Eine Vermittlerin hatte Zuzanna einen legalen Arbeitsplatz in Deutschland versprochen. In Süddeutschland arbeitete die Polin als 24-Stunden-Betreuerin für eine 84-Jährige. Doch als sie nach einem Monat das erste Gehalt bekommen sollte, erwartete Zuzanna eine böse Überraschung. Statt der angekündigten 1.000 Euro gab ihr die Vermittlerin lediglich 800 Euro.
Fälle wie diesen erlebt Sylwia Timm vom Beratungsprojekt "Faire Mobilität" des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin immer wieder. Viele Betreuerinnen kämen über Vermittlungsagenturen nach Deutschland, die sowohl den Frauen als auch den Angehörigen der Senioren ein legales Beschäftigungsverhältnis versprächen. Doch oftmals hätten die Frauen keine richtigen Arbeitsverträge, arbeiteten ohne ihr Wissen als Scheinselbstständige und seien auch nicht sozialversichert, sagt Timm. Dennoch hielten viele Frauen durch, weil sie sich nicht zu helfen wüssten und ihre Familien in der Heimat das Geld brauchten.
Lohngefälle gleicht Lücken im Pflegesystem aus
95 Prozent der 100.000 bis 150.000 Frauen aus Ost- und Mitteleuropa, die in deutschen Seniorenhaushalten arbeiteten, seien nicht legal beschäftigt, schätzt Johannes Flothow vom Diakonischen Werk Württemberg. Das vor zwei Jahren gegründete Fraueninformationszentrum der Diakonie in Stuttgart ist Anlaufpunkt für osteuropäische Seniorenbetreuerinnen. "Viele sind ausgelaugt und psychisch angeschlagen," sagt Flothow. Die Diakonie bietet den Frauen in solchen Fällen juristische Hilfe an. Meist sei diesen aber mehr daran gelegen, mit Unterstützung der Diakonie eine legale Beschäftigung zu finden.
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Nicht nur die schlechte arbeitsrechtliche Situation mache den Frauen zu schaffen, sagt Flothow. Auch der Stress, rund um die Uhr zur Verfügung stehen zu müssen, zermürbe die Betreuerinnen. Tatsächlich widerspreche die Arbeitsbelastung ausländischer Seniorenbetreuerinnen in der Regel jeglichen in Deutschland gültigen Arbeitszeitregelungen, kritisiert Margret Steffen, Expertin für Gesundheitspolitik bei der DGB-Gewerkschaft ver.di. Doch dies werde von der Politik stillschweigend geduldet.
Grund dafür sei die weit verbreitete Meinung, dass man die 24-Stunden-Pflege eben nicht anders organisieren könne, sagt Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln. Derzeit würden Lücken im Pflegesystem unter anderem mit Hilfe des Lohngefälles zu den osteuropäischen Staaten gelöst. Tatsächlich seien aber ganz neue Konzepte notwendig, um die Pflege alter Menschen in Zukunft sicherstellen zu können.
FairCare: maximal 40 Stunden pro Woche
Andere Länder machten vor, wie es besser funktionieren könnte, sagt Isfort. So habe beispielsweise in Japan jeder Pflegebedürftige einen behördlichen Sachbearbeiter, der seinen Bedarf an Unterstützung prüfe und die nötigen Hilfeleistungen organisiere. Dazu müsse der Staat aber auch bereit sein, mehr Geld für die Pflege zur Verfügung zu stellen. Ein weiteres Beispiel: In Frankreich laufe die Vermittlung der osteuropäischen Betreuerinnen über eine staatliche Agentur, die den Rechtsrahmen für die Beschäftigung vorgebe, ergänzt Gewerkschafterin Steffen. Damit hätten private Vermittler, die in juristischen Grauzonen operierten, keine Chance.
Wie es auch in Deutschland anders gehen kann, zeigt das Projekt FairCare der Diakonie Württemberg, die selbst Seniorenbetreuerinnen vermittelt. Dabei stellen die Projektmitarbeiter sicher, dass die Frauen maximal 40 Stunden pro Woche arbeiten und mindestens einen freien Tag pro Woche haben. Die übrige Betreuungszeit werde meist durch die Familie organisiert, sagt Johannes Flothow.
Partner der Diakonie Württemberg in den Herkunftsländern der Frauen, wie etwa die Diakonie in Polen, vermitteln die Bewerberinnen. Sie bereiten sie auch in Kursen darauf vor, was sie in Deutschland erwartet.