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Es gibt viele Urlaubsangebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen. Und das ist auch gut so, denn die Pflege im Alltag kostet viel Kraft.
Urlaub von der Demenz
Die meisten Demenzkranken werden von Familienangehörigen gepflegt - rund um die Uhr. Aber auch sie haben das Recht auf 28 Tage Urlaub im Jahr. Wer sie nimmt, hat danach mehr Kraft für den schwierigen Alltag
18.07.2013
Miriam Bunjes

Gerda Tholen hat sich in diesem Jahr den Teutoburger Wald als Reiseziel ausgesucht. "Wahrscheinlich ist es unser letzter gemeinsamer Urlaub", sagt die 71-Jährige. Ihr Mann Jochen ist seit fünf Jahren an Alzheimer erkrankt. Gerda Tholen pflegt ihn in der Kölner Wohnung, in der sie fast ihr ganzes Leben zusammen verbracht haben. "Der Alltag wird immer schwerer", sagt sie. Jochen Tholen schläft wenig, ist unruhig, manchmal aggressiv – und vor allem: in allen Alltagsdingen auf Gerda Tholen angewiesen.

Kraft tanken für den Alltag

"Ich brauche Pausen, das habe ich inzwischen gelernt", sagt Gerda Tholen. "Ich muss Kraft tanken, sonst schaffe ich das nicht mehr." Urlaub ist ihr dabei in den ersten Jahren nicht in den Sinn gekommen. "Ich kann ihn ja nicht längere Zeit allein lassen", sagt sie. "Ich bin seine Bezugsperson, kenne ihn und seine Gewohnheiten am besten." Urlaub - das ist vorbei. Dachte sie. In ihrer Tagespflegeeinrichtung entdeckte sie vor drei Jahren Angebote für Demenzreisen. Urlaub in Hotels mit Betreuungs- und Pflegeangeboten für Demenzerkrankte, zusammen mit Urlaubgästen, die wie sie demente Partner oder Eltern mitgenommen haben. Und mit Erholungsprogramm für die Angehörigen: Kaffee und Kuchen im Grünen, Wassergymnastik, zwei drei Stunden ohne Pflege.

###mehr-artikel###"Gerade pflegende Partner wollen keine Auszeit ganz ohne den oder die Erkrankte", sagt Andreas Pogoda, die für die Caritas Köln solche gemeinsamen Urlaube organisiert. "Sie machen sich dann so viele Sorgen um ihren Partner, dass sie sich auch gar nicht entspannen würden."

Ein Recht auf Urlaub von der Pflege haben alle pflegenden Angehörigen. 28 Tage im Jahr können sie bei der Pflegekasse so genannte Verhinderungspflege für das kranke Familienmitglied beantragen: Die Kosten für die Pflege außerhalb der Familie zahlt die Pflegekasse. Maximal 1.550 Euro im Jahr können verbraucht werden. Voraussetzung: Der Angehörige pflegt bereits seit sechs Monaten Zuhause. Rund 74.000 Pflegefälle nahmen diese Verhinderungspflege im vergangenen Jahr in Anspruch, 18.427 weitere nutzten die Möglichkeit der Kurzzeitpflege, informiert das Bundesgesundheitsministerium. In der Zahl enthalten sind nicht ausschließlich Demenzerkrankte, sondern alle Zuhause-Gepflegten.

"Erholung ist bitter nötig"

"Viele Demenzangehörige kennen ihre Rechte nicht", sagt Andreas Pogoda. "Dabei haben sie Erholung bitter nötig." Fast zwei Drittel der 1,4 Millionen Demenzkranken in Deutschland werden Zuhause gepflegt, das sind rund 933.000 Menschen.

Auch Holger Beyer aus Marienberg im Erzgebirge hat zehn Jahre lang zusammen mit seiner Frau seine Demenz kranke Mutter gepflegt. "Wenn ich gewusst hätte, dass wir ein Recht auf Verhinderungspflege haben, wäre vieles leichter gefallen", sagt er heute. Seine Mutter ist inzwischen gestorben und er engagiert sich im Verein zur Betreung Angehöriger Demenzkranker für genau dieses Wissen. "Gerade für ältere Pflegende ist es enorm schwierig, die Leistungen der Pflegekasse zu durchschauen und sie für sich zu nutzen", sagt Beyer. "Es ist leider nicht so, dass die Kassen offensiv auf das Recht auf Urlaub von der Pflege hinweisen."

Viele wollen zusammen mit ihren kranken Angehörigen Urlaub machen

So sieht das auch Dorothea Völling von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. "Die Angehörigen sind von der Pflege schon extrem belastet, die komplizierte Schreibarbeit für die Pflegekassen überfordert sie oft." Urlaubangebote verschiedener auf Demenzkranke spezialisierter Tourismusunternehmen gibt es aber inzwischen viele - für Angehörige, die zusammen mit ihrem kranken Verwandten Urlaub machen wollen, aber auch für solche, die allein verreisen wollen und eine Vollzeit-Vertretung suchen. "Die meisten wünschen aber einen Tandem-Urlaub", sagt sie. Auf Anfrage (info@deutsche-alzheimer.de oder 030- 259 37 95-14/-16) hilft sie Angehörigen bei der Suche nach einem passenden Angebot und hilft beim Ausfüllen der Anträge.

"Die Anbieter haben in der Regel auch schon geklärt, welche Betreuungsangebote die Kassen zahlen und wie man sie dort angibt", sagt Völling. Sie rät Interessierten, sich direkt an die Urlaubsherbergen zu wenden, damit vorher feststeht, ob sie alle Bedürfnisse der Urlauber erfüllen können. "Für die Demenzkranken ist ein Ortswechsel oft schwierig, man sollte vorher wissen, ob das Einrichtungskonzept zu dem Kranken passt."

"Die Pflege für die Kranken muss stimmen"

Die Alzheimer Gesellschaft verschickt Urlaubslisten und auch die Landesinitiative Demenz-Service aus NRW hat eine Übersicht über bundesweite Urlaubsangebote erstellt - Angebote vom Vier-Sterne-Hotel mit luxuriösem Wellness-Bereich bis zum Bio-Bauernhof mit benachbarter Tagespflege für die Demenzkranken. Die Angehörigen zahlen den eigenen Urlaub natürlich selbst. "Es gibt aber auch Angebote, die mit rund 40 Euro Vollpension am Tag recht günstig sind", sagt Völling. "Um sich wirklich zu erholen, muss natürlich vor allem die Pflege für die Kranken stimmen."

Und dann bringt ein Urlaub sehr viel, sagt auch Andreas Pogoda von der Caritas Köln. "Das Pflegen von Demenzpatienten ist enorm anstrengend, auch, weil mit fortschreitender Erkrankung der Gesprächspartner, den man mal hatte, zunehmend verloren geht." Und die Zeit fehlt, einfach etwas für sich zu tun und keine Verantwortung zu tragen. "Die Angehörigen sind körperlich und psychisch stark belastet", sagt Pogoda. "Auszeiten geben ihnen neue Kraft und auch das Gefühl, doch noch etwas Schönes gemeinsam machen zu können, stärkt die Belastbarkeit im Alltag."

Gerda Tholen freut sich vor allem auf Kaffee und Kuchen im Grünen. "Mir tun auch die Gespräche mit den anderen Angehörigen gut", sagt sie. "Dass sie ähnliche Schwierigkeiten haben und wie sie Lösungen finden." Auch ihrem Mann haben die vergangenen Urlaube gut getan, sagt sie. "Wahrscheinlich, weil sie mich glücklich gemacht haben."