Unsere Redakteure Frank Muchlinsky (Pfarrer) und Claudius Grigat (Vater) haben ein Experiment gewagt: Sie haben die Positionen getauscht, die üblicherweise mit ihren "Rollen" einhergehen. Der Pfarrer setzt sich für nichtkirchliche Paten ein, der Vater dagegen. Auf diese Weise soll ein Verstehen der jeweils anderen Seite möglich werden.
PRO - Der Pastor: Im Sinne Jesu und der Kinder
Wer sein Kind zu Jesus bringt, kann davon ausgehen, dass der es in die Arme schließt. Das haben wir schriftlich. Das sogenannte Kinderevangelium gehört aus gutem Grund zur Taufe dazu, denn es drückt aus, warum wir Kinder taufen: Sie sollen zu Jesus gebracht werden, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Wenn wir uns die Geschichte näher anschauen, werden wir feststellen müssen, dass die derzeitigen Regelungen der evangelischen Kirchen zur Patenschaft dieser Frohen Botschaft entgegenstehen. Wer sein Kind taufen lassen will, benötigt Paten, die Kirchenmitglieder sein müssen. Mindestens einer muss in den meisten Fällen auch noch zwingend evangelischen Bekenntnisses sein. Man will sicherstellen, dass die Paten das Kind, das ihnen so anvertraut wird, in Glaubensdingen miterziehen sollen. Als Qualifikation dafür gilt die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche.
Schon die Jünger Jesu wiesen Kinder ab
Als Leute Kinder zu Jesus brachten, wurden ihnen ebenfalls Schranken in den Weg gestellt. Es heißt die Jünger "fuhren sie an". Was sie genau sagten, steht nicht in der Bibel, aber man kann es sich ausmalen: "Der Meister hat besseres zu tun, als sich mit Euren Kindern rumzuschlagen." Oder: "Die sind zu klein. Die verstehen nicht, was hier passiert." Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Jünger die Leute mit den Kindern auf dem Arm nach ihrer Kirchenzugehörigkeit fragten, denn die gab es ja noch nicht. Aber Parallelelen zu heute gibt es doch: Die Jünger damals wie die Kirche heute haben zu wenig Vertrauen und Mut. Zunächst trauen sie den Eltern zu wenig zu. In den Jüngern mag ein Satz geklungen haben, der mit den Worten "Die wollen doch bloß…!" beginnt.
Das ist ein vielgehörter Satzanfang aus Pfarrermund, wenn es um Taufeltern geht. In Bezug auf die Kinder dachten sicherlich einige Jünger Sätze mit "Wie sollen denn die Kinder…?" Und mit dieser Haltung zeigen sie, dass sie weder Gott genügend zutrauen noch den Kindern. Heute wird kirchlicherseits dieser Satz beendet mit: "Wie sollen denn die Kinder etwas von Gott lernen, wenn ihnen nicht geschulte Paten zur Seite stehen?" Jesus wurde wie bekannt ausgesprochen ärgerlich auf seine Jünger, die die Kinder nicht zu ihm lassen wollen. Sein Statement: Die Kinder haben das Reich Gottes bereits gepachtet. Hört auf, sie von mir wegzuhalten.
Es geht nicht um die Erwachsenen, sondern um die Kinder
Das Patenamt ist natürlich nicht dafür da, dass jemand damit seine Freunde adelt oder für Ersatzeltern im Sterbefall sorgt. Aber das ist nicht die Perspektive, die Jesus einnimmt. Er fragt nicht nach den Motiven der Erwachsenen, sondern er schaut auf die Kinder. Diese Perspektive sollten wir auch seitens der Kirche einnehmen. Ich kann wirklich jeden Stoßseufzer meiner Kolleginnen und Kollegen verstehen, wenn bei Ihnen Eltern klingeln, die eigentlich nur an einer erweiterten Familienfeier interessiert sind und beim Wort Pate an "wirklich ganz, ganz besonders liebe Freunde" denken. Aber auch diese Eltern bringen ihr Kind zu Jesus. Und für jedes dieser Kinder gilt: Ihnen gehört das Reich Gottes. Richten wir also unseren Blick weg von den Eltern und Paten auf die Kinder. Die sollen etwas von Jesus erfahren können? Gut, machen wir einen so anregenden Kindergottesdienst, dass die Kinder kommen und bleiben. Die Kirche hat viele Möglichkeiten, von Jesus zu erzählen. Und Gott hat unendliche Möglichkeiten. Trauen wir ihm denn nicht zu, dass er die Seele eines Menschen rettet, nur weil seine Paten keine Kirchenmitglieder sind?
Seufzen wir einmal alle gemeinsam laut und wünschen mehr Glauben für die Eltern und Paten. Dann holen wir wieder Luft und pfeifen fröhlich, dass den Kindern das Reich Gottes gehört.
