Erzieherinnen haben wenig Geld, kaum Ansehen und keine Karrieremöglichkeiten. Mit diesem Vorurteil hatte das Kita-Personal lange zu kämpfen. Gering bezahlt werden die Fachkräfte noch immer, mittlerweile aber gehören sie zu den bundesweit gefragtesten Berufsgruppen. Denn wenn Eltern ab 1. August einen Kita-Platz für ihre Kinder ab dem zweiten Lebensjahr einklagen können, fehlen in den Einrichtungen noch bis zu 30.000 Erzieherinnen und Erzieher, wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) schätzt.
###mehr-artikel### "Es ist rundum eine Katastrophe im Moment", klagt Erika Hoffmann. Sie leitet die Kindertagesstätte "Bienenhaus" im oberbayerischen Feldkirchen. "Das Problem ist, dass wir heute alles nehmen müssen, was wir kriegen." Bewerberinnen, die vor zehn Jahren noch nicht berücksichtigt worden seien, würden mit Kusshand genommen. Zusätzlich müsse der Träger der Kita, die Innere Mission München, aktiv werden. Vor einem Jahr warb der Arbeitgeber beispielsweise arbeitssuchende Erzieherinnen aus Griechenland an - und weckte damit Begehrlichkeiten bei anderen Häusern.
Kampf um Personal mit harten Bandagen
Der Kampf um geeignetes Personal werde mit harten Bandagen geführt, berichtet Hoffmann. "Abgeworben wird immer wieder mal, weil manche Träger einfach mehr bezahlen. Dabei ständen sehr viel mehr Kita-Plätze zur Verfügung, wenn das Personal da wäre. Das ist ja das Irre", schimpft sie.
###mehr-links### Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betreuen derzeit rund 450.000 pädagogische Arbeitskräfte mehr als drei Millionen Kinder. Mit Ausnahme der Ballungszentren sind die ostdeutschen Kinderkrippen personell deutlich schlechter ausgestattet als die westdeutschen, wie aus dem aktuellen "Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Demnach kümmert sich eine Erzieherin im Osten um durchschnittlich sechs Ganztagskinder, im Westen sind es 3,7.
Durch die angespannte Situation habe sich die Verhandlungsposition des Personals verbessert, sagt Harald Giesecke von der Gewerkschaft ver.di. "In einigen Städten, wie etwa in Frankfurt am Main, bekommen Erzieherinnen schon jetzt ein höheres Einstiegsgehalt." Stuttgart oder Mainz locken Bewerberinnen mit unbefristeten Verträgen oder Vollzeitstellen.
Streifzug durch die City, Hilfe bei der Wohnungssuche
Der drohende Personalnotstand lässt so manchen Träger besonders kreativ werden: So lädt die Stadt München interessierte Erzieherinnen zu Schnupperwochenenden samt "Streifzug durch die City" ein und ist bei der Wohnungssuche behilflich. Andernorts werden als Bonus Nahverkehrstickets, Vollverpflegung oder Laptops geboten.
Bei der gemeinnützigen Gesellschaft "Terminal for Kids" geht das Konzept der Sonderanreize auf. "Wir haben zum Glück keinen Erziehermangel, weil wir am Markt sehr exotisch sind und spezielle Angebote machen", sagt Personalleiterin Angelika Felsing. "Terminal for Kids" arbeitet mit Firmen wie Fraport zusammen und betreibt fünf Häuser im Großraum Wiesbaden-Frankfurt. "Überirdisch gut bezahlen können wir nicht, aber wir haben einfach ein gutes Gesamtpaket", erläutert Felsing das Erfolgsrezept. Die Angestellten erhielten zahlreiche Fortbildungen und: "Bei uns bekommen die Erzieherinnen einen super finanzierten Dienstwagen von Mercedes gestellt."
Entspannung der Lage offenbar nicht in Sicht
AWO-Bundeschef Wolfgang Stadler kritisiert die Versuche reicher Träger und Kommunen, vermehrt Erzieherinnen aus finanzschwachen Regionen abzuwerben. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz dürfe nicht um jeden Preis durchgesetzt werden. "Alle Kinder müssen, unabhängig von ihrem Wohnort, die Möglichkeit einer qualitativ guten Kita-Betreuung haben", fordert er.
Denn eine Entspannung der Lage ist offenbar nicht in Sicht. Auf Basis einer Länderabfrage Ende 2012 warnt die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg auch künftig vor einem drastischen Personalmangel: "Die geschätzte Fachkräftelücke bis 2016 liegt bei rund 21.000 Erziehern in Vollzeitstellen", sagt Agentursprecherin Ilona Mirtschin.