Ein interessantes Wechselbad, das Radio Bremen da bietet: Im Februar hatte der kleine Sender noch mit einem richtig großen Krimi geprotzt ("Puppenspieler"), der mit seinen Verweisen auf die Morde der Nazi-Gruppe NSU und politische Ränkeschmiede die eindrucksvoll vielschichtige Geschichte einer Verschwörung erzählte.
Der neue Tatort "Er wird töten" knüpft an diesen Film an, allerdings nur auf einer der diversen damaligen Ebenen. Beide Produktionen sind unmittelbar hintereinander entstanden, die kreativen Köpfe (Buch: Christian Jeltsch, Regie: Florian Baxmeyer) sind die gleichen; und doch könnten die Filme kaum unterschiedlicher sein. Beeindruckte "Puppenspieler" durch große Bilder, so ist "Er wird töten" über weite Strecken ein Kammerspiel. War das erste Werk von bemerkenswerter Komplexität, ist die Geschichte diesmal scheinbar ganz einfach; und tatsächlich stellt sich ein früher Verdacht später als völlig richtig heraus.
Zunächst aber heißt es Abschied nehmen. In "Puppenspieler" war der neue Kollege Leo Uljanoff (Antoine Monot jr.) quasi schon als Nachfolger für den treuen Stedefreund (Oliver Mommsen) eingeführt worden, zumal sich Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) auch noch auf ein Verhältnis mit dem jüngeren Mann eingelassen hatte; und nun wird Leo gleich zu Beginn ermordet. Fast zeitgleich kommt eine völlig verwirrte und schockierte Frau (Annika Kuhl) ins Präsidium, die sich in Lebensgefahr wähnt. Vor Jahren ist ihr Ehemann (Peter Schneider) wegen der Tötung der gemeinsamen kleinen Tochter verurteilt worden. Nun ist er wieder auf freiem Fuß, hat offenbar das einstige gemeinsame Haus verwüstet, Todesdrohungen an die Wände geschmiert und Rache genommen: Leo war damals für den Fall zuständig. Kurz drauf kann der Mann festgenommen werden; aber natürlich sind die Dinge in Wirklichkeit viel komplizierter.
Innere Konflikte
Bis auf wenige Ausnahmen spielt sich der Film im Präsidium ab, hier ist auch Leo erstochen worden, und als die Frau wenig später mit dem selben Messer attackiert wird, sind die Polizisten überzeugt, dass sich der Mörder ihres Kollegen noch im Haus befinden muss. Für Regisseur Baxmeyer und die Schauspieler war diese Konstruktion vermutlich eine echte Herausforderung, denn die Handlung besteht größtenteils aus Dialogen; nicht alle Darsteller bringen das nötige Format mit, auch wenn es durchaus spannend ist, wie sämtliche wichtigen Figuren mit inneren Konflikten zu kämpfen haben, die aus Verlusten resultieren. Für das Ehepaar gilt das naturgemäß ohnehin; Lürsen hat ihren Geliebten verloren, und Stedefreund, der zwischenzeitlich als Polizeiausbilder in Afghanistan war, hatte ein dort traumatisches Erlebnis. Mommsens Rolle ist daher die interessanteste, denn der ansonsten stets gutgelaunte Stedefreund offenbart plötzlich düstere, brutale Züge.
###mehr-personen###Davon abgesehen aber fällt "Er wird töten" gerade im Vergleich zu den vielen herausragenden Sonntagskrimis dieses Jahres aus dem Rahmen, und das keineswegs bloß stilistisch. Geht man der falsche Fährte, die das Drehbuch gleich zu Beginn legt, nicht auf den Leim, verliert die Geschichte prompt an Spannung. Zwar gelingt es Baxmeyer immer wieder, die vielen Gesprächsmomente optisch interessant aufzulösen, aber dafür übertreibt er es mit dem Einsatz von Zeitlupenbildern. An Sorgfalt im Detail hat es dagegen nicht gemangelt: Als die Frau erschöpft den Kopf auf den Armen bettet und einschläft, erkennt man in der nächsten Szene die Abdrücke des Strickjackenmusters auf ihrer Stirn.