Foto: NDR/Wolfgang Borrs
Anne Will diskutierte mit ihren Gästen, darunter Erika Steinbach, die Frage: „Ist die Ehe nicht mehr heilig?“
Talk mit Anne Will: Heilige Ehe?
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass homo- und heterosexuelle Ehepaare steuerrechtlich gleichgestellt werden müssen. In den Unionsparteien sorgt das für Unmut. Nicht zuletzt die Vertriebenenexpertin Erika Steinbach kämpft unbeirrt für ein "traditionelles Familienbild". Mit Spannung wurde deshalb ihr Auftritt bei Anne Will erwartet. In der Sendung drehte sich alles um die Frage: "Ist die Ehe nicht mehr heilig?" Trotz manch steiler These kamen die ersten Buhrufe erst am Ende der Runde.

Selten schaffen es die oft immer gleichen Talkshowthemen und -gäste im Vorfeld für Furore zu sorgen. Bei Anne Wills Sendung war das anders. Es sollte um die Frage gehen: "Gleiche Rechte für Homosexuelle – ist die Ehe nicht mehr heilig?" Mit Spannung wurde vor allem ein Gast erwartet: Erika Steinbach. Vielen als Vertriebenenpräsidentin bekannt, kündigte sie sich diesmal in ihrer Funktion als Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU Bundestagsfraktion an.

In der Frage um die Gleichstellung von homosexuellen Paaren nimmt die Unionsfrau selten ein Blatt vor dem Mund. Nicht ohne den Habitus einer Märtyrerin verteidigt sie die Ehe zwischen Mann und Frau – notfalls auch gegen das Verfassungsgericht. Zu Sendungsbeginn gab sich Steinbach zunächst offen. Ihr sei wichtig, dass jeder Leben könne, wie er wolle. "Was in Russland passiert, ist ein Skandal", sagte sie mit Blick auf die Verhaftungen von Menschen, die für mehr Rechte für Homosexuelle demonstriert hatten.

Gleiche Pflichten, gleiche Rechte

Doch wer auch nur eine Sekunde geglaubt hat, Erika Steinbach wäre über das Urteil milde geworden, wurde sogleich eines besseren belehrt. Steinbach gab sich weiter als strikte Gegnerin der Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren. Der Staat müsse entscheiden, wofür er Geld ausgeben wolle. Steuerliche Vorteile für homosexuelle Paare sollten nicht dazu gehören, so die Unionspolitikerin. "Wenn ich in meinem Garten Schnittlauch und Petersilie anpflanze, bekomme ich keine Agrarhilfe, weil das eben für die Allgemeinheit uninteressant ist", versuchte Steinbach am Ende der Sendung ihren Standpunkt deutlich zu machen – und erntete laute Buhrufe vom Publikum.

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"Wer gleiche Pflichten hat, sollte auch gleiche Rechte bekommen", hält Steinbachs Koalitionspartner, FDP-Politiker Michael Kauch, ihr entgegen. Da homosexuelle Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften gegenüber ihrem Partner unterhaltspflichtig seien, sollten sie auch von den steuerlichen Entlastungen des Ehegattensplittings profitieren.

Doch Steinbach lässt sich davon nicht beirren. Deutschland fehle es an Fachkräften. Während die einen nach mehr ausländischen Arbeitskräften riefen, fordere sie "selber machen". "Wir schaffen es nicht, unsere eigene Produktionsrate aufrecht zu erhalten." Deshalb müsse die Ehe besonders geschützt werden. Kauch, offensichtlich fassungslos, erwiderte, dass Ehepaare nicht weniger Kinder bekämen, nur weil Schwule und Lesben heiraten dürften. Und selbst die könnten Kinder bekommen.

"Selbstproduzierte Kinder"

David Berger, Theologe und Autor, wurde noch deutlicher: "Wenn die Zukunft des Volkes auf den biologischen Aspekt reduziert wird, fühle ich mich nicht an die menschliche Ehe, sondern eine Hühnerzuchtfarm erinnert." Auch ein Hinweis auf ihre unglückliche Wortwahl konnte Erika Steinbach nicht davon abhalten, zu einem späteren Zeitpunkt von "selbstproduzierten Kindern" zu sprechen.

Doch Erika Steinbach war an diesem Abend nicht allein. An ihrer Seite saß Hedwig von Beverfoerde, CDU-Mitglied und Sprecherin der "Initiative Familienschutz". Sie wartet auf mit dem wohl verstaubtetesten Famililienbild, was in den vergangenen Jahren in einer Talkshow vorgestellt wurde. Patchworkfamilien, Alleinerziehende scheinen darin keinen Platz zu haben – erst recht keine homosexuellen Paare. "Toleranz ist ein Wert, den wir alle verdienen und fordern", sagt sie auf diese bezogen. Aber es sei nicht dasselbe wie Akzeptanz. Man erdulde das Leben der anderen.

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Von Beverfoerde lässt sich auch nicht beirren, als ein 18-Jähriger von seinem Leben mit seinen zwei Müttern erzählt und ein äußerst harmonisches Bild seiner Kindheit zeichnet. Sie fände es gut, dass  Malte Czarnetzki die Situation seiner Eltern verteidige. Das habe etwas mit Loyalität zu tun "Es ist normal, dass Menschen die eigenen Eltern verteidigen, auch wenn objektiv nicht alles gut gelaufen ist." Czarnetzki widersprach ihr – es gebe Studien, die zeigten, dass Kinder homosexueller nicht unglücklicher seien als andere.

Auch wenn von Beverfoerde zwischenzeitlich drohte, Erika Steinbach die Show zu stehlen, lebte die Sendung gerade von den oftmals selbstentlarvenden Argumenten der beiden Gegnerinnen der Homo-Ehe. Beiden gelang es im Verlauf der Sendung nicht zu erklären, warum die Ehe von Männern und Frauen schützenswerter sein soll als die von gleichgeschlechtlichen Paaren. Stattdessen flüchteten sie sich in banale Bilder "man vergleicht ja auch nicht Äpfel mit Birnen" oder beharrten darauf, dass die Ehe der "Reproduktion" diene. Dass es auch homosexuelle Paare mit Kinder gibt, sei "nicht normal". So konnte man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass den beiden Fürsprechern der Homo-Ehe die Ehe als Institution im eigentlichen Sinne heiliger ist als von Beverfoerde und Steinbach.