Foto: epd-bild/Debbie Hill
Der muslimische Bäcker Emad Abu Sneineh holt Pitabrote aus dem Backofen seiner Familienbäckerei in der Altstadt von Jerusalem.
Koscheres Brot von Abu Sneineh
Muslimischer Bäcker in Jerusalem backt nach jüdischen Speisegesetzen
Aus dem jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt sind die meisten Muslime weggezogen. Die Bäckerfamilie Abu Sneineh aber blieb - und backt streng nach den jüdischen Speisegesetzen. Das Zusammenleben ist trotzdem nicht immer nur friedlich.
22.07.2013
epd
Susanne Knaul

Ihr Laden ist eigentlich nicht mehr als eine Backstube mit Verkaufstisch: Gleich neben dem Cardo, der Hauptstraße im römischen Jerusalem, backen die muslimischen Brüder Abu Sneineh Pitabrot und knusprige Backwaren mit Sesamsamen. "Kosher fresh bakery" steht am Fenster. Ein Zertifikat mit dem Siegel von Oberrabbiner Yona Metzger belegt: Hier gibt es koscheres Essen, die Backwaren wurden also nach den jüdischen Speisegesetzen hergestellt. Denn der einzige muslimische Bäcker im Jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt achtet strikt darauf, die Halacha, die heiligen jüdischen Regeln, einzuhalten.

Ein Jude muss den Ofen anzünden

Das Zertifikat gilt noch bis September, "es muss einmal im Jahr verlängert werden", sagt Muhwe Abu Sheineh, einer der fünf Brüder, die den Laden von ihrem Vater übernommen haben. Bei den Abu Sneinehs gibt es nie Probleme damit. Jeden Morgen um fünf Uhr kommt ein junger jüdischer Jeschiwaschüler von der Talmudhochschule, um den Ofen anzuzünden und sich als "Koscher-Wächter" ein kleines Taschengeld zu verdienen. Wenn ein Jude das Feuer anzündet, gilt das Brot als von Juden gebacken, sagt Muhwe Abu Sneineh. Damit entspreche es den jüdischen Speisegesetzen.

###mehr-artikel###Für den Koscher-Stempel ist zudem wichtig, dass das Mehl durch den sogenannten "Nabal" gesiebt wird, damit sichergestellt ist, dass keinerlei Ungeziefer in den Teig gerät. Es muss "parve" bleiben - ohne Milch, ohne Fleisch, so besagt es die Religion. Die Familie Abu Sneineh hat eigens eine Maschine zum Sieben des Mehls anschaffen müssen. "Wir dürfen außerdem kein Fleisch im Laden haben und keine Eier kochen", sagt Muhwe.

Der 43-jährige Bäcker ist in dem Laden groß geworden, der kaum 20 Quadratmeter misst. Hier hat schon sein Großvater gearbeitet. Der Vater der Brüder kaufte das kleine Geschäft dann kurz vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967, als die Altstadt noch unter jordanischer Kontrolle stand. Nach und nach sind die Muslime aus dem Jüdischen Viertel weggezogen.

Nur die Abu Sneinehs wollen bleiben, obwohl das Zusammenleben nicht immer nur friedlich ist. "Uns ist schon so viel Geld für den Laden geboten worden", sagt Muhwe. Doch ein Verkauf kommt für ihn nicht infrage. Nicht zuletzt stellt das palästinensische Recht den Verkauf von Haus- und Grundbesitz an Nichtpalästinenser aus politischen Gründen unter hohe Strafen.

Am Fenster stand "Tod den Arabern"

Eine schlimme Überraschung erwartete die Bäcker kürzlich, als Unbekannte in hebräischen Buchstaben "Tod den Arabern" an das Fenster schmierten. "Die Polizei hat es wieder abgewaschen", berichtet Muhwe. Die Täter seien bislang noch nicht erwischt worden. "Wir wollen keinen Ärger, und wir sind vorsichtig." Die meisten Leute in der Nachbarschaft ließen die muslimischen Bäcker in Ruhe. Aber "es gibt auch welche, die nie bei uns kaufen würden", ist seine Erfahrung.

Kaum zehn Meter weiter hat vor ein paar Jahren eine Backwarenkette einen Laden eröffnet. Beide Geschäfte streiten ab, in Konkurrenz miteinander zu stehen. "Manchmal schicken wir uns sogar gegenseitig Kundschaft rüber", sagt Simcha, die hinter dem Theke bei "Maafey Neeman" ("Neeman Backwaren") steht. Das sei möglich, weil das Angebot der Bäcker sehr unterschiedlich ist.

Bei Abu Sneinehs wird den ganzen Tag über frisch gebacken, dafür ist die Auswahl auf Pitabrot, Sesamkringel und Softdrinks beschränkt, während es nebenan mindestens 20 verschiedene, in Plastikbehälter verpackte Kekssorten gibt, die allesamt maschinell hergestellt sind.

Dutzende Pitabrote auf dem Kopf

Bei den Abu Sneinehs stellt sich der Kunde an die Tür und ruft den Bäckern zu, was er gern kaufen möchte. Erst dann wird die Ware in Tüten verpackt. Den größten Umsatz machen die Brüder jedoch mit ihren Lieferungen an die arabischen Händler in der Altstadt: Jede halbe Stunde läuft einer der Bäckerjungen los zu den Händlern, auf dem Kopf balanciert er ein riesiges Holzbrett mit mehr als 100 Pitabroten.

"Wenn es etwas ruhiger ist, dann sitzen wir manchmal zusammen, trinken Kaffee und tauschen den neuesten Klatsch aus der Nachbarschaft aus", sagt Simcha, die selbst in einer israelischen Siedlung lebt. Die Nachbarschaft mit den muslimischen Bäckern empfindet sie als "völlig normal". Nur die Politik lassen die Bäcker dann außen vor.