind verloren gehen. Wir haben kaum Autoverkehr auf dem ganzen Gelände, und die Eltern sind hier ausgesprochen engagiert. Unter Soldaten spielt Kameradschaft eben eine große Rolle, und das führt dazu, dass wir mit den Eltern schnell sehr viel organisieren können. Wenn ich ein Sommerfest auf die Beine stellen will, habe ich sofort viele Leute, die sich mit darum kümmern. Und nicht viele Kitas werden mal vom Bundespräsidenten besucht."

Ich bedanke und verabschiede mich. Den Weg über das Gelände hin zum Nebeneingang finde ich selbst, und zum Rausgehen muss man lediglich einen Knopf neben der Tür drücken.