"Das ist eine beschissene Situation!" Egal ob Politiker, Mediziner oder Passanten - so ziemlich jeder, der dieser Tage mit den trinkstreikenden Flüchtlingen auf dem Münchner Rindermarkt in Kontakt kommt, nimmt diese Worte in den Mund. Den Beteiligten ist die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Die Asylbewerber gingen "sehenden Auges in den Tod", sagt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Freitag.
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Die Situation scheint aussichtslos. Die Streikenden beharren auf ihrer Forderung: Sie wollen als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Der Politik jedoch sind offenbar die Hände gebunden. Die Lage sei verfahren, weil "hier mitten in der Stadt Todesfälle realistisch zu erwarten sind, die gar nicht durch eine Erfüllung der Forderungen abgewendet werden können", sagt Ude.
Den Streikenden gehe es nicht um eine Verbesserung der humanitären Situation aller Asylsuchenden in Bayern. Vielmehr hätten sie nur ein Anliegen: Sie wollten so lange auf Essen und Trinken verzichten, bis sie nach Paragraf 16 des Asylbewerbergesetzes anerkannt seien. Das sei aber nicht mit einem Fingerschnippen zu erfüllen: "Die Rechtslage ist und bleibt so", betont der Oberbürgermeister.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat versprochen, die Anträge der Asylbewerber binnen zwei Wochen zu prüfen. Man könne allerdings keine Garantie auf einen positiven Bescheid geben. Erschwert wird "der kurze Dienstweg" dadurch, dass die Flüchtlinge sich in ganz unterschiedlichen Verfahrensphasen befinden. Manche sind erst kürzlich nach Deutschland gekommen, andere sind bereits geduldet.
Unterstützer hungern solidarisch mit
Die bayerischen Ministerien für Soziales und Inneres reagieren bisher verhalten auf den Streik. Sowohl Innenminister Joachim Herrmann als auch Sozialministerin Christine Haderthauer (beide CSU) erklären, hierzulande sei Politik nicht erpressbar.
Derweil rennt den 49 verbleibenden Flüchtlingen die Zeit davon: Am vierten Tag ihres "trockenen Hungerstreiks" ist der Zustand einiger Asylbewerber labil. Drei von ihnen befänden sich derzeit in einer Klinik, sagte Flüchtlingssprecher Ashkan Khorasani vom Verein "refugee tent action" dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitagmorgen. Seit dem Wochenende sind mehr als 20 Flüchtlinge kollabiert. Die meisten von ihnen seien aus dem Krankenhaus in das Lager zurückgekehrt, berichtet Khorasani.
Die "Non-Citizens" sind der Meinung, Ministerien und Behörden wollten ihren "Protest ohne jegliche Gegenleistung stoppen, anstatt Verantwortung zu übernehmen und eine Lösung zu finden", heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. Den Hungerstreik hatten sie am vergangenen Samstag begonnen, seit Dienstagfrüh trinken sie auch nichts mehr. In ihren Erklärungen kritisieren sie auch ihre Unterbringung, Essenspakete und die Residenzpflicht.
Mittlerweile hat sich den Asylbewerbern eine Unterstützergruppe angeschlossen. Seit Donnerstag befinden sich zwölf Menschen, darunter deutsche Staatsbürger und anerkannte Flüchtlinge, in einem solidarischen Hungerstreik, wie die Gruppe mitteilt.
Kirchen appellieren an die Flüchtlinge
Die Stadt und die Regierung von Oberbayern versuchen zumindest, die humanitäre Lage in den Griff zu bekommen. Das Zeltlager auf dem Rindermarkt ist seit der Nacht zum Freitag als dauerhafte Versammlung genehmigt, allerdings mit der Auflage des Jugendamts, dass dort keine Kinder bleiben dürfen. Bisher lebten zwei Frauen und drei Kinder im Protestcamp. Außerdem müssen die Flüchtlinge sich medizinisch versorgen lassen. Sollten sie dies verweigern, dürfte das Lager laut der gesetzlichen Vorschriften auch geräumt werden. Derzeit kümmern sich "Vertrauensärzte" um die Protestler auf dem Rindermarkt, im Innenhof des benachbarten Stadtmuseums wurden zwei medizinische Versorgungszelte aufgestellt.
Wie lange dies gut geht, ist für alle Beteiligten unklar. Die Kirchen appellierten inzwischen an die Flüchtlinge, den Trinkstreik zu beenden und nicht ihr Leben zu riskieren. Sowohl die Stadt als auch Flüchtlingssprecher Khorasani befürchten aber das Schlimmste. "Ein Todesfall wäre nichts anderes als eine humanitäre Katastrophe", sagt Oberbürgermeister Ude.