CONTRA - Der Vater: Die Kinder an die Hand nehmen
Martin Luther schon forderte, dass Taufpaten "besonders feine, sittige, ernste und fromme Gevattern" sein sollten. Denn schließlich übernehmen sie eine wichtige, eine verantwortungsvolle Aufgabe. Genau genommen, übernehmen sie sogar ein Amt, ein kirchliches Amt: Sie versprechen bei der Taufe feierlich, gemeinsam mit den Eltern für die christliche Erziehung des Täuflings zu sorgen. Und noch mehr: Es geht hier nicht nur um Glaubensinhalte, sondern auch darum, den Wert einer christlichen Gemeinschaft zu vermitteln, in die das Kind durch die Taufe aufgenommen wird. Im Optimalfall funktioniert das sogar in beide Richtungen: Die Taufpaten könnten ihre Aufgabe überdies so verstehen, dass sie umgekehrt auch dafür sorgen, dass die Gemeinde, die Gemeinschaft der Glaubenden, ihre Verantwortung für das Kind wahrnimmt. Sie fungieren somit sozusagen als Bindeglied zwischen Kirche und getauftem Kind. Die Gretchenfrage lautet dann aber natürlich: "Wie kann eine Person diese Funktion aufrichtig ausfüllen, die genau dieser Gemeinschaft – der Kirche - bewusst den Rücken gekehrt hat?"
Paten sind auch Stellvertreter
Darüber hinaus gibt es noch einen Aspekt des Patenamtes: Ein Pate sollte stellvertretend für das Kind den christlichen Glauben bezeugen. Diese Idee stammt in seinen Anfängen aus der Zeit der Einführung des Patenamtes in der Alten Kirche. Dort waren die Paten die Bürgen, die bezeugten, dass derjenige, der getauft werden wollte, es auch wirklich ernst meint mit dem christlichen Glauben – zu dieser Zeit besonders wichtig wegen der andauernden Christenverfolgungen im Römischen Reich. Später, als das Christentum Staatsreligion in Europa wurde, gab es sogar eine Zeit, in der die Paten ein Examen ablegen mussten, um nachzuweisen, dass sie ihr Patenkind im rechten Glauben unterweisen können. Das ist heute zum Glück nicht mehr so. Zweifeln ist erlaubt, Kritik ebenso.
###mehr-links###Und natürlich – das sei deutlich gesagt – muss ein Mensch nicht Kirchenmitglied sein, um glauben zu können. Persönlicher Glaube kann sehr unterschiedlich sein und kann nicht überprüft werden. Allerdings geht es bei der Taufe um die Aufnahme in eine christliche Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Bekenntnis. Dessen Wert wiederum kann nur schwerlich glaubhaft von (bewusst) "Außenstehenden" vermittelt werden. Das heißt nicht, dass im Umkehrschluss jedes Kirchenmitglied ein guter Taufpate sein muss. Aber vielleicht könnte eine anstehende Taufe ja der Anlass für den Kirchenfernen sein, das Verhältnis zu dieser Gemeinschaft neu zu überdenken und zu überprüfen, ob die bisherigen Vorbehalte noch so stichhaltig sind, dass sie im Wege stehen müssten.
Die Kinder auf dem Weg zu Jesus begleiten
Konstruktive Gespräche sind hier wichtig. Denn das Beharren auf der Kirchenmitgliedschaft für die Taufpaten birgt natürlich auch eine Gefahr: Menschen können sich weggestoßen fühlen. Menschen, die vielleicht gerade im Begriff waren, sich der kirchlichen Gemeinschaft wieder zu nähern – sowohl die Tauffamilie, als auch die vorgesehenen Paten. Schließlich gibt es auch immer noch die Möglichkeit, Taufzeugen zu benennen, die nicht in der Kirche sein müssen.
Fest steht aber: Für die Kindstaufe braucht es auf jeden Fall Tauf-Paten (im Gegensatz zur Erwachsenentaufe). Hier geht es keinesfalls darum, die Kinder zu bevormunden, zu gängeln oder gar zu indoktrinieren. Wer sich für die Kindstaufe entscheidet, entscheidet sich dafür, den Kindern einen Weg aufzuzeigen, den sie gehen können (nicht müssen!) – weil man sich selbst dafür entschieden hat, weil man selbst diesen Weg als richtig und wichtig erachtet. Das ist durchaus ein mutiger Schritt. Ein Schritt, bei dem man Hilfe gebrauchen kann. Es geht darum, diese Kinder auf dem Weg zu Jesus zu begleiten, nicht darum, sie zu prüfen oder gar fernzuhalten: Die Kinder an die Hand nehmen – nicht um sie zu ziehen, sondern um sie festhalten zu können, wenn sie straucheln. Die Hand, die festhält, kann keine Richtung anzeigen, aber sie kann Orientierung geben. Und um diese Orientierung sollte man als Pate eben auch selbst bemüht sein.