Sonne, Strand, Meer - Spanien ist auch in diesem Jahr das Lieblingsreiseziel der Deutschen. Sie kommen mit dem Flugzeug, fahren Hunderte Kilometer mit dem Auto, setzen sich abends ins Restaurant und genießen das Mittelmeerflair eines Landes, das seit zwei Jahren in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt: Der Staat spart, versucht die Auflagen der EU-Troika zu erfüllen, während jeder vierte Spanier keine Arbeit findet.
###autor### Noelia Serradilla Vadillos Urlaubspläne dürfen deshalb bei weitem nicht so viel kosten wie die deutscher Touristen. Die 39-Jährige aus dem spanischen Mérida ist arbeitslos. Ihr Mann musste die 50 Angestellten seines Bauunternehmens entlassen, die Schulden werden die beiden noch viele Jahre begleiten. Ans nahe gelegene Meer wird sie trotzdem mit ihren zwei fünf- und siebenjährigen Kindern fahren - zu einem Onkel. Ihre große Tochter geht mit Freunden wandern. Außerdem gibt es ein Haus auf dem Land vor Mérida im Familienbesitz. "Alle Schulfreunde meiner Kinder verbringen so ihre Sommerferien", sagt Noelia. "Wer ist nicht von der Wirtschaftskrise betroffen?"
Deutsche sind pragmatisch statt solidarisch
So wie sie haben viele Südeuropäer ihre Ferienzeit geplant: Etwa die Hälfte der für eine umfangreiche EU-Tourismus-Studie befragten Spanier, Griechen, Italiener und auch Iren gab an, ihre Urlaubspläne aus finanziellen Gründen verändert zu haben - sie fahren kürzer weg, weniger weit oder auch gar nicht. Zum Vergleich: 90 Prozent aller befragten Deutschen hatten für 2013 konkrete Reisepläne.
###mehr-artikel### "Am Reiseverhalten der Deutschen hat die Eurokrise nichts verändert", sagt Sybille Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes. "Die Deutschen merken sie ja auch nicht in ihren Portemonnaies." Spanien und Italien bleiben Lieblingsreiseziele im Ausland, gefolgt von Griechenland und Kroatien.
"Den Urlaub an sich stellen die Deutschen nicht infrage", sagt auch Ulrich Reinhard, Tourismusforscher der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Es gebe insgesamt einen Trend zu Inlandsreisen, ansonsten werde der Mittelmeerraum viel bereist, Griechenland aber insgesamt immer noch weniger. "Aus Unsicherheit, als Deutsche nicht gern gesehen zu sein", glaubt der Professor. "Und auch aus Sorge, sich vor Ort für die Europa-Politik Deutschlands rechtfertigen zu müssen." Insgesamt reagiere der deutsche Tourist pragmatisch statt solidarisch, analysiert Reinhard. "Er denkt nicht an die Einnahmen für Griechenland, sondern weicht auf andere mediterrane Ziele aus."
"Es wird noch schlimmer werden"
Die griechische Touristikbranche erwartet allerdings 2013 wieder mehr deutsche Touristen als 2012. "Dafür sprechen die Zahlen der Reiseveranstalter", sagt Panagiotis Skordas. "Die Gastfreundschaft der Griechen ist auch in der Eurokrise ungebrochen." Und zurzeit werde eine Steuersenkung in der Gastronomie diskutiert - um den Tourismus zu fördern. Litsa Terzidou, die für das griechische Reiseunternehmen Syrtaki Travel deutsche Touristen im Raum Thessaloniki betreut, begegnen in ihrer Region dennoch immer mehr russische Touristen - und immer weniger deutsche.
Die Griechen verreisen trotz ihrer finanziellen Einschränkungen, sagt Terzidou. "Sie besuchen Verwandte außerhalb der Städte und versuchen, nicht so weit zu fahren, weil das Benzin gerade so teuer ist." Allerdings: "Wir Griechen müssen ja auch nicht so weit fahren für schöne Strände und das Mittelmeer. In den Ferien mehr auf's Geld zu schauen, ist nicht so schlimm."
So sieht das auch Noelia in Spanien. "Es gibt viele schöne Orte in der Nähe. Mir sind andere Sachen wichtiger als Reisen", sagt sie. Keine Angst vor der Zukunft haben vor allem. Dass Spanien die Wirtschaftskrise durch das von der EU verordnete Sparen überwinden kann, glaubt sie nicht. "Es ist noch schlimmer, als uns offiziell gesagt wird, und es wird noch schlimmer werden."
Wenn es so kommt, werden sie doch reisen - und Spanien den Rücken kehren. In Südamerika und Kanada werden Straßenbauingenieure gesucht, hat das Ehepaar schon recherchiert.