Richard Wagner (1813-1883) war nicht nur ein begnadeter Komponist, sondern auch ein politischer Wirrkopf. Allein durch einen Umsturz glaubte er seine "Zukunftsmusik" durchsetzen zu können. 1849 wurde Wagner nach der Dresdener Mairevolution aus Deutschland verbannt - es dauerte elf Jahre, bis er zumindest eine Teilamnestie erreichte. Im August 1860 kehrte der Künstler erstmals wieder in sein Heimatland zurück. Die erste Nacht verbrachte er im beschaulichen hessischen Taunusstädtchen Bad Soden, wo seine Frau Minna zur Kur weilte.
Haus wurde um 1845 gebaut
Jung war einer der vielen Sodener, die Zimmer an Kurgäste vermieteten. Das Haus "Saxonia" hatte er um 1845 neben der evangelischen Kirche bauen lassen. Es grenzt an den Quellenpark, den zweiten Kurpark der Stadt. "Die Quellen fließen mir bei der Nase vorbei", schrieb Minna Wagner. Ihr Mann traf am 12. August 1860, einem Sonntag, in Bad Soden ein und blieb rund 24 Stunden. Die herbeigerufene Kurkapelle unter Leitung von Ferdinand Pöpperl spielte ein Ständchen. Der berühmte Tonsetzer, der sein markantes dunkelgrünes Samtbarett auf dem Kopf trug, dankte mit einer Ansprache.
###mehr-artikel###Bei der Zimmersuche für Wagner gab es allerdings Probleme. Minnas Quartier war laut zeitgenössischen Berichten voll belegt, so dass man den Komponisten im Nachbargebäude untergebracht habe. Dieser Umstand nun führte zu einem bis in die Gegenwart andauernden Streit - das Haus "Saxonia" bestand wohl von Anfang an aus zwei getrennten Teilen, die jeweils für sich in Anspruch nahmen, Wagner beherbergt zu haben. So gibt es heute zwei Gedenktafeln, die im Abstand von nur wenigen Metern an den Besuch vom August 1860 erinnern - die eine wurde 1902 angebracht, die andere in den 1970er Jahren.
Zweck von Wagners einwöchigem Deutschlandaufenthalt 1860 war übrigens ein Treffen mit Augusta, der Frau des späteren Kaisers Wilhelm I. - sie hatte sich für die Amnestierung des Künstlers eingesetzt. Über Frankfurt reiste Wagner mit seiner Frau weiter nach Baden-Baden, wo er die Kronprinzessin traf. Danach fuhr er über Köln wieder nach Paris. Nationalgefühle hatte der einstige Revolutionär bei seiner Rückkehr in die Heimat kaum empfunden. Von Ergriffenheit habe er "nicht das mindeste verspürt", schrieb er. Seinen Freund Franz Liszt ließ er wissen: "Glaub' mir, wir haben kein Vaterland!"
###mehr-info###Doch schon ein Jahr später kam Wagner erneut nach Bad Soden, wo Minna zum zweiten Mal zur Kur abgestiegen war. "Ich verweilte hier höchst beschwerliche zwei Tage", schrieb er über den Aufenthalt Anfang August 1861. Grund war die dauernde Ehekrise der Wagners. Vermutlich übernachtete der Komponist wieder im Haus "Saxonia" - in welcher Hälfte, muss offenbleiben. Besondere Eindrücke nahm er nicht mit. "Im Ganzen hasse ich den Aufenthalt in Bädern", schrieb er an Minna. Diese wiederum behielt die harten Betten in Erinnerung: "Ich fühle meine Rippen noch immer, wenn ich nur daran denke."