Foto: epd-bild/Andreas Fischer
Wasserkaskaden im Bergpark in Kassel. Im Juni erkannte die UNESCO den Park als Weltkulturerbe an.
Die Beherrschung des Wassers
Vor 300 Jahren schuf ein hessischer Landgraf die Basis des Weltkulturerbes im Bergpark Wilhelmshöhe
Der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel ist seit kurzem UNESCO-Welterbe. Sein kunstvolles Spiel mit dem Wasser beruht auf natürlichen Gesetzen.
24.07.2013
epd
Christian Prüfer

Wasser, das auf einem Berggipfel entspringt, über eine kunstvolle Anlage zu Tal strömt und in einer Fontäne mündet, die höher ist als die von Versailles: diese Vision ließ dem hessischen Landgrafen Karl (1654-1730) vor rund 300 Jahren keine Ruhe. Mit Hilfe des italienischen Wasserbaumeisters Giovanni Francesco Guerniero gelang ihm schließlich ein aufsehenerregendes Meisterwerk: Das Herkulesbauwerk mit seinen Wasserspielen, die ohne Pumpen und technische Hilfsmittel auskommen. Aus gut 600 Metern Höhe stürzen bis heute Wassermassen über geschickt angelegte Kaskaden zu Tal.

###mehr-artikel###Im Juni erkannte die UNESCO den Bergpark als Weltkulturerbe an - fast 300 Jahre, nachdem 1714 die Wasser zum ersten Mal rauschten. Ob die von Karl gewünschte Fontäne damals auch schon sprudelte, ist nicht sicher, sagt Siegfried Hoß, Leiter der Abteilung Gärten und Gartenarchitekturen bei der Museumslandschaft Hessen Kassel. Auf jeden Fall dürfte sie aber zu Lebzeiten Karls die heutige Höhe von 50 Metern - die tatsächlich größer ist als die Höhe des Versailler Pendants - nicht erreicht haben. Denn dazu waren Wassersammelbecken nötig, die erst später angelegt wurden.

Die Wasserspiele seien "ein außergewöhnliches und einmaliges Beispiel monumentaler Wasserbaukunst des europäischen Absolutismus", heißt es in der Begründung des Welterbekomitees. Rein absolutistisch präsentiert sich der heutige Bergpark allerdings nicht mehr. Denn Landgraf Wilhelm IX., der spätere Kurfürst Wilhelm I., erweiterte ab 1785 die Wasserkünste - nun aber nicht mehr im barocken, sondern im romantischen Stil.

Wie ein natürlicher Steinbruch

Er ließ den Steinhöfer Wasserfall errichten, der die Form eines natürlichen Steinbruchs nachahmt. Das Wasser fließt danach unter der Teufelsbrücke hindurch in den Höllenteich hinunter, um sich dann von einem Aquädukt, das als Ruine konzipiert ist, mehr als 30 Meter in die Tiefe zu stürzen. Endstation ist die Fontäne in Form eines Geysirs, die aus einem 80 Meter höher gelegenen Wasserreservoir gespeist wird.

###mehr-info###Bei den ausgeklügelten Wasserspielen gibt es keinerlei Pumpen. Das Wasser kommt mittels einfacher physikalischer Gesetze auf den Berg. Grundlage dafür ist eine rund einen Kilometer entfernte Hochebene, die über dem Niveau des Bergpark-Gipfels liegt und durch ein Tal von ihm getrennt ist. Hier ließ Karl Gräben und einen See anlegen. Im Winter sammelte er große Mengen Schmelzwasser, erläutert Karsten Gaulke, Leiter des Astronomisch-Physikalischen Kabinetts.

Kommunizierende Röhren

Von diesem See wird das Wasser auch heute noch durch das Tal auf den Berg geleitet, um nach Öffnung einer Schleusenklappe über die Kaskaden zu Tal zu fließen. Das funktioniert nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren: Wenn zwei oben offene Wassergefäße unten durch Röhren miteinander verbunden sind, ist der Wasserstand in ihnen stets gleich hoch.

Der technische Standard war erstaunlich: Einige der Wasserrohre stammen noch heute noch aus der Zeit der Erbauer. "Landgraf Karl wollte mit dieser Konstruktion die Beherrschung eines der vier Elemente zeigen", sagt Gaulke. Das Wasser fließt die Kaskaden geordnet hinab und kann sogar mittels eines geschickt erzeugten Luftstromes einen ohrenbetäubenden Ton in den Trompeten mythologischer Figuren erzeugen: eine gezähmte Urgewalt.

###mehr-links###Unweit der Fontäne steht das herrschaftliche Schloss, in dem sich auch eine kleine evangelische Kapelle befindet. Sie ist besonders für Hochzeiten beliebt, sagt die Sprecherin des Stadtkirchenkreises, Heike Schaaf. In diesem Sommer rechne man mit rund 50 Trauungen.

Pfarrer Martin Becker, in dessen Gemeinde die Kapelle liegt, feiert hier sonntags Gottesdienst - von September bis Himmelfahrt nachmittags in der Kapelle, im Sommer unter freiem Himmel bei der Konzertmuschel nahe dem Schloss. Zweimal im Jahr bietet er außerdem "Pilgern durch den Bergpark" an. Und er denkt angesichts des Welterbetitels auch über Besonderes nach. Ein Angebot war schon erfolgreich: ein "Gottesdienst für Liebende".