Foto: Michael Lenz
Die Mor Chang, die Elefantenschamanen vom thailändischen Volk der Kui, finden keinen Nachwuchs mehr. Ihr Wissen und ihre Kultur werden nicht mehr gebraucht.
Mor Chang, die letzten Elefantenflüsterer Thailands
Elefanten sind in Thailand heilige Tiere. Trotzdem gibt es nicht mehr viele der Dickhäuter, denn für die Arbeit im Wald und in der Landwirtschaft werden sie nicht mehr gebraucht. Heute sind sie eine bedrohte Tierart. Mit ihnen geht auch das Wissen der Mor Kang, der Elefantenschamanen vom Volk der Kui, verloren. Sie waren dafür zuständig, die Tiere zu fangen und zu zähmen. Nachfolger finden die alten Männer heute nicht mehr.

Der Gabentisch für die Götter ist reichlich gedeckt. Grüne Bananen und gelbe Mangos, weiße und rosa Süßspeisen, hartgekochte braune Eier sind hübsch auf goldenen Schalen angeordnet. Dazwischen stehen Plastikflaschen mit Wasser und roter Fanta, liegen in Plastik abgepackte Zigarren, üppige, goldgelbe Ringelblumengirlanden und prall-grüne Melonen. Am Kopfende des u-förmigen Altars runden ein gesottener Schweinskopf und ein gebratenes Hähnchen die Fülle der Opfer ab, mit denen zu Beginn des 11. King’s Cup Elephant Polo Tournament im regnerischen Hua Hin am Golf von Thailand die Götter um Schutz, Glück und gutes Wetter angefleht werden sollen.

Treffsicherer Segen mit Blumengirlanden. Foto: Michael Lenz

Die Segnungszeremonie zur Turnieröffnung am vergangenen Mittwoch ist eine höchst ökumenische Veranstaltung. Ein Hindupriester in einem langen weißen Spitzenhemd rezitiert unendliche lange in unverständlicher Sprache Gebete und Beschwörungen. Darauf folgt ein buddhistischer Mönch in safrangelber Robe, der betet, dann mit einem Rutenbündel Elefanten, Teams, Sponsoren, Zuschauer und Organisatoren segnet und die grauen Dickhäuter samt ihren Mahouts mit den Blumengirlanden behängt. Kleineren Elefanten kann der Mönch auf Zehenspitzen stehend die Blumengebinde gerade noch umzuhängen. Zu den richtig großen Tieren wirft er die Girlanden hinauf. Der Treffsicherheit nach zu urteilen macht der fromme Mann das nicht zum ersten Mal.

Dann sind da noch die Mor Chang, vier sehr alte Männer mit erdfarbenen Schals um die Schulter, Metalketten auf der nackten Brust und grünlichbraunen Pumphosen. Die vier sind Elefantenschamanen vom Volk der Kui, einer ethnischen Gruppe, deren Wurzeln sich in im heutigen Kambodscha befindet. Schon im Khmerreich der Könige von Angkor waren die Kui das Elefantenvolk, das vom Fang und der Domestizierung wilder Elefanten lebte, die Mahouts für die riesigen Heere von Kriegselefanten stellten, mit deren Hilfe sich die Angkorkönige sich ein riesiges Reich zusammeneroberten.

Mindestens 40 Elefanten fangen

Auch die Mor Chang vollführen an dem Altar Zeremonien. Einer entlockt einem Horn dumpfe Töne, während der Kru Ba Yai beschwörende Gebete murmelt. Der Khru Ba Yai ist der ranghöchste der Elefantenflüsterer. Man muss eine jahrelange Ausbildung genossen und etwa 40 Elefanten selbst gefangen haben, um zum Khru Ba Yai aufzusteigen.

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Die Elefanten in Thailand sind eine bedrohte Tierart. Nur 1.500 bis 2.000 dieser majestätischen Tiere leben noch in freier Wildbahn und etwa 4.000 in Gefangenschaft. Das seit elf Jahren von der Luxushotelkette Anantara veranstaltete Elefantenpoloturnier um den Pokals des Königs ist ein Party- und Sportevent mit dem Ziel als Fundraiser Mittel für Projekte zum Schutz, Erhalt und Erforschung der thailändischen Elefanten zu sammeln, die ja immerhin das Symboltier Thailands sind. Elefanten sind überall im Land zu finden, immer seltener zwar als lebende Tiere, aber in Kunst, Kultur, Literatur, Symbolik und Architektur sind sie sehr präsent. Die äußerst seltenen weißen Elefanten gehören von alters her bis heute den Königen Thailands als Symbol ihrer Macht. Dieser Glaube geht auf eine Legende zurück, derzufolge der indische Prinz Siddhartha, der Begründer des Buddhismus, bereits vor seiner Geburt seiner Mutter in einer Vision in Gestalt eines weißen Elefanten erschienen sein soll.

