Hassan Harakehs Geschäfte laufen schlecht. Der 48 Jahre alte Gemüsehändler aus der Bekaa-Ebene im Osten des Libanon kauft Kartoffeln, Tomaten oder Auberginen von Farmern in der Umgebung und verkauft sie weiter. Vor dem Beginn des Aufstandes in Syrien exportierte er seine Ware in die arabischen Golfländer. Dieses Geschäft ist nun völlig zum Erliegen gekommen.
Geblieben sind ihm die lokalen Märkte in der Bekaa. "Die Wirtschaftslage war noch nie so schlecht wie jetzt", sagt der sonnengebräunte Mann mit dem Schnauzbart. Sogar die Wochenmärkte in der nahen Umgebungen laufen schlecht, sagt Harakeh. Hinzu komme die Konkurrenz von syrischen Arbeitern. Der Gemüsehändler ist nicht gut auf die Syrer zu sprechen: "Sie kassieren Hilfe von verschiedenen Organisation, dann arbeiten sie noch für wenig Geld und machen uns den Markt kaputt. Die Libanesen müssen jetzt sehr viel Geduld haben!"
Unruhen sind schlecht fürs Geschäft
An diesem Montag hat Hassan Harakeh seinen Stand auf dem Markt in Mardsch aufgeschlagen. Das kleine Städtchen mit 20.000 Einwohnern liegt ungefähr 50 Kilometer östlich der Hauptstadt Beirut. Syrien ist in Sichtweite. Auf dem lebendigen und bunten Wochenmarkt wird Obst und Gemüse verkauft, Gewürze, gebrauchte Kleidung oder Trödel.
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Der Syrer Ali Saqr verkauft Hauhaltswaren und Plastikspielzeug. Der 27-Jährige ist ähnlich wie Hassan Harakeh mit dem Handel nicht zufrieden. Die Unruhen an der nahe gelegenen libanesisch-syrischen Grenze seien schlecht fürs Geschäft, sagt Saqr: "Die Kundschaft bleibt weg." Der aus Idlib im Nordwesten Syriens stammende Saqr lebt seit anderthalb Jahren in der Nähe von Mardsch. In seiner Heimat hat er als Tischler gearbeitet. Nun hält er seine Familie mit dem kleinen Handel über Wasser.
Die Bekaa-Ebene ist eines der Hauptaufnahmegebiete für syrische Flüchtlinge im Libanon. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR von Mitte Juni leben über 150.000 registrierte Flüchtlinge in dieser ärmlichen, von der Landwirtschaft geprägten Region. Hinzu kommen Tausende nicht registrierte Syrer. Wegen ihrer Nähe zu Syrien sind die Städte und Dörfer der Bekaa oft die erste Anlaufstelle für Menschen, die aus dem Nachbarland fliehen müssen.
Unmut unter einigen Libanesen
In Mardsch sind 1.600 syrische Familien untergekommen. Kein einziges freies Zimmer gebe es mehr im Ort, sagt der Bürgermeister Nazim Youssef. Eigentlich könne seine Gemeinde keine weiteren Menschen mehr aufnehmen, aber er könne sie auch nicht zurückschicken. Sie haben schließlich alles verloren, sagt Youssef. Die Hilfe, die die Syrer von den internationalen Organisation bekämen, reiche bei weitem nicht aus, sagt der Bürgermeister. Trotzdem gebe es Unmut unter einigen Libanesen: "Die Syrer bekommen viel Aufmerksamkeit und wir erleben gerade eine schlimme Wirtschaftskrise."
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Die Kritik von libanesischer Seite an der Bevorzugung der Syrer kennt auch Ali Baqi von seiner täglichen Arbeit. Baqi leitet die Niederlassung der libanesischen Hilfsorganisation Amel Association in Al Ain, einem 30.000 Einwohner Städtchen in der nördlichen Bekaa-Ebene, wo in den letzten beiden Jahren 800 Familien Zuflucht gefunden haben. Auch hier gibt es keinen freien Wohnraum mehr für Neuankömmlinge. Der 53-Jährige weiß, dass in seinem Ort viele arme Libanesen leben. So beschloss er nach Rücksprache mit der Zentrale in Beirut, bedürftige Einheimische ins Hilfsprogramm einzubeziehen.
"Die internationale Gemeinschaft hat uns im Stich gelassen"
Das größte Problem ist aus Sicht Routleys die Unterkunft: "Wir brauchen eine breit angelegte Lösung." Damit ist die Errichtung von Flüchtlingslagern gemeint, nach dem Vorbild von Jordanien oder Türkei. Im Mai zählte das UNHCR 530.000 registrierte Flüchtlinge im Libanon. Das libanesische Innenministerium geht von einer Million Syrer im Land aus. Das Ministerium legt die Zahl der Syrer, die die Grenze zum Libanon überschreiten, zugrunde.
Die politische Zerstrittenheit der Regierung in Beirut sei der Grund dafür, dass bis jetzt im Libanon keine Lager errichtet worden sind, sagt Kamel Mohanna, Direktor der Amel Association. Mohanna spricht von einer katastrophalen Situation, die sein Land gerade erlebt: "Wir machen eine schwere politische und wirtschaftliche Krise durch und nehmen dazu noch Hunderttausende von Flüchtlingen auf. ." Nur ein Viertel der auf der Syrien-Geberkonferenz in Kuwait Ende Januar gemachten Zusagen für den Libanon wurden erfüllt.