Nelson Mandela
Foto: dpa/Kim Ludbrook
Nelson Mandela im Jahr 2008 in Johannesburg.
Bangen und Beten für Mandela: "Wir brauchen ihn noch"
In Südafrika bereiten sich die Menschen auf den Tod Nelson Mandelas vor. Was lange niemand zu denken oder sagen wagte, rückt nun immer stärker in das Bewusstsein: Auch eine so große Persönlichkeit ist nicht unsterblich.
11.06.2013
epd
Benjamin Dürr

Wenn Charles erklärt, wo er wohnt, sagt er nur "Mandela Park". Der rundliche junge Mann mit Schirmmütze und abgetragenen Turnschuhen, der sich nur mit seinem Vornamen vorstellt, lebt in einer von Kapstadts größten Schwarzensiedlungen. Das Armenviertel namens Imizamo Yethu heißt bei den Menschen nur "Mandela Park", zu Ehren des ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas. Im ganzen Land beten und bangen die Menschen um den 94-Jährigen, der todkrank ist.

"Mandela ist für alle im Land ein Held, besonders für die Schwarzen", sagt Charles. Er zeigt auf ein Bild, das junge Künstler auf die Wand des Gemeindezentrums gemalt haben. Wie der kubanische Revolutionär Che Guevara, die Kontraste der Gesichtszüge in Schwarz und Weiß, blickt Nelson Mandela auf die Hütten am Hang herab.

"Wir hoffen, dass er noch lange lebt"

Seit dem Wochenende liegt Mandela auf der Intensivstation eines Krankenhauses in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. Die Regierungssprecher sagen, sein Zustand sei "ernst, aber stabil". Doch ihr Ton hat sich verändert. Sie wählen andere Worte als bei früheren Klinikaufenthalten und bereiten damit Südafrika und die Welt auf das Schlimmste vor - den Tod des Freiheitskämpfers und Friedensnobelpreisträgers.

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Die Stiftung des früheren anglikanischen Erzbischofs Desmond Tutu rief die Südafrikaner dazu auf, Gott zu danken, dass er ihnen die außergewöhnliche Persönlichkeit Mandela geschenkt habe: "Wir wünschen seiner Familie Stärke." Was bisher niemand zu denken oder sagen wagte, rückt nun immer stärker in das Bewusstsein: Auch eine so große Persönlichkeit wie Mandela ist nicht unsterblich. "Wir hoffen, dass er noch lange lebt", sagt Charles. "Aber jeder weiß, dass er sehr alt und sehr krank ist."

Am Sonntag, einen Tag nachdem er in eine Klinik in Pretoria eingeliefert wurde, titelte die "Sunday Times": "Es ist Zeit, ihn gehen zu lassen." Es sind die Worte von Andrew Mlangeni, einem langjährigen Freund Mandelas. "Die Familie muss ihn gehen lassen im Geiste und ihren Glauben in Gottes Hände legen." Dann würden auch die Menschen folgen und sich innerlich von ihm verabschieden.

Ein zweites Mal entlassen

In Mlangenis Worten klingt es, als würde Mandela ein zweites Mal entlassen. 27 Jahre saß Mandela während des rassistischen Apartheid-Regimes in Haft, die längste Zeit davon in einer kleinen, windigen Zelle auf Robben Island im Meer vor Kapstadt. Nun könnte bald der Moment gekommen sein, in dem Mandela aus dem Leben entlassen und von seiner Krankheit erlöst wird.

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Während seiner langen Haft auf der Insel soll seine Lunge so geschädigt worden sein, dass sie sich davon nie ganz erholt hat. In den vergangenen Wochen und Monaten wurde Mandela immer wieder wegen einer anhaltenden Lungeninfektion ins Krankenhaus gebracht. Die Abstände dazwischen wurden immer kürzer.

Der Präsident der traditionellen Heiler in Südafrika, Nkso Phathekile Holomisa, sagte: "Wir rufen unsere Vorfahren an und beten zu Gott, dass er wieder gesund wird." Man wisse, dass er ein alter Mann sei. "Aber wir brauchen ihn noch."

An den Händen halten und beten

In den Townships von Südafrika sagen die Menschen meist nicht viel über Mandela, der von 1994 bis 1999 Staatschef war. Es gibt keine Diskussionen, jeder stimmt zu: Ein Held und ein Vorbild sei er. Für viele ist er so etwas wie eine Legende. Mandela ist der Inbegriff für Freiheit, für Tapferkeit, Aufrichtigkeit und Mut. Eine der größten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Überall in Südafrika treffen sich Fans und Freunde, um gemeinsam für "Madiba" zu beten, wie Mandela liebevoll mit seinem Clan-Namen genannt wird. In Soweto trafen sich am Sonntag Hunderte Gläubige zu einem Gottesdienst in der katholischen Regina-Mundi-Kirche, wo während der Rassentrennung Studenten den Widerstand organisierten. Später tagte dort Altbischof Tutu mit der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die sich mit den Verbrechen der Apartheid befasste.

"Es ist jetzt Zeit, einander an den Händen zu halten und zu beten", sagte Keith Khoza, der Sprecher der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC). In Kapstadt legten Menschen Steine mit guten Wünschen bei einer der vielen Mandela-Statuen nieder. In der Straße in Johannesburg, wo er die vergangenen Jahre wohnte, halten Menschen Wache. Manche reisen zu seinem Geburtsort Qulu in der Provinz Ostkap.