Foto: epd-bild/Werner Krueper
Sprachkurse sollen Pflegekräften aus dem Ausland helfen, auf die Bedürfnisse ihrer Patienten einzugehen.
Mit "Pflege-Deutsch" über die Sprachbarriere
Bundesländer testen neue Wege zum Einsatz ausländischer Fachkräfte in Seniorenheimen
Erst die deutsche Sprache lernen, dann im Pflegeheim arbeiten oder umgekehrt? Eine Antwort muss her, denn ohne Sprachkenntnisse scheitert die Anerkennung ausländischer Fachkräfte. Die Bundesländer suchen neue Wege und zeigen Experimentierfreude.
13.06.2013
epd
Dirk Baas

In Bayern dürfen jetzt ausländische Fachkräfte in Pflegeheimen arbeiten, auch wenn sie noch kaum Deutsch sprechen. Sie müssen jedoch innerhalb von sechs Monaten nach Jobstart die hohe Hürde des Sprachnachweises "B 2" überwinden. Hessen verlangt dagegen einen niedrigeren Level, der um "Pflege-Deutsch" erweitert wurde und sich nun "B 1 Plus" nennt. Ein Pilotversuch mit rund 50 Spaniern, die bereits ein Pflegestudium abgeschlossen haben, soll zeigen, ob das Konzept alltagstauglich ist.

Beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) in Bayern ist man zufrieden. Schließlich hat sich der Dachverband mächtig ins Zeug gelegt, um die berufsbegleitende Sprachzertifizierung zu erreichen. "Für uns Heimträger bedeutet das Entgegenkommen der Regierung einen großen Vorteil", sagte bpa-Landesvorsitzender Kai A. Kasri dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Sozialministerium habe den Fachkräftemangel vor allem in den stationären Pflegeeinrichtungen erkannt und eine "schnelle erste Erleichterung" ermöglicht.

Vom ersten Tag an einsetzbar

Die Vorteile für die Arbeitgeber liegen auf der Hand: Die meist sehr gut ausgebildeten Zuwanderer sind vom ersten Tag an einsetzbar und ohne bürokratische Hürdenläufe von den Heimaufsichten anerkannt. Zudem hat die Beschäftigung etwa von Spaniern keine negativen Auswirkungen auf die vorgeschriebene Fachkraftquote, die in den Heimen bei 50 Prozent liegt. Und: Das Pflegepersonal könne "vom ersten Arbeitstag an vernünftig bezahlt werden", was das Interesse an den Jobs deutlich spürbar erhöhe.

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Kasri zufolge hatte das Ministerium zuvor deutlich gemacht, dass trotz Pflegenotstand am Sprachniveau "B 2" als Voraussetzung zur Anstellung auf keinen Fall gerüttelt werde. Dieser international anerkannte Level setzt laut Goethe-Institut fortgeschrittene Sprachkenntnisse voraus.

Das bayerische Sozialministerium bestätigte, "auf vielfachen Wunsch der Träger" gehandelt zu haben. Ziel sei es, die Einrichtungen im Land im Wettbewerb um Fachpersonal zu unterstützen. Künftig könnten Zuwanderer von Anfang an eingesetzt werden, "ohne Abstriche an den Qualitätsanforderungen", erläuterte ein Sprecher.

Diakonie zweifelt am Erfolg

Dagegen befürwortet die Diakonie den berufsbegleitenden Spracherwerb nur unter bestimmten Bedingungen. Zwar sei es "grundsätzlich nicht unbedingt wichtig, wann ausländische Pflegekräfte Deutsch lernen, sondern wie sie es lernen", sagte der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, Michael Bammessel. Zugleich betonte er aber, dass kulturelle Kenntnisse und Kompetenzen, die das tiefere Verstehen von Pflegebedürftigen ermöglichen, enorm wichtig seien: "Ob derartige Kompetenzen in den sechs Monaten neben einem anstrengenden Arbeitstag erworben werden können, ist zumindest fraglich."

Bammessel regte an, Zuwanderer, die während des Spracherwerbs schon in den Einrichtungen arbeiten, teilweise freizustellen. Nur so bleibe ihnen "überhaupt Zeit und Kraft zum Lernen". Eine solche Freistellung könnten die Träger der Heime jedoch nicht finanzieren. Dazu seien staatliche Zuschüsse nötig.
 
Hessen geht beim Spracherwerb einen anderen Weg. Hier läuft ein Modellversuch, an dem rund 50 spanische Krankenpflegekräfte mitwirken. Beteiligt sind das Sozialministerium, die Freie Wohlfahrtspflege und der bpa.

Das Wohlbefinden der Bewohner erkunden


Auch hier arbeiten die Zuwanderer sofort nach Ankunft in den Einrichtungen. Sie bekommen zunächst das Gehalt einer Pflegehilfskraft. Aber: Sie werden halbtags freigestellt für den Sprach- und Integrationskurs - die Kosten trägt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

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Die hessischen Partner sind überzeugt, mit dem Erwerb des Sprachlevel "B 1 Plus" nach spätestens sechs Monaten einen optimalen Weg zu gehen. "Das halten wir für ausreichend, die Pflegekräfte wollen ja kein Germanistikstudium aufnehmen", sagte der Leiter der bpa-Landesgeschäftsstelle, Manfred Mauer. Das "Plus" stehe für intensive Schulung in "Pflege-Deutsch": Die Kursteilnehmer sollen "die Pflegeplanung lesen und verstehen und das Wohlbefinden der Bewohner erkunden können".

Dem Festhalten am Level "B 2" in Bayern kann er nichts abgewinnen: "Wir glauben, dass dies zu hoch gegriffen ist und qualifizierte Zuwanderung verhindert."