Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. In einem Jahr am 12. Juni wird die 20. Fußball-WM angepfiffen, Gastgeber Brasilien wird für vier Wochen das Zentrum der Welt sein. Zurzeit prägen Baustellen die zwölf Austragungsorte: Fußball-Stadien werden neu gebaut oder von Grund auf renoviert. Neue Straßen und Schnellbus-Linien werden Sportstätten mit den Touristenzentren verbinden. Eilig entstehen noch zusätzliche Hotels, um den erwarteten Besucherandrang zu bewältigen.
Die Generalprobe für das Fußball-Spektakel ist der Confederations-Cup, der am 15. Juni beginnt. Endlich rollt der Ball - doch die Stimmung im Fußball-Paradies Brasilien ist gedämpft. Das liegt nicht nur an den mäßigen Leistungen der Nationalmannschaft, der Selecão, die Anfang Juni zur Wiedereröffnung des legendären Maracanã-Stadions in Rio de Janeiro gegen England nur 2:2 unentschieden spielte.
Wohnungen sind unerschwinglich geworden
Michel de Souza erinnert sich noch gut an den Tag, an dem Brasilien von dem Weltfußballverband FIFA den Zuschlag für die WM bekam. "Ich saß im Auto, hupte begeistert wie alle anderen, der Verkehr kam zum Erliegen." Nur zwei Jahre später war der heute 28-jährige Grundschullehrer einer der ersten, der sein Haus verlassen musste. Wo er wohnte, verläuft jetzt eine Schnellbustrasse. "Heute komme ich mir vor wie ein Idiot", sagt de Souza geknickt. Die Entschädigung, die er vom Staat gezahlt bekam, habe nicht annähernd für die neue Unterkunft gereicht.
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Die Familie de Souza ist eine von über 3.000, die allein in Rio den Bauplänen weichen mussten. Weiteren 8.000 Familien droht das gleiche Schicksal. In der Stadt am Zuckerhut, die 2016 auch noch die Olympischen Spiele ausrichten wird, ist der Bauboom besonders ausgeprägt.
Die Brasilianer haben schon einige Kehrseiten der sportlichen Großereignisse kennengelernt. Die Preise steigen, vor allem Wohnungen sind in vielen Städten unerschwinglich geworden. Zugleich investiert der Staat Millionen in den Bau von Stadien, auch in Städten, in denen sie in Zukunft kaum gebraucht werden. Die neue Arena für 70.000 Zuschauer in der Hauptstadt Brasilia kostete den Steuerzahler umgerechnet 600 Millionen Euro, obwohl selten tausend Besucher zu einem Spiel kommen. Auch in den Städten Cuiabá und Manaus gibt es nur drittklassige Vereine, die die neuen Sportstädten kaum nutzen werden.
"Die FIFA marschiert bei uns ein"
Ex-Fußballstar Romario kritisiert, dass die Vorbereitung der WM bisher "sehr amateurhaft" verlaufen sei. Zudem bemängelt der heutige Parlamentarier ein Gesetz, dass der FIFA zuliebe im vergangenen Jahr verabschiedet wurde und dem Fußballverband exklusive Vermarktungsrechte zusichert. "Die FIFA marschiert bei uns ein, wird einen Gewinn von rund vier Milliarden Reais (umgerechnet 1,7 Milliarden Euro) einstreichen und besteht noch darauf, dass die Regierung für alle eventuellen Schäden bürgt", empört sich Romario.
Aufgrund des Gesetzes ist einheimischen Händlern in der Nähe der Sportstätten der Verkauf untersagt. Getränke gibt es ausschließlich von den FIFA-Sponsoren, die zur Zeit der WM sogar alkoholische Getränke in den Stadien verkaufen dürfen, was sonst in Brasilien verboten ist. Von Steuern und Abgaben befreit, kann die FIFA mit der Vermarktung der Eintrittkarten und der Übertragungsrechte auf ein gutes Geschäft hoffen.
Trotz allem: Undenkbar, gegen Fußball zu sein
Der katholische Befreiungstheologe Frei Betto befürchtet, dass die kommerziellen Interessen die Fußballbegeisterung beeinträchtigen werden. "Die FIFA will die einfachen Menschen von der WM fernhalten", warnt der ehemalige Berater von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. "Sie sollen die Spiele am Fernseher verfolgen, während ein Stadion-Besuch der Elite und den Ausländern vorbehalten sein soll," sagt Frei Betto.
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Mittlerweile macht eine landesweite Bewegung aus Stadtteilgruppen und Menschenrechtlern gegen die negativen Folgen der Sportevents mobil. Sie hat nicht nur prominente Fürsprecher. Da die brasilianischen Fußball-Verbände als durch und durch korrupt gelten, sind viele Brasilianer überzeugt, dass auch bei der WM 2014 nicht alles mit rechten Dingen zugehen wird.
Dennoch ist es für die meisten undenkbar, gegen Fußball zu sein: Ungerechtigkeiten werden wie ein Foul oder ein falscher Elfmeterpfiff nach der ersten Aufregung sportlich hingenommen. Und wenn die Nationalelf wieder genug Tore schießt, steht dem Fußballfest nichts mehr im Weg.