Liebe Gemeinde,
Rollstuhlbasketball das ist Handarbeit - so viel habe ich verstanden. Mit vollem Einsatz, professionell vorbereitet und inzwischen auch organisiert, drehen hier Männer und Frauen am Rad.
Rollstuhlbasketball ist Handarbeit - und das sieht man auch an den aufgerissenen Händen und an mächtigen Oberarmen. Die Geschwindigkeit und Geschicklichkeit ist für mich atemberaubend. Handarbeit eben. "Selbst Dirk Nowitzki würde bei uns nicht mitkommen", so war dieser Tage in einem Interview des Kapitäns der Deutschen Mannschaft, Sebastian Wolk, zu lesen. Und für "Fußgängerbasketball" könnten sich Rollstuhlbasketballer nur schwer erwärmen - denn die Intensität, die sportliche Herausforderung und der Spaß seien kaum zu überbieten.
Auch kräftige Hände ermüden irgendwann
Als ich die Berichte zur Europameisterschaft las und auch Szenen im Fernsehen bewundern durfte, da hat mich dieses Bild der "Handarbeit" fasziniert. Denn es ist auch ein zentrales Bild der christlichen Glaubenswelt. "Die Hand Gottes" ist das Bild, das ich meine. Weil uns die Vorstellung fehlt, wie der Kosmos von Gott geschaffen wurde, helfen wir uns mit der Aussage, die Schöpfung sei göttliche Handarbeit. Gott, so glauben wir, hat hier das ganz große Rad gedreht.
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Aus Gottes Hand - so klingt es in biblischen Psalmen und Kirchenliedern nach - aus Gottes Hand kommt alles Leben. Und in den Texten unserer Lieder und Gebete hallt dann noch eine weitere Glaubensüberzeugung nach: "Gott hält die ganze Welt in seiner Hand". Der christliche Glaube geht davon aus, dass Gott weiter am Rad dreht, dass Gott durch alle Zeiten Handarbeit leistet, um seine Schöpfung zu erhalten.
Für mich ist dies eine besonders tröstliche Vorstellung - vor allem wenn ich mit meiner Kraft am Ende bin. Mit meinen dünnen Oberarmen käme ich ohnehin nicht weit. Aber auch die kräftigen Hände und Oberarme von Rollstuhlbasketballerinnen und -Basketballern ermüden irgendwann. Und spätestens dann, wenn uns die Grenzen unserer Möglichkeiten, der Fußgänger ebenso wie der Rollstuhlfahrer, bewusst werden, dann erkennen wir, dass es gut ist, dass unser Leben zuletzt in Gottes Hand liegt und nicht in unseren eigenen Händen.
Gottes Hände selbst sind volle mit Schwielen
Dennoch glauben viele, dass sie alles in die eigene Hand nehmen müssten. Die Sehnsucht danach ist groß, dass es auch ohne Gott gehen müsste und dass auch so alles gut wird. Wenn wir vom Staat als der öffentlichen Hand reden, schwingt diese Hoffnung mit. Und sie schwingt auch mit, wenn wir glauben, es gäbe eine unsichtbare Hand, die dafür sorgt, dass durch den Markt alles gut wird.
Wenn aber Gott keine anderen Hände hätte als unsere, wenn unsere Handarbeit alles richten müsste, dann wären wir verloren. Es reicht dann zwar zu vorderen Plätzen bei der Europameisterschaft der Rollstuhlbasket-Ballerinnen, es reicht um Pfarrerin zu werden oder die Schule abzuschließen, es reicht zu vielem - aber es reicht eben nicht, um sicherzustellen, dass in unserem Leben und im Leben der Kreatur alles gut wird.
Wir alle sind zuletzt darauf angewiesen, dass Gott selbst am Rad dreht, am Rad unseres Lebens und des Kosmos. Und die christliche Hoffnung, sie reicht sogar noch weiter. Gottes Handarbeit bei der Schöpfung und ihrer Erhaltung ist nicht das letzte Wort. Gottes Handarbeit zielt darauf, dass alles gut wird. Am Ende wollen diese Hände, die selbst voller Schwielen sind, alle Kreatur von allen Verletzungen heilen.
Der Aaronitische Segen
Wir können uns das gar nicht plastisch genug vorstellen. Gottes Hände, die uns geschaffen haben und im Leben halten, sie sind durchbohrt worden von den Nägeln, mit denen Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Für einen Moment - für einen schrecklichen Moment, der die Welt verdunkelt hat und erbeben ließ, waren Gottes Hände festgenagelt. Das Spiel des Lebens schien zu Ende.
Doch der Tod hatte nicht das letzte Wort. Das Spiel des Lebens geht weiter, Gott dreht weiter am Rad. Aber es hat sich etwas Entscheidendes verändert. Gottes Hände tragen die Narben des Lebens, sie wissen, was es heißt verletzt zu sein und ausgegrenzt. Die göttlichen Hände haben erspürt, wie es uns Menschen geht mit unseren Grenzen und Verletzungen. Deshalb können Gottes Hände gar nicht mehr anders als die Welt liebevoll zu halten und am Ende heil zu machen.
In jedem Gottesdienst können wir einen Eindruck von Gottes Händen bekommen. Am Ende des Gottesdienstes sprechen wir Evangelischen, nach dem Willen Martin Luthers seit dem 19. Jahrhundert mit erhobenen Händen den so genannten Aaronitischen Segen: "Der Herr segne und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden."
Das Spiel des Lebens ist in Gottes Hand gut aufgehoben
Diesen Segen hat auch Jesus gesprochen, als er sich von seinen Jüngern verabschiedete. Er stand mit erhobenen Händen, sprach die alten Segensworte und die Jünger erblickten die vernarbten Handflächen. Von da an wussten sie, dass sie sich vor nichts und niemanden mehr fürchten müssen. Die Hände Gottes, sie würden sie für alle Zeit und über den Tod hinaus halten. Diese Hände trotzen dem Tod und sie haben die Macht das Leben zu heilen.
Ich habe keine Ahnung wie kräftig Gottes Oberarme sein müssen, um sogar dieses Rad zu drehen. Aber ich glaube, dass wir deshalb getrost unsere Handarbeit leisten können. Die einen, indem sie am Rad drehen und Körbe werfen, die anderen, indem sie Handarbeit am Computer leisten und wir dürfen nachher noch die Handarbeit des Segnens übernehmen.
Uns allen muss nicht bange sein. Ob wir heute siegen oder verlieren, ob wir uns stark fühlen oder schwach. Das Spiel des Lebens ist in Gottes Hand gut aufgehoben. Am Ende wird er keinen von uns verloren geben.
Amen