"Den Tag fürchten wir alle, an dem wir alt und pflegebedürftig werden", leitete Moderator Jan Dieckmann in die Sendung ein. Menschen fürchteten sich vor der Einsamkeit im Alter und davor, hilflos zu werden und die eigene Würde zu verlieren. Mit seinen Gästen diskutierte er das Thema "Streitfall Altenpflege: Nächstenliebe nach der Stoppuhr?"
###mehr-links###
Ein erschütternder Einspielfilm: Ein Altenpfleger versorgt eine ältere Dame im Heim. Aus einem nichtigen Anlass zieht er sie plötzlich an den Haaren nach vorne. Der Sohn hatte die Szene mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet, nachdem seine Mutter sich über Schläge vom Pflegepersonal geklagt hatte.
Die Gäste zeigten betroffen: "Die Bilder sind das härteste, was ich in diesem Kontext erlebt habe", sagte der württembergische Landesbischof Frank July. Auf keinen Fall dürfe man jedoch pauschalisieren: "Es liegt nicht am bösen Willen der einzelnen. Es gibt ein Infrastrukturproblem." Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, war anderer Ansicht. Es komme immer zum Fehlverhalten Einzelner. Das habe aber nicht zwingend finanzielle Ursachen.
40.000 leiden an Hunger und Durst
Zwei Jahre lang hat die Journalistin Anette Dowideit in Pflegeheimen recherchiert. Ihr Ergebnis: "Die Pflege ist chronisch überfordert." Überall fehle es an Pflegekräften. 40.000 Menschen würden in deutschen Pflegeheimen Hunger und Durst leiden, weil die Zeit fehle, ihnen Essen und Trinken anzureichen. Dowideit fordert mehr Geld für die Pflege. Das sei aber nicht Aufgabe der Krankenversicherungen, sagte Leienbach. Die zahlten, was der Gesetzgeber vorschreibe. Er räumte ein, dass die Gelder knapp seien und sagte, dass die Menschen verstärkt privat vorsorgen müssten.
###mehr-artikel###
"Es ist nicht zufriedenstellend, wenn man ein System hat, in dem Überforderung programmiert ist", sagte Bischof July. Ein Pflege-Soli könne dazu beitragen, die Situation zu entschärfen. Außerdem forderte July mehr Wertschätzung für Pflegekräfte. Dazu gehöre auch eine bessere Bezahlung. Er wünsche sich ein Land, in dem hilfsbedürftige Menschen gerne in ein Heim wechselten. Aus christlicher Sicht bedeute Altenpflege, auch demenzkranke Menschen als Ebenbild Gottes zu sehen.
Dowideit fürchtet, dass in Zukunft immer mehr Menschen zu Hause gepflegt würden, weil das Geld für die Heimunterbringung fehlt. "Das wird vor allem Frauen treffen, die eh schon mit der Doppelbelastung Familie und Beruf zu kämpfen haben", sagte die Journalistin. Leienbach forderte, dass die Pflege stärker professionalisiert werden solle. Auch, weil aufgrund der sinkenden Geburtenrate in Zukunft weniger Leute da sein werden, die Pflegebedürftigen zu Hause betreuen könnten.
Vater und Mutter ehren
"Aber ist es nicht auch die Pflicht der Kinder, sich um die Eltern zu kümmern?", fragte Moderator Dieckmann. Immerhin stehe in den Zehn Geboten, dass man Vater und Mutter ehren solle. Das bedeute aber nicht, dass man sie zu Hause pflegen müsse, erklärte July. Man müsse "mental dabei sein", wenn es um die Pflege der Eltern gehe. Er sieht die Aufgabe auch in Kirchengemeinden, die Menschen zu ermutigen in Nächstenliebe zu handeln.
###mehr-info###
Insgesamt herrschte viel Einigkeit zwischen den Diskutanten. Alle sahen die knappen Ressourcen für die Pflege und forderten Veränderungen, um die Situation hilfsbedürftiger Menschen zu verbessern. Die Diskussion zeigte: Vieles liegt in Deutschland im Argen. Ein reiches Land sollte Möglichkeiten finden, die Situation pflegebedürftiger Menschen deutlich zu verbessern. Es ist höchste Zeit für eine ehrliche Debatte. Spannend wäre es gewesen, auch die Meinung von Politikern zu diesem Thema zu hören.