Foto: Getty Images/iStockphoto/Zurijeta
Fasten zum Ramadan: "Wie jeden Tag Weihnachten"
Mitten im Sommer verzichtet der Berliner Arman Kuru tagsüber freiwillig auf Essen und Trinken. Der Muslim folgt dem Fastengebot im Ramadan und zeigt, dass sich ein Leben nach den Regeln des Islam auch in den deutschen Alltag integrieren lässt.
12.07.2013
epd
Luise Poschmann

Arman Kuru hat Durst. "Ich hab' heut Nacht zwar viel getrunken, hätte jetzt aber schon gern einen Schluck Wasser", sagt der 22-jährige Polizeianwärter und lacht. Der Sommer in Berlin zeigt sich in diesen Tagen von seiner besten Seite, am Mittag erreichen die Temperaturen oft mehr als 25 Grad Celsius. Gegessen und getrunken hat der künftige Kriminalkommissar nicht, seitdem die Sonne an diesem Tag über Berlin aufgegangen ist. Denn wie für Millionen weitere Muslime in Deutschland hat auch für ihn der Fastenmonat Ramadan begonnen.

###mehr-artikel###

"Die ersten zwei bis drei Tage sind am schwierigsten", erzählt Kuru, der schon das zehnte Mal einen Monat lang fastet. Danach habe er sich meist an den Verzicht gewöhnt, fügt er hinzu. Trotzdem fühle er sich im Ramadan körperlich viel schwächer, könne nicht wie sonst täglich Sport treiben. "Erst nach dem Fastenbrechen am Abend kann ich ein paar Liegestütze machen."

Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender, er wandert deshalb durch das normale Kalenderjahr. Das Fasten im Ramadan gehört wie das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Armensteuer und die Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen des Islam. Von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang verzichten die Muslime auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex. Das Fasten soll den Alltag durchbrechen und den Menschen Zeit für Besinnung ermöglichen.

Gebete zum Nachholen im Handy

"Es ist mir die liebste Zeit im Jahr", sagt Kuru und setzt sich entspannt auf den Rasen auf dem Campus der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin-Friedrichsfelde. Er trägt eine Sonnenbrille, die Unterlagen für das Studium sind in einer graukarierten Umhängetasche verstaut.

Der 22-jährige Berliner Arman Kuru in einem türkischen Geschäft in Berlin-Wedding.

Um genau zu wissen, wann das Fasten am Morgen beginnt und abends wieder gebrochen werden kann, hat Kuru eine App auf seinem Smartphone. Die zeigt ihm auch, in welcher Himmelsrichtung Mekka liegt und wann die Gebetszeiten sind.

Da er während seiner Ausbildung zum Kriminalkommissar nicht immer jedes Gebet einhalten kann, notiert er sich auch in sein Handy, welche Gebete er noch nachholen sollte. "Zum Glück ist es ja kein Weltuntergang, wenn man mal ein Gebet verpasst", schmunzelt er. Ohnehin integriert Kuru das Leben nach religiösen Regeln pragmatisch in seinen Alltag. An den Tagen, an denen in der Uni besonders schweißtreibender Sport auf dem Programm steht, unterbricht er das Fasten und holt die Fastentage im Anschluss an den Ramadan nach.

Dass Kuru nach den Regeln des Islam lebt, war nicht immer selbstverständlich. "Ich bin in einer säkularen Familie aufgewachsen, da habe ich wenig religiösen Input bekommen", berichtet er. Seine Eltern stammen aus der Türkei, er selbst ist in Berlin geboren. Im Nachhinein betrachtet sei er auch gerade durch das Leben in Deutschland mehr zur Religion gekommen, erzählt Kuru. Das Gefühl des "Andersseins" habe dazu geführt, dass er sich schon in jungen Jahren aktiv und bald auch kritisch mit dem Islam auseinandergesetzt habe.

Fasten zum Zeigen von Mitgefühl und Menschlichkeit

Mittlerweile ist die Religion Mittelpunkt seines Lebens. "Der Islam, wie ich ihn verstehe, ist eines der wenigen Dinge, mit denen ich mich vollständig identifizieren kann", sagt Kuru. "Es ist eine friedliche Religion, ich sehe sie weit weg von der Politik." In seiner Freizeit engagiert sich Kuru im Sufi-Zentrum, das die spirituelle und mystische Seite des Islam hervorhebt. Bekannt ist diese Strömung vor allem durch die sich in Trance tanzenden Derwische. Außerdem hat Kuru mehrfach an der Jungen Islamkonferenz teilgenommen, bei der sich junge Muslime und Nichtmuslime über gesellschaftliche Fragen austauschen.

Am späten Nachmittag geht Kuru für das Fastenbrechen einkaufen. Sorgfältig sucht er sich Obst und Gemüse aus, der Duft des Ramadan-Fladenbrotes breitet sich in dem türkischen Geschäft aus. "Ramadan ist wie jeden Tag Weihnachten, es gibt jeden Abend ein Festessen mit der Familie und Freunden - zumindest kommt es einem immer wie ein Festessen vor", lacht er. Mit auf der Einkaufsliste stehen Datteln, mit denen oft das Fastenbrechen beginnt.

Manchmal werde ihm die Frage gestellt, warum er sich als junger, moderner Mensch das Fasten antue, erzählt Kuru. Die Sonne scheint auf sein Gesicht, sein Magen muss mittlerweile sehr leer sein. "Das kann ich schwer erklären", sagt der 22-Jährige. Es erinnere an die Menschlichkeit und daran, dass die Bedürfnisse nicht Herr der Lage werden dürften, meint Kuru. Außerdem, fügt er hinzu, werde damit auch jener Menschen auf der Welt gedacht, die weniger zu essen haben. "Man zeigt durch das Fasten Mitgefühl und dass man dankbar ist für das, was man selber hat."