Die Ambivalenz in der Wirkungsgeschichte der reformierten Bekenntnisschrift werfe ein wichtiges Licht auf das heutige Staat-Kirche-Verhältnis, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Samstag in Heidelberg. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, würdigte den Katechismus als Bekenntnis, "das keine Dogmatik verordnete, sondern argumentierte und versuchte zu überzeugen".
###mehr-artikel###Kirchen und Religionen seien wichtige Gestaltungskräfte der Gesellschaft und würden staatlichem Handeln bedeutsame Impulse für das gesellschaftliche Miteinander geben, wie Kretschmann sagte. Wichtig sei, "dass der Staat die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften erkennt und würdigt, sich aber einer Bewertung der Religion enthält". Die Erfahrungen des Katechismus zeigten, dass Staat und Religion nicht ineinander aufgehen dürfen.
Mit einem Glauben, der das Verstehen sucht, wollte der Katechismus "im Kontext der Universität ebenso bestehen wie in der persönlichen Seelsorge", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Schneider. Ohne Zwang und Gewalt, allein mit dem Wort und dem guten Argument sollte der Glauben vermittelt werden, betonte Schneider. "In der Zuordnung von Macht und Glaube haben wir eine lange und schmerzhafte Lerngeschichte hinter uns." Die Geschichte habe zu der Erkenntnis geführt, "dass nur die Macht des Geistes und nicht die Macht des Schwertes den Streit um die theologische Wahrheit prägen darf".
###mehr-info###Die wichtigste Wirkung des Katechismus liege in der Zuspitzung christlicher Glaubenslehre auf existenzielle Fragen der Menschen, sagte der badische Landesbischof Ulrich Fischer. Mit der Antwort auf die erste Frage "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" entfalte der Katechismus "die gesamte Macht des Glaubens, die unser Leben trägt".
Fischer hob den positiven Einfluss hervor, den reformierte Glaubensflüchtlinge aus Westeuropa in die Kurpfalz gebracht hätten. Mit der späteren Union von Lutheranern und Reformierten 1821 und dem Bemühen um einen Konsens über konfessionelle Grenzen hinweg habe Baden "räumlich und inhaltlich das Erbe des Heidelberger Katechismus angetreten", betonte der Landesbischof.
Der Katechismus habe die Welt verändert, sagte Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos). Er betonte, dass die Menschen vor rund 400 Jahren mit ähnlichen Problemen konfrontiert waren wie heute. "Auch sie erlebten ihre Zeit als Umbruch und Krise, beispielsweise durch die zunehmende Bedeutung der Medien infolge des Buchdrucks oder die Häufung von Naturkatastrophen", sagte Würzner. Die Bedeutung und das politische Vermächtnis des Katechismus würden in der Toleranz im Sinne von Akzeptanz auch anderer Auffassungen liegen.
Die 1563 in Heidelberg veröffentlichte Bekenntnisschrift wurde weltweit verbreitet, in 40 Sprachen übersetzt und ist bis heute die bedeutendste Schrift der reformierten Kirche. Die viertägigen Feierlichkeiten enden am Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst. Das Festwochenende wurde am Donnerstag mit einem von der ARD übertragenen Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt eröffnet. Von Sonntag an ist die große Ausstellung "Macht des Glaubens" im Kurpfälzischen Museum und im Schloss zu sehen.