ARD-Hauptstadtstudioleiter Ulrich Deppendorf
Foto: dpa/Arno Burgi
ARD-Hauptstadtstudioleiter Ulrich Deppendorf führt die Sommerinterviews mit den Spitzenkandidaten der Parteien.
Deppendorf: "Mir sind feurige Politiker lieber"
ARD-Moderator Ulrich Deppendorf über seine traditionellen Sommerinterviews mit den Spitzenkandidaten der Parteien, den Kampf gegen Sprechblasen, warum ihn Helmut Kohl lange Zeit schnitt und eine SMS von Sigmar Gabriel.

Er hat sie schon alle gehabt: Seit vielen Jahren interviewt ARD-Moderator Ulrich Deppendorf im Fernsehen Spitzenpolitiker – von Angela Merkel über Peer Steinbrück bis Gregor Gysi. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rainald Becker lädt der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin auch dieses Jahr immer sonntags die Politprominenz zum "Bericht aus Berlin – Sommerinterview". Mit Blick auf die Bundestagswahl im September fühlen die beiden ARD-Journalisten den Spitzenkandidaten der Parteien auf den Zahn, zum Auftakt (30.6., 18.30 Uhr, ARD) unterhalten sie sich mit Katrin Göring-Eckardt von den Grünen.

Herr Deppendorf, die diesjährigen "Sommerinterviews" mit Spitzenpolitikern finden mitten im Wahlkampf statt. Spüren Sie in solchen Zeiten bei Ihren Gesprächspartnern den erhöhten Druck? 

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Ulrich Deppendorf: Ja, natürlich, da ist während der Gespräche schon etwas mehr Adrenalin im Spiel als sonst. Wir merken das aber auch schon im Vorfeld, weil es in den mit Veranstaltungen vollgepackten Wahlkampfzeiten einfach ein bisschen schwieriger ist, die Interviews mit den Spitzenkandidaten zu terminieren.

Gehen Sie so ein Gespräch im Wahlkampf mit einer anderen Strategie an?

Deppendorf: Nein, im Großen und Ganzen nicht. Aber der Kollege Rainald Becker und ich möchten natürlich von den Gesprächspartnern erfahren, was sie wirklich mit einem Wahl- oder einem Regierungsprogramm erreichen wollen, und werden nicht ganz so weit zurückschauen wie sonst in den "Sommerinterviews". Der Blick nach vorn ist noch wichtiger. 

Ist die Gefahr, dass Politiker bei einem solchen Interview Sprechblasen absondern, im Wahlkampf höher als sonst?

Deppendorf: Die ist sicherlich höher, denn natürlich wollen die politischen Köpfe ihre Botschaft gerade jetzt mit einer gewissen Vehemenz unters Volk bringen. Da müssen wir dann dagegenhalten und das ein oder andere Mal nachhaken, um eine größtmögliche Dynamik zu erzeugen – wird bestimmt ganz munter (lacht).

"Man muss dem anderen die Chance geben, einen Gedanken zu Ende zu führen"

Was für Möglichkeiten haben Sie denn, einen Politiker im Sprechblasenrausch auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen?

Deppendorf: Na ja, man kann ihn zum Beispiel schneller unterbrechen als sonst, aber das muss natürlich mit Augenmaß geschehen. Ich bin kein Freund davon, einen Gesprächspartner schon nach dem zweiten Satz zu unterbrechen und mit der nächsten Frage zu überfallen. Ich finde, man muss dem anderen auch die Chance geben, einen Gedanken zu Ende zu führen. Möglicherweise muss man dann aber nochmals nachhaken und diesen Gedanken etwas länger traktieren, als ursprünglich vorgesehen war.

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Wie können Sie verhindern, dass Ihre Sendung zur Wahlwerbung für diesen oder jenen Politiker wird?

