Foto: Jüdisches Museum Frankfurt
Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Dazu gehört auch das Recht, die Religion zu wechseln.
Konflikte bei Konversionen: Glauben wechsel dich!
Wer eine neue Religion annimmt, verändert nicht nur seinen Glauben. Er kommt in eine andere Gemeinschaft, entfremdet sich womöglich von Familie und Freunden. Im schlimmsten Fall brechen die bisherigen sozialen Kontakte ab. Auch in der neuen Gemeinschaft kann der Konvertit auf Misstrauen und Ablehnung treffen. Eine Ausstellung erzählt aus Sicht der Konvertiten, wie es ihnen ergeht.
05.06.2013
evangelisch.de

Eigentlich ist Kauthar evangelisch. Zumindest würden das ihre Eltern sagen, die die junge Deutsche  nur unter ihrem Taufnamen kennen. Als Teenager ging Kauthar zur Konfirmation, bis heute ist sie Mitglied in der Kirche. Doch vor ein paar Jahren sprach sie in Kairo vor einem Imam das islamische Glaubensbekenntnis, nahm den Namen Kauthar an und wurde Muslima. Heute betet sie fünfmal täglich nach Mekka und würde auch gerne in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen. Aber das geht nicht, denn niemand soll wissen, dass Kauthar zum Islam übergetreten ist.

###mehr-links###Auch in der Ausstellung "Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln" im Museum Judengasse in Frankfurt am Main will Kauthar ihr Gesicht nicht zeigen. Ein Passfoto zeigt sie mit Kopftuch und einem schwarzen Balken über den Augen. Ihre Eltern würden sie so nicht erkennen, was ihr sehr wichtig ist. "Es war nicht leicht, sie zu finden", sagt Kurator Hannes Sulzenbacher. Er kann verstehen, dass sie anonym bleiben wollte. Bei Religionen, die heute übel beleumundet würden, sei es eher typisch, dass Menschen "undercover" konvertierten.

Die Ausstellung erzählt die Geschichten verschiedener Konvertiten, wie etwa die von Edith Stein, die 1891 als Jüdin geboren wurde. Später wurde sie Atheistin und schließlich katholische Nonne. Auch der Jude Heinrich Heine konvertierte zum evangelischen Christentum, um in der christlich geprägten Gesellschaft bessere Aufstiegschancen zu haben.

Motivation: Heirat, Sinnsuche, negative Erfahrungen

Konversion sei heute noch immer ein großes Thema, sagt Sulzenbacher. In der pluralistischen Gesellschaft gebe es einen großen Supermarkt an Sinnangeboten, der viele locke.

Pfarrerin Ilona Klemens hört viele unterschiedliche und persönliche Gründe, wenn Konvertiten zu ihr kommen. "Viele Muslime, die vorher Christen waren, sagen: 'Mir hat das, was die Christen glauben, nicht eingeleuchtet'", erklärt die Pfarrerin für interreligiösen Dialog in Frankfurt. Manche verstehen zum Beispiel die Trinität Gottes im Christentum nicht und wenden sich deshalb ab. Auf der anderen Seite konvertieren ihren Worten zufolge in Frankfurt viele iranische Muslime zum Christentum, weil sie den Islam negativ erlebt haben.

Klemens' Erfahrung nach ist es eher willkürlich, bei welcher Religion Sinnsuchende landen: "Sie machen eine positive Erfahrung mit Menschen, die dieser neuen Religion angehören und fühlen sich davon angezogen", sagt die Pfarrerin. Aber die Entscheidung über Religionswechsel sollte ihrer Meinung nach gut überlegt sein. Auch die muslimischen Gemeinden in Frankfurt sehen das ähnlich, denn sie schickten eine junge Protestantin, die zum Islam übertreten wollte, erst einmal zu der Pfarrerin für interreligiösen Dialog.

Jede Religion kann Heimat werden

Die Christin aus streng religiösem Elternhaus hatte in der evangelischen Kirche nie ein positives Gemeinschaftsgefühl erlebt. Auf der Suche nach Zugehörigkeit, Geborgenheit und Gemeinschaft kam sie mit ihrem muslimischen Partner in eine Moschee und fühlte sich dort sofort geborgen. "Da habe ich zu ihr gesagt: 'Es ist schön, wenn Sie das erleben. Das ist aber etwas, was Sie in jeder religiösen Gemeinschaft erleben können'", erinnert sich Klemens.

