Er nehme deutlich wahr, dass "der institutionelle Aspekt der Ehe fast lautlos aufgegeben oder pauschal zurückgewiesen wird", erklärte July. Eine "Ethik der Institutionen" könne nicht durch eine "Ethik der personalen Beziehungen" ersetzt werden. "Zu wenig sehe ich die Bedeutung der sogenannten klassischen Familie geachtet", so der Bischof. "Und das Ziel der lebenslangen Treue halte ich für nicht aufgebbar." Diese sei abgeleitet von der ewigen Treue Gottes zu den Menschen. Sehr schnell werde aus der Beschreibung der gesellschaftlichen Veränderungen auch die Festlegung eines neuen Familienbegriffs.
###mehr-artikel###July stellte das Verfahren zur Entstehung der Orientierungshilfe grundsätzlich infrage: "Manche Christen in unserer Landeskirche fühlen sich desorientiert statt orientiert. Als evangelische Kirche tun wir gut daran, bei derartigen Fragen in einem ausführlichen Konsultationsprozess die Landeskirchen, Synoden, Kirchengemeinderäte etc. zu beteiligen, um zu einer weithin getragenen Orientierung zu kommen." Er rege eine solche Konsultation ausdrücklich an, fügte der Bischof hinzu.
In dem Papier fordert die EKD, alle Familienformen anzuerkennen und zu stärken und schließt dabei auch etwa Patchworkfamilien oder homosexuelle Partnerschaften ein. Katholiken sowie konservative Protestanten kritisieren das Papier, weil es in ihren Augen die Ehe zwischen Mann und Frau entwertet. Auch das württembergische EKD-Ratsmitglied Tabea Dölker distanzierte sich von der Orientierungshilfe.
"Nicht dem Zeitgeist angepasst"
Reformationsbotschafterin Margot Käßmann erklärte dagegen am Montagabend in Leipzig: "Die evangelische Ethik hat sich nicht dem Zeitgeist angepasst, sondern geguckt, was sind ihre Grundkategorien." Wichtig seien vor allem Verlässlichkeit, Vertrauen und der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, fasste die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende das Papier zusammen.
Mehrere weitere Bischöfe lobten die umstrittene Orientierungshilfe als geglückte Anpassung an veränderte Gesellschaftsmodelle begrüßt. "Wenn etwa Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sich gegenseitig Liebe und Treue versprechen, kann man sich aus der Sicht christlicher Ethik doch nur freuen", so Bayerns evangelischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Dienstag in München. Niemand müsse Angst haben, dass die Ehe dadurch entwertet werde, betonte der Theologieprofessor.
Überrascht von der Kritik
Badens evangelischer Landesbischof Ulrich Fischer äußerte sich in einer Videobotschaft überrascht über die teils sehr heftigen und kritischen Reaktionen. "Wie man aus einem solchen Text herauslesen kann, dass es um eine Schwächung der Familien geht oder um eine Vergleichgültigung, dass eheliche Formen der evangelischen Kirche nicht mehr wichtig sind, ist mir unverständlich", erklärte Fischer, der auch Mitglied des EKD-Rates ist. Das Dokument sei eine "riesige Werbung dafür, Mut zu haben zur Familie, Kinder zu bekommen, Familie zu gründen und Verantwortung zu übernehmen". Der Typus von Familie habe sich in seiner sozialen Gestalt unglaublich geändert, betonte der Landesbischof. Dem trage diese Orientierungshilfe Rechnung.
Auch die evangelischen Bundesverbände der Frauen und der Männerarbeit verteidigten das Familienpapier der EKD. Die Orientierungshilfe unterstütze Beziehungen, die von verlässlicher Bindung, Verantwortung, Fürsorge und Respekt getragen seien, unabhängig von ihrer Form, erklärten beide Verbände in Hannover. Verantwortung und Verbindlichkeit seien aus christlicher Sicht entscheidend. Zum Verband Evangelische Frauen in Deutschland gehören 38 Mitgliedsorganisationen mit rund drei Millionen Mitgliedern. Die Arbeitsgemeinschaft der Männerarbeit fasst die entsprechenden Einrichtungen in allen 20 Mitgliedskirchen der EKD zusammen.