Namu, der Khru Ba Yai bei dem Elefantenpolo in Hua Hin, ist der letzte seiner Art. "Meinen letzten Elefanten habe ich vor 40 Jahren gefangen", erzählt Namu nach der Zeremonie. Schon seine Vorfahren seien Khru Ba Yais gewesen, sagt der 84-jährige. "Das alte Wissen wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Ich werde abr wohl keinen Nachfolger mehr haben." An dem Wissen, wie mit Hilfe von Beschwörungen, Ritualen, Zeremonien und einer geheimen Elefantensprache die großen Tiere gefangen und gezähmt werden können, besteht kein Bedarf mehr. Elefanten waren Arbeitstiere, die vor allem in der Forstwirtschaft eingesetzt wurden. Als aber Thailand vor einigen Jahrzehnten ein Totalverbot der Abholzung seiner Wälder erließ, waren Elefanten und ihre Treiber, die Mahouts, auf einen Schlag ihre Jobs los.

Die Sprache der Kui bleibt ein Geheimnis

Auch für die Elefanten gibt es ein Eröffnungsbuffett beim Elefantenpolo. Foto: Michael Lenz

"Die Kultur der Kui und der Khru Ba Yais ist kaum erforscht", sagt Carol Stevenson. Die amerikanische Elefantenfotografin ist eine der wenigen Menschen, denen eine Einsicht in die Khru-Ba-Yai-Tradition gewährt wurde. Zehn Tage hat sie mit Unterstützung des Anantara-Stiftung "Golden Triangle Asian Elephant Foundation"  für eine Videodokumentation mit den Kui in Surin, der thailändischen Elefantenmetropole im Nordosten des Königreichs verbracht. "Sie haben mir viel erzählt und ihre Rituale gezeigt", erzählt Stevenson an einem lauschigen Abend nach einem langen Elefantenpolotag am Strand des Luxushotels Anantara in Hua Hin.

Nur, vieles von dem, was der Khru Ba Yai und die anderen Kui in die Mikrofone und Kameras erzählt haben, ist noch ein Geheimnis. "Es gibt kaum jemand, der die Sprache der Kui übersetzen kann und zudem fehlen mir noch die Mittel, um die Übersetzung zu finanzieren", sagt Stevenson, die vor ihrem Leben höchst erfolgreiche Managerin bei dem Softwarekonzern Sun Microsystems war.

Elefanten spielen auch im stark vom Hinduismus beeinflussten Buddhismus Thailands eine zentrale Rolle. "Früher ritten Novizen auf Elefanten zu ihrer Ordination als buddhistischer Mönch", erzählt John Roberts, Direktor des Elefantenprogramms der Anantara-Kette, zu deren Resort ‚Anantara Golden Triangle’ im Norden Thailand ein Elefantencamp gehört. In dem leben Tiere, die aus ihrem Leben als Bettelelefanten in den Straßen Bangkoks freigekauft wurden.

Den Elefanten wird das Leben schwer gemacht

Trotz der hohen Wertschätzung wird den Elefanten in Thailand sowohl das Leben in Gefangenschaft als auch das Leben in freier Wildbahn schwer gemacht. Der Lebensraum der letzten wilden Elefanten schrumpft immer weiter. Mit den Elefanten schwinden auch die Kulturen jener Elefantenvölker wie die Kui im Osten Thailands und die Karen im Westen auf beiden Seiten der thailändisch-birmanischen Grenze, deren Kultur und Leben seit vielen Jahrhunderten eng mit Elefanten verknüpft ist.

Auch wenn über die Tradition der Khru Ba Yai noch vieles im Dunkeln liegt, weiß Carol Stevenson doch schon um die Symbolik einiger der Opfergaben auf dem Altar des Elefantenpoloevents auf dem Gelände einer Kavallerieschwadron der thailändischen Armee. "Das Huhn zum Beispiel gilt als ein Tier, das nie weit vom Hof wegläuft", erklärt Stevenson. "Hühner werden also geopfert in dem Glauben, so auch die Elefanten am Weglaufen zu hindern."