Berlin-Kreuzberg, eine alte Fabrik an der Spree: Wo früher Schellackplatten gepresst wurden, versuchen heute 35 Frauen und Männer, die Entwicklungshilfe neu zu erfinden. Im fünften Stock unterm Dach arbeiten sie für die Webplattform Betterplace, die mit Hilfe des Internet Geld sammelt - für gute Zwecke in Deutschland und in aller Welt.
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Betterplace bietet Hilfsorganisationen und kleinen Initiativen die technische Infrastruktur, Spenden einzuwerben. Seit 2007 ist die Website online. Zu finden sind dort die Vier-Mann-Initiative, die ein paar hundert Euro für Kompost-Toiletten für ein Dorf in Mexiko sammelt, aber auch die Branchenriesen World Vision oder CARE, die für ihre Hilfsprogramme in Somalia oder für die Flüchtlingshilfe für Syrien um Unterstützung bitten. Gut 5.000 Projekte in über 140 Ländern stehen derzeit zur Wahl.
Wie aus einem Katalog können Spender ihr Lieblingsprojekt aussuchen. Das findet zunehmend Anklang. Die US-Spendenplattform Globalgiving, die ähnlich wie Betterplace funktioniert, hat nach eigenen Angaben seit 2002 mehr als 85 Millionen US-Dollar für 8.000 Projekte weltweit eingeworben. Das ist nicht viel, wenn man es mit den rund 50 Millionen Euro vergleicht, die das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" jährlich sammelt. Aber diese Art der Online-Entwicklungshilfe wächst.
Für den Spender greifbar und nachvollziehbar
In der Fabrik in der Schlesischen Straße gibt man sich entsprechend selbstbewusst. "In der Entwicklungszusammenarbeit gehen die Innovationen nicht mehr von den klassischen Hilfsorganisationen aus", sagt Moritz Eckert, der Betterplace mitgegründet hat und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Finanziert wird die Website vor allem vom Unternehmenszweig Betterplace Solutions, der Firmen wie Microsoft, Vodafone oder Otto berät, wie sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden können. Die Gewinne aus diesem Geschäft fließen in den Betrieb der Spendenplattform.
Rund zehn Millionen Euro wurden seit Beginn über Betterplace gespendet, zwei Drittel der Projekte sind im Ausland, vor allem in Afrika und in Asien. Die Projektgröße reicht bis etwa 10.000 Euro: "Es soll für den Spender greifbar und nachvollziehbar bleiben", sagt Eckert. Der Spender soll sich mit "seinem" Projekt identifizieren, soll sich über die Webseite mit den Trägern des Vorhabens in Verbindung setzen und sich über den Verlauf informieren können. Die Initiative 2aid.org beschränkt sich bisher bewusst auf eine Region in Uganda, um Hilfen für den Brunnenbau kontrollieren zu können.
Der Spender als Partner
Konventionelle Hilfswerke nehmen bisher wenig Geld über das Internet ein. Nur ein bis zwei Prozent der gesamten Spenden in Deutschland fließen über Online-Bezahlfunktionen, wie Thomas Kreuzer erklärt. Der Theologe und Kommunikationswirt ist Leiter der Fundraising-Akademie in Frankfurt am Main, die Spendensammler ausbildet. Fachleute empfehlen den Hilfswerken dennoch mehr Mut im Umgang mit neuen Medien. Man müsse aber mehr Informationen bieten, zum Beispiel zu Projektfortschritten.
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Doch genau damit tun sich Werke wie "Brot für die Welt" schon deshalb schwer, weil man bei ihnen anders als bei Betterplace in der Regel nicht für einzelne Projekte spenden kann. Birgit Kern, die bei dem evangelischen Hilfswerk für das Fundraising verantwortlich ist, plädiert deshalb für "mehr Flexibilität": "Der Spender muss als Partner begriffen werden, nicht nur als Geldgeber. Man kann mit ihm ja darüber reden, wo sein Geld am besten aufgehoben ist."
Bei der Frankfurter Hilfsorganisation medico international hingegen sieht man das Geschäftsmodell der Startup-Helfer in der Berliner Fabrik eher kritisch. Die politischen Ursachen von Armut würden ausgeblendet, sagt Mitarbeiterin Gudrun Kortas. Bei Betterplace gehe es um reine Wohltätigkeit: "Es wird das Leid genommen, der Bedarf - und dann wird gerettet. Ohne den Paternalismus im eigenen Handeln zu hinterfragen."