Deppendorf: Wir tun unser Möglichstes, aber ganz ausschließen kann man das natürlich nie. Die Spitzenkandidaten wollen in einer solchen Sendung in gewisser Art auch Werbung für sich machen, das ist doch völlig klar.

Glauben Sie, dass die "Sommerinterviews" die Bundestagswahl beeinflussen können?

Deppendorf: Ich glaube zwar nicht, dass so ein Interview ein Wahlergebnis in sensationellem Maße beeinflussen kann, aber ich denke schon, dass es zur Willensbildung bei den Zuschauern beitragen kann – und damit auch zur Wahlentscheidung. Nur ein Beispiel: Als Philipp Rösler im vergangenen Jahr bei uns gesagt hat, Griechenland müsste eigentlich raus aus der EU, da war das wochenlang Gesprächsthema.

Wie viele von den Fragen, die Sie etwa der Kanzlerin in der Sendung stellen, sind vorher abgesprochen?

Deppendorf: Keine einzige. Es gibt keinerlei Abstimmung bei den Fragen, das haben wir noch nie gemacht und das machen wir auch künftig nicht. Weder die Kanzlerin noch die anderen Gäste wissen, welche Fragen sie erwarten.

Aber um welche Themen es geht, weiß sie schon, oder?

Deppendorf: Klar, aber auch Themenkomplexe müssen vorher nicht abgesprochen werden, die ergeben sich ganz von alleine. Es geht immer um die aktuellen Themen, die gerade auf dem Tisch liegen, das wissen die Gesprächspartner. 

"Angela Merkel ist schon herausfordernd"

Auf welchen Gast freuen Sie sich besonders?

Deppendorf: Ein Interview mit Gregor Gysi ist immer interessant und auch eine Herausforderung, weil das ein gewiefter Gesprächspartner ist, der immer ganz lange reden will, damit möglichst wenige Fragen gestellt werden können.

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Vor wem haben Sie Bammel?

Deppendorf:  Bammel habe ich vor niemandem, aber Angela Merkel ist schon herausfordernd. Peer Steinbrück auch, das ist ein cleverer Ping-Pong-Spieler, bei dem es zu spontanen kurzen Frage- und Antwort-Spielen kommen kann, bei denen man hochkonzentriert sein muss. Er ist rhetorisch glänzend, das muss man wirklich sagen.

Mit Steinbrücks Parteifreund Sigmar Gabriel hatten Sie im vergangenen Jahr so Ihre Schwierigkeiten. Er hat Sie mit aggressiven Gegenfragen in die Defensive gedrängt. 

Deppendorf: In die Defensive gedrängt würde ich so nicht sagen. Ich musste das Gespräch beenden, da wir unsere Sendezeit schon um eine Minute überschritten hatten, und konnte zu dem Zeitpunkt einfach keine Diskussion mehr aufmachen. Sigmar Gabriel hat mir aber anschließend sofort eine SMS geschickt, mit der er sich mehr oder weniger dafür entschuldigt hat, dass er etwas ruppig geworden ist. Damit war die Sache für mich dann auch erledigt. Bei Sigmar Gabriel müssen Sie immer damit rechnen, dass er auch mal explodiert, aber das hat ja auch einen gewissen Charme (lacht).

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Sind Ihnen temperamentvolle Gesprächspartner lieber?

Deppendorf: Ja, durchaus. Mir sind feurige Politiker lieber, weil da natürlich eine ganz andere Dynamik in der Diskussion entsteht.

Haben Sie sich auch schon einmal mit einem Politiker zerstritten?

Deppendorf: Ja, das ist auch schon passiert. Als ich vor vielen Jahren den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl in der Hochzeit der CDU-Spendenaffäre interviewt habe, ging es ganz schön zur Sache. Aus dem ursprünglich für eine Sendezeit von acht Minuten geplanten Interview wurde eines von fast 25 Minuten Länge, das hat sich zu einem regelrechten Kampf entwickelt. Danach hat mich Kohl lange Zeit geschnitten.