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Filmkritik der Woche: "The Place Beyond the Pines"
"The Place Beyond the Pines" von Derek Cianfrance ist ein ambitioniertes Drama um Schuld und Moral. Doch der Film will zu viel auf einmal - und das geht auf Kosten der Spannung.
12.06.2013
epd
Patrick Seyboth

Mit einer langen, beeindruckenden Plansequenz beginnt dieses 140-minütige Werk: Ein Motorrad-Stuntman nimmt Aufstellung mit seinen beiden Kollegen, und nacheinander steuern sie ihre Maschinen in einen kugelförmigen eisernen Käfig, in dem sie dann auf engstem Raum ihre Bahnen umeinanderziehen. Ein Bild, das zugleich von Raserei und Kontrolle, von Irrsinn und Präzision erzählt. Ryan Gosling spielt  in "The Place Beyond the Pines" von Derek Cianfrance den Stuntfahrer Luke, einen einsamen, einzelgängerischen Typen.

Doch in der Stadt in der Provinz, wo seine Show gerade wieder einmal Station macht, begegnet er einer Frau wieder, mit der er einst einen One-Night-Stand hatte (Eva Mendes). Und als er erfährt, dass er der Vater ihres kleinen Sohnes ist, beschließt er, Verantwortung zu übernehmen - obwohl Romina inzwischen einen Partner hat. Da Luke mit ehrlicher Arbeit nicht genug verdient, um seinen Sohn zu unterstützen, setzt er auf sein besonderes Talent, das Motorradfahren, und wird zum Bankräuber auf zwei Rädern. Und so kommt der nächste Handlungsstrang in Gang, der sich um den ehrgeizigen Polizisten Avery (Bradley Cooper) dreht, bevor "The Place Beyond the Pines" mit einem großen zeitlichen Sprung zu weiteren Hauptfiguren wechselt und sie mit diesen Vorgeschichten verknüpft.

Die ambitionierte Konstruktion, mehr aber noch die moralischen Themen, erinnern an die großen Moraldramen von Alejandro González Iñárritu wie "21 Gramm" oder "Babel". Hier wie dort geht es um das Fortwirken von Leid und Schuld, um das Erbe von Gewalt, um persönliche Verantwortung in einer Welt, in der jede individuelle Entscheidung Folgen auch für andere hat. Und es geht um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Versöhnung und Wiedergutmachung. Anders als Iñárritu erzählt Cianfrance seine Geschichten nicht in Parallelsträngen, sondern setzt seine zahlreichen Motive und Perspektiven linear wie an einer Perlenkette hintereinander. Das ist es vielleicht, was seinen Film letztlich kalkuliert und schwerfällig erscheinen lässt.

Glänzende Besetzung

Das ist umso bedauerlicher, als "The Place Beyond the Pines" unbestreitbare Qualitäten hat: Die Besetzung ist bis in die Nebenrollen glänzend, etwa Ray Liotta in einer weiteren Schurkenrolle als korrupter Cop. Einzelne starke Szenen stechen heraus, wie der erste Bankraub, bei dem der zuvor eher stoisch wirkende Gosling sehr eindringlich die Anspannung seiner Figur vermittelt. Die Musik ist geschickt eingesetzt, immer wieder und in ganz verschiedenen Interpretationen etwa Arvo Pärts Stück "Fratres", das selbst dramatisch aufgeladenen Momenten eine Ebene der Reflexion hinzufügt. Im ersten Teil ist auch die Kameraarbeit brillant, während sie danach etwas verblasst. Ähnlich wie das mäandernde Drehbuch scheinen die Bilder irgendwann nicht mehr so genau zu wissen, worum es gerade geht.

So will der Film sehr vieles auf einmal, was auf Kosten der Konzentration und der Spannung geht. Viele Wendungen zeichnen sich frühzeitig ab; die emotionale Kraft, die durchaus in diesen Geschichten liegt, verpufft daher meist. Auch die moralischen Konflikte meint man anderswo schon auf tiefer schürfende Weise verhandelt gesehen zu haben - es sind ihrer aber auch gar zu viele, die nur angerissen werden. Für einen so langen, ambitionierten Film mit einer Vielzahl an Motiven und Handlungssträngen hat "The Place Beyond the Pines" dann doch nicht allzu viel zu sagen.