Laschet, kein Mann der flotten Sprüche, beschäftigt sich intensiv mit der Frage, welche Grundsätze für einen Politiker gelten, der der CDU angehört. Entscheidend für ihn ist das christliche Menschenbild, das sich aus der katholischen Soziallehre und der protestantischen Sozialethik ergibt. Doch zum einen gilt dieses Menschenbild in säkularen Kreisen als antiquiert – auf der anderen Seite bekennen sich auch in den anderen Parteien viele Menschen zum Christentum. Gleichwohl nimmt Laschet für sich und seine Partei in Anspruch, dass das christliche Leitbild für jedes Mitglied gilt. Das steht für ihn auch nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass Menschen jüdischen Glaubens – etwa Michel Friedman oder Eric Blumenfeld – der CDU angehören.
###mehr-artikel###Aber neuerdings auch Muslime? "Darüber bin ich sehr froh", so Laschet, der 2005 bis 2009 in NRW erster deutscher Integrationsminister war. "Oft haben muslimische Parteimitglieder mehr mit dem christlichen Menschenbild zu tun als nur noch pro forma christliche", sagt er. Dass in der Düsseldorfer Landtagsabgeordneten Serap Gühler gar eine Muslimin dem CDU-Bundesvorstand angehört, freut ihn besonders. Laschet wünscht sich, dass noch mehr Muslime den Weg in die CDU finden – bisher neigen diese eher zu SPD oder Grünen. "Wer das christliche Leitbild der Union anerkennt, der ist uns willkommen. Gleich welchen Glaubens er ist", sagt der stellvertretende Parteichef.
Aber führt das auf Dauer nicht doch zu einer Aufweichung der Grundsätze? Diese Gefahr sieht er nicht – zumal die Union ja keine Politik für Christen mache, sondern für alle Menschen im Land. Genaue Zahlen über die konfessionelle Zusammensetzung der Partei gibt es nicht. Zwei Drittel katholisch, ein Drittel evangelisch, so Schätzungen. Die Katholiken sind die stärkste Stütze der CDU, an deren Spitze zwei Protestanten stehen: Angela Merkel als Parteichefin, Hermann Gröhe als Generalsekretär. Gegenwärtig ist nur ein CDU-Bundesminister katholisch, nämlich Peter Altmaier. Dies bereitet vielen katholischen Christen Sorge, räumt Laschet indirekt ein. Umgekehrt sei die Frage der Konfession nicht mehr so entscheidend wie in früheren Jahrzehnten.
"Katholischen Teil wieder sichtbarer machen"
Dennoch müsse der katholische Teil der Partei wieder sichtbarer werden, wünscht sich Laschet, der einst die Redaktion der Aachener katholischen Kirchenzeitung leitete und noch heute dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört. "Wir werden uns mehr um die katholischen Christen kümmern müssen." Heißt dies, dass die CDU neben dem Evangelischen Arbeitskreis (EAK) nicht auch einen Katholischen Arbeitskreis benötigt? "Nein", sagt der gebürtige Aachener. Das sei parteiintern kein Thema. Der EAK sei historisch zu verstehen, was man von einer katholischen Gruppierung nicht sagen könne.
###mehr-personen###Immer wieder weist der Politiker auf die Geschlossenheit der CDU hin. Doch sieht das die Öffentlichkeit nicht anders? Laschet bleibt dabei, dass es in der Partei keine auseinanderdriftenden Flügel gebe. Nicht übermäßig groß ist seine Sorge angesichts der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD). Sie bringt es in Umfragen zurzeit auf rund drei Prozent, die vor allem zu Lasten von Schwarz-Gelb gehen dürften. Man müsse die AfD zwar ernstnehmen, findet Laschet, dürfe sich aber "nicht täglich mit ihnen auseinandersetzen, um sie nicht auf diese Weise immer bekannter zu machen". Nicht zuletzt dürfte die neue Partei auch die Opposition Stimmen kosten und bisherige Nichtwähler ansprechen.
Das Verhältnis von CDU und Kirchen bezeichnet Laschet als gut. Bei Sachthemen hätten die Kirchen den "größten Einfluss, wenn sie mit einer Stimme sprechen". Wo steht aus der Sicht des katholischen Politikers heute die evangelische Kirche? Die protestantische Wählerschaft sei vielleicht noch immer eher links, so Laschet, doch die Kirchenleitungen seien wesentlich weniger homogen als früher. Mischen sich die Kirchen zu viel in die Alltagspolitik ein? Da gibt es kein klares Ja oder Nein. Die Kirchen sollten sich zu den "wirklichen Wertefragen" äußern: Krieg und Frieden, soziale Gestalt der Gesellschaft. Laschets Wunsch: Sie sollten ihr Sozialwort von 1997 neu auflegen. "Das könnte ein wichtiger Beitrag für alle sein."