Foto: epd/Ursula Wilms
Baubeginn des Denkmals für die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie vor der Berliner Philharmonie. An dem Standort in der Tiergartenstraße 4 befand sich früher die NS-Dienststelle, die von Januar 1940 bis August 1941 die Massenmorde an Kranken und Behinderten organisierte.
Gedenken an die NS-"Euthanasie"-Opfer am Ort der Täter
Hunderttausende kranke und behinderte Menschen fielen dem NS-Regime zum Opfer. Ein neuer Gedenkort auf dem Vorplatz der heutigen Berliner Philharmonie soll an die Ermordung wehrloser Menschen erinnern - dort, wo die Nazis den Massenmord planten und organisierten.
09.07.2013
epd
Luise Poschmann

Unscheinbar ist der Platz an der Tiergartenstraße 4 vor den mächtigen Fassaden der Philharmonie im Zentrum Berlins. Doch die Geschichte des Ortes ist erschütternd. Vor mehr als 70 Jahren wurde hier unter dem Decknamen "Aktion T4" die systematische Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen geplant. Am Montag hat dort der 2011 vom Bundestag beschlossene Bau eines neuen Gedenkortes für die Opfer des nationalsozialistischen "Euthanasie"-Programms begonnen.

Zum Auftakt des 500.000 Euro teuren Bauvorhabens erinnerte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) an den systematischen Massenmord als "eines der grauenvollsten Verbrechen des NS-Regimes". Bei der nach dem Sitz der NS-Dienststelle benannten "Aktion T4" seien wehrlose Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung, psychisch und chronisch Kranke sowie als "Asoziale" diffamierte Menschen getötet worden, betonte Neumann.

Ein Denkmal für Toleranz, Mitgefühl und Achtung vor dem Leben

Für die Bundesrepublik Deutschland blieben die Aufarbeitung der NS-Verbrechen und das Gedenken an die Opfer eine "dauerhafte Aufgabe und Verpflichtung" der nachfolgenden Generationen, sagte Neumann. "Dieses Denkmal wird in unserer Hauptstadt einmal mehr ein Zeichen setzen: gegen Hass, Verblendung, Kaltherzigkeit und für Toleranz, Mitgefühl und Achtung vor dem Leben."

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In der Tiergartenstraße 4 befand sich früher die NS-Dienststelle, die von Januar 1940 bis August 1941 die Massenmorde an Kranken und Behinderten organisierte. Als Denkmal ist eine blaue, drei Meter hohe und 30 Meter breite Glaswand auf dunkler Fläche mit kubusförmigem "Informationselement" geplant.

Den Morden fielen bis zum Kriegsende rund 300.000 Menschen zum Opfer. An der heutigen Philharmonie erinnern bislang eine Bodenplatte, eine Informationstafel und eine Plastik an die Geschichte des Ortes.

"Den Opfern Namen und Gesichter zurückgeben"

Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) verwies bei dem Festakt auf eine lange Periode des Verdrängens in Gesellschaft und Politik. "Es wurde Zeit, dass der Bundestag nicht nur die Rechtsstellung der Opfer, sondern auch ihre öffentliche Würdigung zu seiner Angelegenheit macht", sagte Kolat. Trauer und Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen dürften nicht verschleiern, dass der langjährige Umgang mit den "Euthanasie"-Morden in der Bundesrepublik vor allem durch Schweigen und Nichtanerkennung gekennzeichnet gewesen sei.

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"Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung wurden in der Bundesrepublik lange Jahre versteckt und als Opfergruppe kaum zur Kenntnis genommen", sagte Kolat. Deshalb sei "hier im Zentrum von Berlin der einzige richtige Ort des Gedenkens und der Information".

Die Opferangehörige und Mitbegründerin des Runden Tisches "Überlegungen zur Umgestaltung des 'T4'-Gedenkortes", Sigrid Falkenstein, erinnerte bei dem Festakt an die menschlichen Schicksale hinter dem Gedenkort. Zu lange seien die "Euthanasie"-Morde in Gesellschaft und Politik "vertuscht, verdängt und verleugnet" worden, kritisierte Falkenstein, deren Tante 1940 mit 24 Jahren in einer Gaskammer ermordet wurde.  Das neue Denkmal dürfe deshalb kein Ort "nur für Sonntagsreden und Kranzniederlegungen" werden, sondern müsse den Opfern "Namen und Gesichter zurückgeben - und damit etwas ihrer menschlichen Würde".