Foto: Getty Images/iStockphoto/Brad Calkins
Leben oder sterben lassen? Eine schwierige Entscheidung für Nelson Mandelas Angehörige...
Friedensnobelpreisträger zwischen Leben und Tod
Nelson Mandelas Leben hängt offenbar nur noch an Maschinen und Beatmungsgeräten. Die Familie steht vor einer schwierigen ethischen Frage: Wann werden die Maschinen abgestellt? Welche Rolle spielen dabei die Politik und Mandelas Heldenstatus?
03.07.2013
epd
Benjamin Dürr

In einer Samstagnacht vor fast einem Monat wurde Nelson Mandela ins Krankenhaus gebracht. Nach der offiziellen Version des Präsidialamtes wird der südafrikanische Nationalheld wegen einer Lungenentzündung behandelt. Daran glaubt aber kaum noch jemand.

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Mitarbeiter und Besucher erzählten vor einigen Tagen anonym einem US-Fernsehsender, Mandela werde künstlich beatmet. Alle drei Stunden werde er wegen seiner schwachen Leber an Dialyse-Geräte angeschlossen, die das Blut reinigen. Eine dritte Maschine unterstütze sein Herz. Ein solcher Zustand, sagen Experten, könne Jahre andauern.

So hängt das Leben des früheren südafrikanischen Präsidenten offenbar nur noch an Maschinen. Mandela ist zu einem Friedensnobelpreisträger zwischen Leben und Tod geworden. Die Familie wird dadurch in eine ethisch schwierige Situation gedrängt: Die Angehörigen müssen entscheiden, wie viel medizinischer Eingriff bei einem 94-Jährigen richtig ist - und wann der Zeitpunkt gekommen ist, um die Maschinen abzustellen.

"In unserer Kultur entscheidet niemand, das Leben eines anderen zu beenden"

Wenn es keine Patientenverfügung und keinen Letzten Willen gibt, trägt in Südafrika - anders als in Deutschland - der Ehepartner, gefolgt von den Kindern, die Verantwortung über diese Entscheidung, wie Bioethik-Professor Sylvester China von der Universität KwaZulu-Natal in Durban erklärt. "Im Fall einer kulturellen und weltweiten Ikone wie Mandela ist eine solche Entscheidung aber nicht einfach." Denn auch die Ärzte, die vielen Familienangehörigen, Anführer und Stammesältesten würden hier die Entscheidung beeinflussen, sagte Chima der Sonntagszeitung "City Press".

Nelson Mandela im Juli 2005

Der Ratsvorsitzende traditioneller Heiler in Südafrika, Phathekile Holomisa, sagte der Zeitung: "In unserer Kultur entscheidet niemand, das Leben eines anderen zu beenden." Diese Entscheidung liege nicht in der Hand des Menschen. Mandelas Tochter Makaziwe äußerte sich ähnlich: Man werde ihren Vater so lange behandeln, bis er selbst den Wunsch äußere zu sterben. "Das hat er noch nicht gesagt", sagte sie CNN.

Die Familie steht in dieser Frage unter enormem Druck. Vor dem Krankenhaus warten Hunderte Journalisten, die Welt schaut beim Sterben und Sterbenlassen zu. Hinzu kommen politische Interessen und der Druck eines ganzen Landes, das Mandela als Ikone verehrt.

Zuma braucht Mandela noch

Präsident Jacob Zuma und sein Afrikanischer Nationalkongress (ANC) haben ein besonderes Interesse daran, dass Mandela noch lange lebt. Im kommenden Jahr wird in Südafrika gewählt. Ohne den Friedensnobelpreisträger könnten dem ANC Sympathie-Stimmen verloren gehen. Denn manche Wähler würden dann wohl keine innere Verpflichtung mehr verspüren, für den ANC zu stimmen, um damit das Lebenswerk Mandelas zu ehren.

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Zuma versucht deshalb immer wieder, mit dem Heldenstatus des 94-Jährigen sein eigenes Image aufzupolieren. Vor einigen Wochen zeigten die Hauptnachrichten den Präsidenten bei einem sichtbar angeschlagenen Mandela zu Hause. Zuma besuchte den Ex-Präsidenten bereits mehrmals am Krankenbett. Immer wieder lässt er offizielle Mitteilungen verbreiten und ermuntert die Menschen, für Mandela zu beten. Vor der Klinik rollte bereits ein Lastwagen mit ANC-Werbung langsam an den Fernsehkameras vorbei.

In Zeitungen weltweit wird die Frage nach dem Abschalten der Geräte diskutiert. Viele Journalisten und Leser sind sich einig, man solle Mandela, der am 18. Juli 95 wird, in Frieden sterben lassen. Manche erinnern an das Schicksal einer anderen großen Persönlichkeit: Der frühere israelische Regierungschef Ariel Scharon fiel 2006 ins Koma und wird seither künstlich am Leben gehalten.