Foto: epd-bild/Debbie Hill
Ala Salman steht auf dem Balkon des Hauses seiner Familie in Beit Safafa bei Jerusalem. Vom Balkon hat man einen Blick auf die Baustelle einer sechspurigen Autobahn.
Sechs Spuren durch Beit Safafa
Mehr als 20 Jahre alt sind die Pläne für eine Autobahn. Die Trasse der Highway 50 wird den arabisch-palästinensischen Ort südlich von Jerusalem teilen und neben Lärm und Umweltbelastung auch für Umwege sorgen. Anwohner protestieren.

Fünfmal am Tag marschiert Mohammed Salman zum Gebet in die Moschee. Kaum fünf Minuten braucht der 75-Jährige für den Fußmarsch. Bald jedoch wird ihm eine Autobahn den Weg zum islamischen Gotteshaus in Beit Safafa versperren. Bis zum Herbst 2015 spätestens soll das monströse Bauwerk mit sechs Fahrspuren fertiggestellt sein.

Die Verlängerung der Jerusalemer Umgehungsstraße "Begin Highway" führt vom Einkaufszentrum Malha im Norden von Beit Safafa bis zur Rosmarin-Kreuzung im Süden des Dorfes und von dort aus zur berüchtigten "Tunnelstraße", die fast nur von israelischen Siedlern befahren wird. Die Autobahn, so heißt es in einem Appell der "Koalition für palästinensische Rechte in Jerusalem", sei Teil der "substanziellen Verbesserung des Netzes israelischer Siedlerstraßen". Für die Israelis, die im sogenannten Siedlerblock Gusch Etzion zwischen Jerusalem und Hebron wohnen, bedeutet die künftige Hauptstraße eine deutliche Erleichterung auf ihrem Weg zum Shoppen oder nach Tel Aviv.

Jede freie Stunde im Kampf gegen die Autobahn

Nur wenige Meter von der Baustelle entfernt liegt das Haus der Salmans. 14 Familienangehörige leben hier unter einem Dach. Vater Mohammad mit seiner Frau und drei Söhnen, von denen nur der 38-jährige Ala noch unverheiratet ist. Der Kunsthandwerker widmet jede freie Stunde dem Kampf gegen die Autobahn. Seit Ende September beobachtet er, wie Bulldozer und Planierraupen Beit Safafa buchstäblich in der Mitte aufreißen. Alas letzte Hoffnung ist eine noch ausstehende Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof.

"Das sieht nicht gut aus", tönt die israelische Liedermacherin Chava Alberstein auf hebräisch aus Alas Autoradio. Der junge Palästinenser, der wie etwa die Hälfte der Leute aus Beit Safafa die israelische Staatsbürgerschaft hat, hört am liebsten "Galatz", den Armeesender. Geschickt lenkt er sein Fahrzeug den Hügel bergauf zu den neuen Mehrfamilienhäusern von Beit Safafa, die vorwiegend von christlichen Familien bewohnt werden. "Wir sind hier südlich der Autobahn", erläutert er. Die Kirche liegt, genau wie die Moschee und die meisten Läden, nördlich vom "Begin Highway". Beim Besuch von Geschäften, Schulen und Verwandten werden den Bewohnern nach Fertigstellung der Verkehrsader erhebliche Umwege abverlangt.

Nutznießer der Besatzung

Gut "1.800 Meter", sagt er, sind es, die sich der aufgehäufte Schutt und Sand hinter Absperrungen zu beiden Seiten durch "das Dorf" zieht, wie er Beit Safafa nennt. Obschon es formal ein Wohnviertel Jerusalems ist, herrscht in Beit Safafa mit seinen rund 10.000 Einwohnern eine deutlich gemütlichere, ländlichere Atmosphäre als in der angrenzenden Stadt. Die engen Straßen sind zum Teil einspurig, was die Autofahrer immer wieder zum Anhalten zwingt, damit einer am anderen vorbeikommt. Oft kommt es dann zu einem kurzen Plausch oder Austausch von Freundlichkeiten.

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Selbst in den schwierigsten Phasen der Intifada, des Aufstandes der Palästinenser, blieben die Bewohner von Beit Safafa stets friedlich, was mit daran liegen mag, dass das Ort in gewisser Weise Nutznießer der Besatzung ist. Nach dem Sechstagekrieg wurde das Dorf, das der israelische Unabhängigkeitskrieg 1948 geteilt hatte und dessen größerer Teil bis 1967 unter jordanischer Besatzung stand, wieder vereint. Nach 1967 zogen einige Christen aus Nazareth und Jaffa in das Dorf, wo heute sogar eine Handvoll jüdischer Familien mitten unter den Arabern lebt.

Niemand habe noch damit gerechnet, meint Ala, dass die Stadtverwaltung von Jerusalem die aus dem Jahr 1990 stammenden Pläne für die Autobahn noch umsetzen würde. Ursprünglich habe man einen Tunnel bauen wollen, aber der wäre die Stadt wohl zu teuer gekommen, vermutet der Kunsthandwerker. Da sei es schon billiger, "unser Land zu konfiszieren", sagt er. Auch wenn es für die Leute von Beit Safafa bedeutet, dass sie künftig mit dem Auto zum Gebet fahren zu müssen.