Pfarrer auf dem Fahrrad
Foto: epd-bild / Jens Schulze
Pfarerr haben's oft eilig, weil sie so viel zu tun haben. Welche Arbeiten in der Kirchengemeinde könnten andere Hauptamtliche übernehmen?
Zukunftswerkstatt für Gottes Bodenpersonal
Wie können sich verschiedene Hauptamtliche in Kirchengemeinden die Arbeit untereinander auf eilen? Oder anders gefragt: Sind Pfarrer immer die wichtigsten Leute in der Gemeinde? Im Bonner Haus der Begegnung bekräftigten Theologen und Gemeindepädagogen das Konzept der Vielfalt und Gleichberechtigung kirchlicher Ämter. Doch die Strategie, den "Personalmix" in die Praxis umzusetzen, erweist sich als steiniger Weg.

Im Rheinland, in Wuppertal-Barmen, wurde im Mai 1934 das Fundament der bekennenden evangelischen Kirche im Nationalsozialismus verabschiedet, die "Barmer Theologische Erklärung". Deren vierte These postuliert die Ämter und Berufe in der Kirche als gleichberechtigte Partner im Dienst der Kommunikation des Evangeliums: "Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes." An diese These knüpfte 2012 die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) in einem Konzept zur Personalentwicklung an. Darin ordnete sie verschiedene Ämter der Kirche funktional dem gemeinschaftlichen Dienst an der Gemeinde zu. 

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Diese Haltung vitalisierte nun – wiederum im Rheinland, im Bonner Haus der Begegnung – ein Gemeindepädagogischer Studientag von drei Institutionen der kirchlichen Aus- und Weiterbildung. In der Diskussion ging es um "Pfarrbild und Personalmix". Auf diesen Mix, meinen die Protagonisten der Reformidee, komme es essentiell an, wenn die Kirche bei geringer werdenden finanziellen Ressourcen ihren Auftrag der Kommunikation des Evangeliums professionell erfüllen wolle.

Mehr nachdenken und miteinander reden

"Augenhöhe" und "mehr Anerkennung" – dies sind zentrale Erwartungen der "anderen" Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neben dem Pfarramt auf dem weiteren Weg der Kirche in das 21. Jahrhundert. Im Bonner Plenum zeigten Debattenbeiträge der Teilnehmenden aus Studium und Praxis, welche Brisanz sich in vielen Gemeinden um die Frage der Wertschätzung der diversen Funktionen außer dem Pfarramt aufgestaut hat.

Initiatoren und Referenten des Bonner Studientages (v.r.): Desmond Bell, Evangelische Fachhochschule R-W-L, Bochum; Peter Bubmann, Universität Erlangen-Nürnberg; Gotthard Fermor, Pädagogisch-Theologisches Institut der EKiR, Bonn

Für ein Denken und eine Veränderungsstrategie nach Maßgabe von "Augenhöhe" und hierarchiefremder Partnerschaft lieferte Peter Bubmann, Professor für Praktische Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Argumente und Stichworte in Fülle. Seine zentrale These: Neutestamentarisch sei keine allgemeinverbindliche Ämterstruktur gegeben oder begründbar. "Kirche ist in sich plural". Für die strukturelle Gestalt des "Bodenpersonals Gottes" taugten weder Traditionsargumente noch fundamentalistische Haltungen. Vielmehr müsse jeweils konkret darüber nachgedacht werden.

Vielerorts stimmt nach Darlegung Bubmanns die "Passung" nicht: "Diejenigen, die zu den kirchlichen Angeboten kommen, haben andere Erwartungen als diejenigen, die sie anbieten." So führten die Privatisierungstendenzen im Bereich der Religion dazu, dass religiöse Experten und Kirchengliedern einfach mehr miteinander reden müssten, weil sie unterschiedliche Vorstellungen haben. "Paradigmatisch", unterstrich Bubmann, "lässt sich dies bei den Wünschen zur Gestaltung von Hochzeiten oder Beerdigungen studieren. Das stellt die kirchlichen Berufsgruppen vor zusätzliche Herausforderungen." Die gesellschaftlichen Veränderungen erfordern neue Arbeitsfelder und neue Perspektiven der Praxis. Dies sei beispielsweise bei den Kirchenmusikern die Popmusik, bei den Sozialarbeitern und Religionspädagogen die Medienpädagogik.

"Schon immer ging es auch um Macht"

Ist das nicht der sichere Weg zur Überfrachtung der Ausbildung? Zu Überlastung und Burnout in der Praxis? Eine Lösung kann Bubmann zufolge die präzisere Verteilung von Aufgaben auf verschiedene kirchliche Berufsgruppen sein. Dabei müsse die Professionalität der unterschiedlichen Ämter und Berufe im Dienste der Kommunikation des Evangeliums im Vordergrund stehen. Der Theologe warnte vor Irrwegen: "Es ist eine falsche Strategie, in den diversen Berufsrollen möglichst viel vom Pfarramt zu übernehmen." Umgekehrt sei es auch nicht der richtige Weg, Pfarrer etwa als Pädagogen einzusetzen, die dafür nicht ausgebildet seien.

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Wenn es schon nicht einfach zu sein scheint, ein theoretisches Modell für eine Ämterstruktur der Gleichberechtigten zu finden, welche Hindernisse mögen sich erst bei dessen Verwirklichung auftun? Bubmann war es wichtig, keine Illusionen aufkommen zu lassen: "Schon immer ging es bei der Bestimmung verschiedener Ämter und Berufe in der Kirche auch um Macht." Diakone, Kantoren oder auch Jugendpädagogen machen, wie in den Workshops deutlich wurde, genau diese Erfahrung.

Forderung nach einheitlichen Tarifen

Die Thematik, so exemplarisch Lutz Zemke, Jugendreferent im Kirchenkreis Moers, gegenüber evangelisch.de, habe mit "struktureller Gewalt" zu tun. "Das System erhält sich aus sich heraus." Das Berufsbild des Pfarrers, so Zemke, werde kultiviert. Noch gebe es Altvordere, die genau das erwarteten und dadurch die Strukturen absicherten. Seine Forderung: ein einheitliches Tarifsystem mit gleicher Dotierung der unterschiedlichen Stellen. "Das wäre ein Quantensprung." Ferner: eine berufsständische Vertretung der Gemeindepädagogen in den Landessynoden mit Sitz und Stimme.

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Gotthard Fermor, Direktor des Pädagogisch-Theologischen Instituts der EKiR, bilanzierte den Studientag als ein "Stück Zukunftswerkstatt": "Wir wollen dazu beitragen, für die Praxis argumentationssicherer und selbstbewusster zu machen." Es sei ein Brückenschlag zwischen Gemeindepädagogen und Theologen gelungen: "Es ist gut, wenn die unterschiedlichen Berufsgruppen miteinander reden."

Für die kommende Generation dürfte es kaum eine Zukunft in der traditionellen Ämterhierarchie geben. Maren Voß etwa, Studentin an der evangelischen Fachhochschule Bochum, sieht ihre berufliche Perspektive im "Personalmix". Jeder habe seine individuellen Begabungen, könne diese durch Fortbildung weiter spezifizieren und sich so in der Gemeinde einbringen. "Und das geht eben am besten in dem weitgefächerten Ämterbegriff."