Mann spuckt Kriegsspielzeug
Foto: photocase/kallejipp
Deutsche Waffen für die Welt?
Eine Diskussion über das Friedensgutachten 2013
Welche Waffen exportieren deutsche Unternehmen in andere Länder, und warum dürfen sie das? Das Friedensgutachten 2013 analysiert die deutsche Rüstungspolitik. In der evangelischen Akademie zu Berlin wurde die 325 Seiten dicke Analyse jetzt vorgestellt und diskutiert.

Die Bundesrepublik steht vor einem Paradigmenwechsel, sowohl in der Kriegsführung als auch in der politischen Ökonomie des Militärischen. So könnte man die Quintessenz des christlich geprägten Friedensgutachtens 2013 zusammenfassen. Das Gutachten ist ein Gemeinschaftswerk von vier deutschen Forschungseinrichtungen. Erstellt wurde es von der deutschen Sektion der Women in International Security (WIIS), dem Bonn International Center for Conversion (BICC), der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.

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Gerade die aktuelle Drohnen-Debatte sei symptomatisch für die neue deutsche Sicherheitspolitik, die quasi per Fernsteuerung funktioniere, so die Gutachter. "Künftig gibt es immer weniger militärische Interventionen und immer mehr Politik aus der Distanz. Es gibt keine direkte militärische Einmischung mehr, sondern Rüstungsexporte dienen nun der Ertüchtigung anderer Staaten, nennt das die Kanzlerin", referiert der Mitautor der Studie Marc von Boemcken vom Bonn International Center for Conversion in Bonn (BICC).

Problematisch werde es dann, wenn deutsche Waffen entgegen den geltenden Exportrichtlinien in Krisenregionen geliefert würden. Am bekanntesten ist die beabsichtigte Lieferung von Leopard-Panzern an Saudi-Arabien. Eine hochpolitische Entscheidung angesichts der prekären Menschenrechtslage in dem Land. Aber auch Bahrain, Katar, Kuwait, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören zu den deutschen Waffen-Kunden in der Golfregion.

Friedenforscher: Alte Panzer gehören verschrottet

"Im April wurde bekannt, dass an das Emirat Katar Panzer für fast zwei Milliarden Euro verkauft werden sollen, eines der größten Waffengeschäfte in der Golfregion überhaupt. Aber ist diese Politik, die im Grunde gegen den Iran gerichtet ist, sinnvoll? Das bringt den Iran nicht von seinem Atom-Programm ab", warnt von Boemcken.

Auch dass über 160 von der Bundeswehr ausgemusterte Panzer nach Indonesien geliefert werden, sei nicht einsichtig. Alte Panzer gehörten nach Sicht der Friedensforscher verschrottet, statt sie in Krisenregionen zu verfrachten. Es sei eine allgemeine Globalisierung von Rüstungsproduktionen zu beobachten. Im Trend seien so genannte Komponenten-Lieferungen. Mittelständische Unternehmen exportierten etwa harmlos anmutende Waren, die im Ausland dann problemlos in Panzer oder Kampfflugzeuge eingebaut werden können.

"Die Komponentenausfuhr ist viel einfacher zu genehmigen als der Export kompletter Panzer. Die Lieferung von Panzerketten nach Weißrussland etwa verursacht bei weitem nicht so viel öffentliche Aufmerksamkeit oder gar Proteste wie die Komplettlieferung ganzer Leopard-Panzer", weiß der Bonner Friedensforscher.

Wie kam Gaddafi an deutsche Sturmgewehre?

Nationale Exportrichtlinien würden zudem durch Lizenzproduktionen und Tochterfirmen leichter umgangen. So begann Heckler&Koch 2011 mit dem Aufbau einer Waffenfabrik in Saudi-Arabien für seine G36-Produktion. Doch die deutsche MG-Schmiede ist offensichtlich um die Verbleib ihrer Waffen wenig besorgt. Das hochmoderne Sturmgewehr G 36 tauchte auch in Waffenarsenalen Gaddafis auf. Bis heute ist nicht geklärt, wie die deutschen Maschinengewehre in die Hände des libyschen Diktators gelangten. Wer garantiert also, was mit der deutschen Lizenzproduktion made in Saudi-Arabia passieren wird?

