Marke Luther: In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen bekommen immer mehr historische Stätten Zusatznamen, um für den Besucher deutlich zu machen, dass hier Reformationsgeschichte mitgeschrieben wurde. Deutsche und internationale Gäste bewegen sich zunehmend auf den Spuren Luthers, dessen Thesenanschlag an die Wittenberger Schlosskirche sich der Überlieferung zufolge 2017 zum 500. Mal jährt. Die Geburtsstunde der evangelischen Kirche wird für Protestanten ein geistliches Event, für den Tourismus entwickelt sich der Fokus immer mehr zur Einnahmequelle. Am Mittwoch wollte sich auch der Bundestags-Tourismusausschuss mit dem Thema befassen.
###mehr-artikel###Hoch im Kurs bei Gästen stehen vor allem Orte, die schon immer mit Luther und seinen Weggefährten in Verbindung standen. So hat die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt 2012 in ihren beiden wichtigsten Museen einen Besucheranstieg verzeichnet. In das Wittenberger Lutherhaus als traditionell größtem Anziehungspunkt kamen mehr als 79.000 Interessierte, das waren 2,7 Prozent mehr als im Jahr davor. Eine Erhöhung von 6,4 Prozent gab die Stiftung für das Geburtshaus des Reformators in Eisleben an. Dort kletterte die Anzahl der verkauften Tickets auf über 21.000.
Zur Entwicklung des spirituellen Tourismus in der Lutherdekade liegen für Sachsen-Anhalt kaum konkrete Zahlen vor, umso mehr weisen indirekte Belege durchaus auf eine gestiegene Resonanz hin. Die Investitions- und Marketinggesellschaft des Landes sieht als wichtigen Indikator die Steigerungsraten an der kulturtouristischen Route "Straße der Romanik" in Sachsen-Anhalt, die vor 20 Jahren eröffnet wurde. 1995 hatte der Landestourismusverband dort 840.000 Interessierte gezählt. Mittlerweile sind es doppelt so viele: Im vergangenen Jahr waren es 1,61 Millionen Menschen, die an den 80 Klöstern, Kirchen, Burgen, Schlössern und Gartenanlagen der Route registriert wurden.
Nachbarländer schließen sich an
Zwar bestehen für den Lutherweg in Sachsen-Anhalt keine Angaben über Besucherströme, aber für den Präsidenten der Lutherweg-Gesellschaft, Kirchenrat Jürgen Dittrich, ist er bereits eine Erfolgsgeschichte. Zur Eröffnung im Dezember 2008, nur drei Monate nach Start der bundesweiten Lutherdekade in Wittenberg, maß die Strecke in Sachsen-Anhalt gut 400 Kilometer. Inzwischen wuchs die Gesamtroute auf 900 Kilometer an, weil sich auch Nachbarländer angeschlossen haben. Und in Sachsen-Anhalt erhöhte sich die Anzahl der Pilgerherbergen an der Strecke auf jetzt fünf. Zur Eröffnung gab es nur eine Unterkunft.
Auch in Leipzig ist die Lutherdekade in der Tourismusbranche ein "Riesenthema", wie der Sprecher der Leipzig Tourismus + Marketing GmbH, Andreas Schmidt, sagt. Drei große Interessen gebe es bei Leipzig-Besuchern: "Die Kunst der Neuen Leipziger Schule, die friedliche Revolution und Luther." Mit der Lutherdekade will die evangelische Kirche auf das Jubiläum 2017 hinweisen; jedes Jahr der Dekade steht unter einem bestimmten Thema.
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Im Jahr 2012 zählte die sächsische Messestadt, die mit der Thomaskirche und der Musik Johann Sebastian Bachs Mittelpunkt des Themenjahrs "Reformation und Musik" stand, 2,48 Millionen Übernachtungen auswärtiger Gäste. Das entsprach einem Zuwachs von mehr als 13 Prozent, Tendenz im ersten Quartal 2013 weiter steigend. "Auch wenn Hotelgäste nicht gefragt werden, warum sie kommen, hat der Anstieg sicher etwas mit der Lutherdekade zu tun", ist sich Schmidt sicher.
Die Thüringer Tourismus GmbH kann die Verbindung sogar belegen. In der Reiseanalyse 2011, der jährlich größten repräsentativen Untersuchung des Urlaubsverhaltens der Deutschen, gab es ein "Sonderthema Thüringen". Dabei wurde nach dem Interesse der Deutschen an Themen der Reformation gefragt und ob dies sogar das Reiseinteresse nach Thüringen weckt. Ergebnis der Hochrechnung: Bei rund 26 Millionen Deutschen ist ein grundsätzliches Interesse vorhanden.
70 Prozent von ihnen, das sind rund 18 Millionen, können sich sogar vorstellen, dass dies ein Anlass für eine Reise nach Thüringen wird, vor allem zu historischen Stätten wie der Wartburg, wo Luther die Bibel übersetzte. Das Interesse an Luther übersteigt momentan damit sogar das Interesse am Freistaat allgemein, schlussfolgern die Tourismusexperten.