Die vier Spieler und ihr Trainer vom Rollstuhlbasketball SV Adelby sind vor allem gekommen, um sich gute Plätze für das Viertelfinale der Frauen zu sichern. Das Spiel Deutschland gegen Italien beginnt um 14 Uhr. Erst in zweieinhalb Stunden. An der Kasse erfuhren sie: ein ökumenischer Gottesdienst wird gefeiert. Das Thema passend zur sportlichen Veranstaltung: "Leben im Rollstuhl". "Das hat uns angesprochen", sagt Sönke Johannsen, 20 Jahre alt.
Die Eissporthalle, mit Zuschauerrängen die treppabwärts zum Spielfeld führen, ist nicht gerade ideal für Rollstuhlfahrer. Sie müssen oben bleiben. Über 30 Sitzreihen hinweg folgen die Sportler vom SV Adelby nun dem Gottesdienst, auch, wenn sie "sonst nicht viel mit Kirche zu tun haben".
Das Hohelied der Fairness
Unten am Spielfeldrand haben die Mitwirkenden des Gottesdienstes einen kleinen Altar aufgebaut, hinter ihnen die Werbeaufdrucke großer Firmen auf der Bande. "Man muss sich beim Sport immer mit den Vorgaben arrangieren", sagen sowohl der katholische Sportpfarrer Klaus Waldeck als auch der evangelische Stadionpfarrer Eugen Eckert. "Wir sind Fremde in dieser Umgebung und dankbar, dass man uns hinzukommen lässt", sagt Eugen Eckert.
###mehr-artikel###
Den Tisch für den Altar hat Eugen Eckert mitgebracht, die Tischdecke Klaus Waldeck, die Blumen die Vertreterin aus dem Diakonischen Werk und das Holzkreuz die Pröpstin, die die Predigt hält.
"Wenn ich nach dem Sieg strebe, der Leibesübung mein ganzes Leben opfere, die Spielregeln perfekt beherrsche und es wäre keine Liebe da und ich könnte keine Liebe geben, dann wäre alles vergebens", diese Sätze hätten ihn berührt sagt der Trainer des SV Adelby, Jörg Karstens: "Für mich ist wichtig: es gibt noch mehr neben dem Sport, dass wir nicht verdrängen dürfen." Die Sätze stammen aus dem Hohelied der Fairness, vorgetragen von Jochen Straub aus dem Bistum Limburg.
Schwielen an den Händen
"Rollstuhlbasketball ist Handarbeit - und das sieht man auch an den aufgerissenen Händen und an mächtigen Oberarmen", sagt die Pröpstin für Rhein-Main, Gabriele Scherle, in ihrer Predigt. Diese Handarbeit sei auch ein zentrales Bild der christlichen Glaubenswelt: "Gott hat in der Schöpfung das ganz große Rad gedreht", sagt Gabriele Scherle.
Rollstuhlbasketballerinnen der deutschen Nationalmannschaft im Training vor dem EM-Viertelfinale gegen Italien am 4. Juli 2013 in der Eissporthalle in Frankfurt am Main. Foto: Jule Kühn
Die Musik der Band Habakuk sei "mal nicht so typische Kirchenmusik" sagen die Spieler des SV Adelby und die Predigt sei gut gewesen, findet Sönke Johannsen: "Das mit der Handarbeit fand ich gut", sagt er und er habe für sich mitgenommen, dass es darum gehe, weiterzumachen. So wie Gott weitermacht, auch mit "Schwielen an den Händen" und nach dem Tod, wie Gabriele Scherle predigt.
Schwielen an den Händen? Die kennen die fünf Sportler vom SV Adelby auch. "Dann klebe ich ein Blasenpflaster auf die Hand und es geht weiter", sagt die 16-jährige Rebecca Lieb, die auch noch für das U-25-Team der deutschen Rollstuhlbasketballerinnen spielt und gleich ein paar Teamkolleginnen anfeuern möchte.
"Menschen, die wir sonst nicht erreichen"
Nur wenige Besucher und Sportler sind zum Gottesdienst gekommen, doch diejenigen, die da sind, "sind auch wirklich mitgegangen", sagt Eugen Eckert, Stadionpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) für die Commerzbankarena. Eigentlich sei seine richtige Bezeichnung Sportpfarrer, sagt er, denn seine Arbeit gehe über das Stadion hinaus. "Ich habe von der Eurobasket in der Zeitung gelesen", und dann habe er bei den Organisatoren nachgefragt, ob evangelische und katholische Kollegen nicht zusammen einen Gottesdienst feiern könnten.
Sie konnten, denn unter anderem der Chef des Organisationskomitees der Eurobasketball2013, Pierre Fontaine, machte es möglich. Nun sitzt er auf der Zuschauerbank und sagt nach dem Gottesdienst glücklich: "Ich danke Ihnen sehr", das erste Mal habe er sich einfach nur hinsetzen können und seinen ganzen Stress vergessen dürfen.
###mehr-links###
"Wir können hier Menschen ansprechen, die wir sonst nicht erreichen", sagt Eugen Eckert. Kirche müsse nun rausgehen zu den Menschen, "wir können schon längst nicht mehr erwarten, dass die Leute zu uns kommen". Und die Resonanz bei denen, die "sonst nicht so viel mit Kirche zu tun haben", gibt ihm Recht.
Kurz vor dem Ende des Gottesdienstes kommen Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft vorbei und klatschen mit zur Musik. "Gott dreht am Rad", sagt eine im Vorbeirollen zu den Spielern des SV Adelby. Eugen Eckert verlässt kurz seinen Platz in seiner Band Habakuk und rennt die Treppen hinauf, um den Sportlerinnen Liedblätter zu reichen. "Die Sportwelt hat mitbekommen, dass wir diesen Gottesdienst feiern", sagt Eugen Eckert anschließend und meint damit auch die Ankündigung des Gottesdienstes auf zahlreichen Websites von Sportverbänden. Die Signalwirkung sei wichtig: "Wir, die Kirche, sind als Partner da."