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Auch bei Sicherheits- und Überwachungstechnologien haben Unternehmen mit deutscher Beteiligung die Nase vorn. "Es geht auch um die Einbindung von Anrainerstaaten in Afrika, das Abgreifen von Flüchtlingen schon in Nordafrika. Solche Technik unterliegt meist keiner Exportkontrolle", erklärt Marc von Boemcken vom Bonn International Center for Conversion.

Nach den USA und Russland ist Deutschland weltweit mittlerweile der drittgrößte Waffenexporteur. Rund 80.000 Menschen arbeiten in den deutschen Waffenschmieden. Längst aber sind die sich verzwergende Bundeswehr und selbst die NATO kein ausreichender Absatzmarkt mehr für die deutschen Spitzenprodukte. Immer häufiger werden Waffen daher auch in Krisenregionen und an Diktaturen geliefert, obwohl dies den restriktiven Exportrichtlinien der Bundesregierung, dem Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz widerspricht. Nach deutschem Recht darf etwa nicht an Länder geliefert werden, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden.

Polenz: Waffen sind etwas anderes als TV-Geräte

Jeder Waffenexport werde zwar veröffentlicht. Die wichtige Frage sei nur wann. Zuerst entscheide immer der geheim tagende Bundessicherheitsrat, dem die Bundeskanzlerin vorsitzt. Erst im Nachhinein werde das Parlament durch den jährlich erscheinenden Rüstungsexportbericht der Bundesregierung informiert. Meist sind die Waffendeals dann aber schon längst unter Dach und Fach.

Dieser Kritik stimmt der CDU-Politiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Ruprecht Polenz, sogar zu. Bundeskanzlerin Merkel wolle künftig vierteljährlich das Parlament über deutsche Rüstungsexporte informieren. Auch müsse dem Parlament bei heiklen Waffenexporten ein Vetorecht eingeräumt werden. Doch könne man nicht von einer neuen Merkel-Doktrin der militärischen Ertüchtigung statt Intervention reden, wie es das aktuelle Friedensgutachten der Kanzlerin unterstelle. Es gehe immer wieder um schwierige Einzelfallentscheidungen.

"Allerdings bin ich dafür, dass die Federführung für Rüstungsexporte vom Wirtschaftsministerium ins Außenministerium übertragen wird. Der Export von Waffen ist eben doch etwas anderes als die Ausfuhrgenehmigung für TV-Geräte", meint Polenz. Doch die Kritik an den deutschen Waffen für die Welt sei nicht neu. Gerade von kirchlicher Seite seien auch schon die Vorgängerregierungen wegen zu laxer Genehmigungspraxis attackiert worden, erinnert sich der Parlamentarier.

Ratlosigkeit in der Syrien-Frage

Doch Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi, widerspricht dieser Einschätzung. "Sicher, unter rot-grün, rot-schwarz, schwarz-gelb gibt es Kontinuitäten. Aber die aktuelle Verdoppelung der Kleinwaffenexporte hat mich schon entsetzt. Denn Kleinwaffen, so harmlos das Wort auch klingen mag, sind die Massenvernichtungsmittel der Neuzeit", warnt Hoffmann.

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Es gibt aber auch Selbstkritik bei den Friedensforschern. Denn so sehr sie die aktuelle Lage analysieren können, so wenig können sie einfache Antworten für eine bessere Politik geben. So findet sich auch im aktuellen Friedensgutachten eine gewisse Ratlosigkeit in der Syrien-Frage. Wenn man den Rebellen keine Waffen liefern möchte, bleibt die Frage, wie man die moderaten und liberalen Kräfte im Land sinnvoll stärken kann.

"Dass Deutschland nur 5000 verletzte Syrer aufnimmt ist angesichts der Dimensionen des millionenfachen Leids eine beschämende Zahl. Im Gutachten wird da leider auch nicht auf den Schutz der Bevölkerung gepocht, da bleibt es zu sehr an der Analyse stehen", moniert Bernhard Moltmann von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.