Trotz aller Garantien durch die Kirchengemeinde hat der Staat die Einreise einer Delegation aus Kongo abgelehnt.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Mary Katherine Donovan
Trotz aller Garantien durch die Kirchengemeinde hat der Staat die Einreise einer Delegation aus Kongo abgelehnt.
Keine Besuche aus dem Kongo
Empörung über Visa-Verweigerung für Kirchendelegationen
Flüge bezahlt, Formalitäten erfüllt - und doch durften die Gäste nicht kommen: Kirchendelegationen aus dem Kongo erhielten überraschend keine Visa für Deutschland. Experten befürchten eine systematische Abschottung der EU.
30.06.2013
epd
Gabriele Fritz

Im Einbaum treten Urwaldbewohner im Kongo mehrfach eine strapaziöse Reise in die Hauptstadt Kinshasa an. Die Mitglieder einer christlichen Kirche wollen evangelische Partnerkirchen in Deutschland besuchen. Sie erledigen die nötigen Formalitäten und freuen sich auf die Erlebnisse in den Kirchenkreisen Düsseldorf-Mettmann und Iserlohn. Doch auf wochenlanges Warten, Bangen und Hoffen folgt eine herbe Enttäuschung: Die Reise findet nicht statt. Die zuständige Behörde verweigert im Namen der EU allen 13 Delegationsmitgliedern die Einreise. Die deutschen Partner sind empört.

Als skandalös bezeichnet Norbert Faigle, Außenpolitik-Experte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das Einreiseverbot für die kongolesischen Kirchen-Delegationen zu Partnern in Nordrhein-Westfalen. Dies könne so nicht hingenommen werden. Die Ökumene-Dezernentin der rheinischen Kirche, Barbara Rudolph, befürchtet eine Beschneidung von Religionsfreiheit.

Langjährige Kirchen-Partnerschaften gefährdet

Jochen Motte, Menschenrechtsexperte beim internationalen Kirchenbund Vereinte Evangelische Mission (VEM) in Wuppertal, sieht durch die Vorgänge langjährige Kirchen-Partnerschaften, aber auch Beziehungen zu Verteidigern von Menschenrechten in anderen Ländern gefährdet. Motte wandte sich mit einem Schreiben, in dem er die aktuellen Fälle schildert, an Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Eine Antwort steht noch aus.

###mehr-artikel###

Nach monatelanger Planung sollten von Ende Mai bis Mitte Juni die Gäste aus der Demokratischen Republik Kongo in die Kirchenkreise Düsseldorf-Mettmann und Iserlohn kommen - als Ausdruck langjähriger Verbundenheit mit den kongolesischen Kirchenkreisen Ingende, Dianga, Boende und Lofoy. Doch trotz korrekt abgewickelter Formalitäten auch auf deutscher Seite wie der Verpflichtung zur Kostenübernahme, Versicherungsnachweisen und bezahlten Flugtickets durften die Afrikaner nicht nach Europa reisen.

Dies werde als "politischer Eklat" gewertet und als "unzumutbare Schikane" empfunden, sagt Pfarrer Martin Ahlhaus vom Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung der westfälischen Kirche in Dortmund. Begründet wurden die Ablehnungen der Visa-Anträge zunächst nicht, wie Harald Krauth vom EKD-Büro in Brüssel erläutert. Von der Deutschen Botschaft in Kinshasa sei nichts zu erfahren gewesen. Denn sie ist nicht mehr zuständig: Seit März verwaltet die belgische Botschaft in Kinshasa stellvertretend für die beteiligten EU-Staaten alle kongolesischen Einreise- und Visafragen für den Schengen-Raum.

"Steigerung der Abschottungspolitik der EU"

Das "Maison Schengen" ist ein Pilotprojekt: Eine Einrichtung dieser Art existiert mittlerweile auch in der ruandischen Hauptstadt Kigali und weitere Schengen-Häuser, etwa in Kamerun, sollen folgen, wie Krauth und Ahlhaus berichten. Auf Grundlage dieser Vertretungsregelung für die europäischen Mitgliedsstaaten des Schengener Übereinkommens - es garantiert freien Personen- und Warenverkehr in den Mitgliedsländern - sind nun die belgischen Behörden für Einreisen nach Deutschland zuständig.

###mehr-links###

Sie begründeten ihre Visa-Verweigerung für die Kirchendelegationen nach einigem Drängen doch noch, unter anderem mit fehlenden Nachweisen über die Zahlungs- und Kreditfähigkeit der Einladenden. Außerdem gebe es ein "bedeutendes Migrationsrisiko" - im Klartext: Die afrikanischen Kirchenleute könnten nach ihrer Einreise in Deutschland bleiben.

VEM-Experte Motte kritisiert die Einrichtung des Schengen-Hauses als "Steigerung der Abschottungspolitik der EU". Dies sei nicht nur ein Rückschlag für die ökumenische Partnerschaftsarbeit, betont der Leiter der Abteilung Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung bei der VEM. Auch Begegnungsreisen von Menschenrechtlern, Jugendgruppen oder Kulturschaffenden aus dem außereuropäischen Ausland würden infrage gestellt.

Als Konsequenz aus den jüngsten Erfahrungen wird in kirchlichen Berichten die Frage aufgeworfen, ob über die EKD eine Verfassungsklage gegen die Vertretungsregel des Schengen-Abkommens angestrengt werden soll. Was zunächst nach europäischer Vereinheitlichung aussieht, stelle sich nach den Erfahrungen der Beteiligten "bei näherer Betrachtung als Rückzug Deutschlands und seiner auswärtigen Botschaften aus der eigenen Verantwortung zur Bearbeitung und Entscheidung von Visa-Anträgen dar", kritisiert Ahlhaus.