Der Leipziger Thomanerchor gibt ein Privatkonzert für den Papst in der Sixtinischen Kapelle und Franziskus geht nicht hin. Am Tag danach versöhnten sich die 70 Jungen des traditionsreichen sächsischen Chors jedoch mit dem Kirchenoberhaupt. Sie begleiteten am Samstag seine Messe zum katholischen Hochfest "Peter und Paul" im römischen Petersdom - das war eine Premiere.
###mehr-artikel###"Spannend", "anstrengend", "aufregend": Für den Chor, der wie kein anderer lutherische Kirchenmusik in der Tradition seines einstigen Kantors Johann Sebastian Bach vertritt, war es etwas ganz Besonderes, bei einer Papstmesse zu singen. Dass die Cappella Sistina, der päpstliche Chor, den sie dabei begleiteten, musikalisch nicht über das gleiche Niveau verfügt, nahmen sie gelassen. Wenn diese nach typisch italienischer Manier mit starkem Vibrato sängen, müsse man eben "Fassung bewahren", merkte Thomaskantor Georg Christoph Biller mit leicht ironischem Unterton an.
Als die hochaufgeschossenen Jungen aus Leipzig mit ihren dunklen Anzügen und kurzen Haaren vor der Papstmesse durch Seitengänge des Petersdoms geschleust werden, strahlt mancher Kardinal bewundernd. "Gleich kommen wir durch die Küche des Papstes", feixt einer von ihnen. Stattdessen treffen sie auf den deutschen Kurienkardinal Walter Brandmüller, der sie sofort in ein Gespräch verwickelt.
Eigens errichtete Tribüne
Während ein kanadischer Chor mit lauten Stimmen hinter dem Papstaltar sitzt, nehmen die Thomaner auf einer eigens errichteten Tribüne schräg hinter dem Altar eine erhöhte Position ein. Von dort aus verfolgen sie die für lutherische Christen ungewohnte Liturgie der Messe mit zahlreichen Kardinälen, Bischöfen und dem Papst, der heute ebenso wie die übrigen Zelebranten ein rotes Messgewand trägt.
Am Anfang der Feier überreicht der Papst jedem neu ernannten Erzbischof mit feierlicher Geste einzeln das Pallium. Die Schulterstola erinnert mit ihren eingestickten Kreuzen an die Wundmale Christi. Als später bei der Messe die glasklaren Stimmen der Thomaner mit einer Bach-Motette erklingen, schlagen die Herzen der Kirchenmusik-Liebhaber höher. Auch der im Petersdom beigesetzte Palestrina (ca. 1514/15 bis 1594) steht auf dem Programm: "Tu es Petrus" ("Du bist Petrus") - durchaus eine musikalische Huldigung für den Papst. Mit ihrem glockenreinen Ton bilden die jungen Sänger einen krassen Gegensatz zur opulenten Umgebung, die von barockem Prunk geprägt ist.
Wandlungsworte auf Latein
Der Papst spricht die Wandlungsworte bei der Eucharistiefeier an dem Altar unter dem Baldachin auf Latein. Mit würdevollen Gesten haben Messdiener zuvor Weihrauch gestreut. Als Thomaner und Cappella Sistina gemeinsam singen, überkommt einen kanadischen Chorjungen nach dem andern offenbar das Schlafbedürfnis. Erst als der Kantor ihnen wieder das Zeichen zum Einsatz gibt, stehen sie mit Stühlequietschen auf und lassen ihre kräftigen Stimmen ertönen.
Franziskus nennt die Anwesenheit der Thomaner ein "weiteres ökumenisches Zeichen" neben der Teilnahme der Delegation des Patriarchats von Konstantinopel. Nach der Messe begrüßt er die Jungen eigens auf Deutsch. In diesem Moment verfliegt endgültig die Enttäuschung darüber, dass sein Stuhl am Vortag beim Konzert in der Sixtinischen Kapelle ebenso wie bei einer anderen Musikveranstaltung zu seinen Ehren vor wenigen Tagen leer geblieben war.
"Herausragendes ökumenisches Zeichen"
"So eine Ökumene kostet nichts", kommentiert der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Christuskirche die Anwesenheit der Thomaner bei der Messe. Der deutsche Botschafter Reinhard Schweppe würdigte die beiden Auftritte der Leipziger in Rom hingegen als "herausragendes ökumenisches Zeichen" des noch jungen Pontifikats.
Während Prälaten und andere Würdenträger sich höflich unterhalten, tollen die Thomaner und die Jungen der Cappella Sistina fröhlich durch den Park und die Empfangsräume der Botschaft mit ihrem gediegenen Mobiliar. Das gemeinsame Proben, Singen und Herumtollen bringt zumindest die Vertreter der jungen Generation einander näher.