Jeder Konvertit müsse sich mit der neuen Beheimatung in einer neuen Religion vertraut machen. In der evangelischen Kirche sorgen die Gemeinden dafür, wenn Menschen auf Sinnsuche zu ihnen kommen, sagt Klemens. "Man sollte dafür Sorge tragen, dass derjenige begleitet wird, dass es eine Unterrichtsphase gibt. Am Ende steht die Taufe und die Aufnahme in die Gemeinde", erklärt die Pfarrerin.

Ein Vorhang aus Fäden symbolisiert in der Ausstellung die Passage, den Religionsübertritt. Der Konvertit muss durch etwas durch - genau wie der Besucher.

Kurator Sulzenbacher sagt, dass die meisten Konvertiten ihre Geschichte strukturell gleich erzählen und in ein Vorher, ein Nachher und ein Währenddessen einteilen. "Das Währenddessen bedeutet: Man muss durch eine Passage, man muss durch etwas durch", erklärt Sulzenbacher. In der Schau muss der Besucher durch von der Decke hängende Fäden hindurch, wenn er die verschiedenen Abschnitte besichtigt.

Der Akt des Religionsübertritts ist häufig mit einem Ritual, beispielsweise mit Wasser wie bei einer christlichen Taufe oder mit einer gesprochenen Formel wie bei dem muslimischen Glaubensbekenntnis verbunden. Ein Video in der Ausstellung zeigt etwa die Taufe von evangelikalen Protestanten in den USA: Eine in schwarz gekleidete Frau tritt in ein hüfthohes Becken, um sie herum herrscht Partystimmung. Ein ebenfalls schwarz angezogener Mann sagt etwas zu ihr, dann hält sie ihre Nase zu und er taucht sie rückwärts ins Wasser. Die umstehenden Menschen jubeln, strahlend steigt die klitschnasse Frau aus der Wanne. Nach ihr folgt der nächste Täufling aus der langen Schlange, auch er wird begeistert als neues Mitglied begrüßt.

Extremisten feiern Konversionen als Bestätigung

Nicht immer ist die aufnehmende Gemeinschaft so euphorisch über die Konvertiten. "Wenn sie in den Gemeinden sind, kennen sie den Vorwurf, 150-prozentig zu sein, dass sie alle Gebote übererfüllen", erklärt Kurator Sulzenbacher. Meist würden sie misstrauisch beäugt, als wankelmütig angesehen. Bei dem häufigsten Konversionsgrund, der Heirat, bekämen Konvertiten zudem oft zu hören, dass sie es nicht ernst meinten.

Pfarrerin Klemens warnt außerdem vor dem anderen Extrem: Triumphierende Reaktionen. Konversionen in die eigene Gemeinschaft würden oft als Bestätigung der eigenen Wahrheit angesehen. Extremistische religiöse Gruppen feierten Übertritte stark, wie etwa die Salafisten. "Dort gibt es einen richtigen Kult um Konversionen. Sie werden ins Internet gestellt und gefeiert nach dem Motto: 'Wir sind auf der Gewinnerseite und die anderen verlieren'", sagt Klemens.

###mehr-info###Natürlich müsse auch die Herkunftsreligion mit der Kränkung umgehen. "Da muss man sich nicht klein fühlen und kann das durchaus selbstbewusst sehen", meint Klemens. Konversionswillige solle man jedoch nicht einfach ziehen lassen, sondern nach ihren Gründen fragen. Die Pfarrerin ist nicht glücklich, wenn jemand vom Christentum wegkonvertiert. Trotzdem akzeptiert sie dies als Teil der pluralistischen Gesellschaft.

Ob Familie und Freunde dies auch so einfach hinnehmen können, ist dann aber eine andere Sache. Klemens hält die Angst der jungen Muslima Kauthar vor der Reaktion ihrer Eltern für berechtigt. "Konversionen sind nie nur individuelle Entscheidungen, sondern haben auch soziale Auswirkungen", erklärt Klemens.

Hin und wieder bekommt sie Anfragen von Eltern, deren Kinder konvertiert sind. "Wenn sich ein Familienmitglied von der bisherigen Religion abwendet, trifft ein Konvertit mitunter auf Unverständnis und er muss dann auch mit Kritik leben können", sagt die Pfarrerin. Manchmal würde sich die Familie auch vom Konvertiten abwenden. Weil Kauthar dies fürchtet, kann sie ihren Eltern nicht die Wahrheit sagen und bleibt auf dem Papier Kirchenmitglied. Nur im arabischen Ausland trägt sie auf der Straße ihr Kopftuch. In Deutschland bedeckt sie sich nur im stillen Kämmerlein – wenn sie betet.