In Bangladesch ist eine Frau 17 Tage nach dem Fabrikeinsturz lebend aus den Trümmern geborgen worden. Rettungsteams fanden die Frau am Freitag unter den Überresten des Rana-Plaza-Hochhauses, als sie um Hilfe rief, wie der britische Sender BBC berichtete. Sie trug keine schweren Verletzungen davon. Zuvor hatten Feuerwehr und Militär weitere Leichen gefunden. Die Zahl der Toten stieg somit auf über tausend. Damit handele es sich um das weltweit schwerste Unglück in der Textilindustrie, berichtete die Tageszeitung "Times of India". Weitere Opfer werden befürchtet.
Wieviele Menschen sich in dem achtstöckigen Gebäude in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka zum Zeitpunkt des Unglücks am 24. April aufhielten, ist immer noch nicht klar. In dem Hochhaus, das bereits Risse aufwies, waren mehrere Textilfabriken untergebracht, mit vermutlich 3.000 Beschäftigten, vor allem Frauen. Neun Personen, darunter die Eigentümer des Gebäudes, wurden inhaftiert. Sie hatten offenbar ohne Genehmigung weitere Stockwerke errichten und schwere Maschinen aufstellen lassen. Mehr als 2.500 Menschen überlebten den Einsturz mit Verletzungen.
"Warum wurde dort für KiK produziert?"
Das Unglück brachte auch westliche Markenfirmen in die Kritik, die in Bangladesch Textilien herstellen lassen. Mehr als eine Million Menschen unterzeichnete einen Aufruf von Gewerkschaften und Initiativen an Handelskonzerne, bis zum 15. Mai einem Gebäudeschutzabkommen in Bangladesch beizutreten. "Menschen weltweit haben eine klare Nachricht an Markenfirmen wie C&A, KiK, H&M, Mango, Primark, GAP, Benetton, JC Penney und Wal-Mart geschickt", sagte Frauke Banse von der "Kampagne für Saubere Kleidung". Die Sicherheitsstandards müssten sofort und dauerhaft verbessert werden, um weitere Tragödien zu verhindern.
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Der deutsche Textildiscounter KiK erklärte dem Evangelischen Pressedienst (epd), seit 2008 keine direkten Beziehungen mehr zu Fabriken im Rana-Plaza-Gebäude zu haben: "Unsere zwischenzeitlichen Nachforschungen haben jetzt ergeben, dass indirekt über einen unserer Importeure bis Anfang dieses Jahres dort produziert wurde." Zum Zeitpunkt des Unglücks seien aber alle KiK-Waren bereits verschifft gewesen, der Importeur habe keine neuen Aufträge gehabt. "Trotzdem müssen wir jetzt kritisch und mit aller Konsequenz hinterfragen: Warum wurde dort indirekt für KiK überhaupt produziert?"
Kontrollsysteme einzelner Unternehmen könnten nicht zu 100 Prozent vor Ort greifen, erklärte eine KiK-Vertreterin. Auf die Frage, ob sich die Firma an Hilfen für die Überlebenden und Angehörigen von Opfern beteiligen wird, sagte sie: "Wir stehen zu unserer Verantwortung und nehmen auch den betroffenen Importeur mit in die Verantwortung, um Ort schnell und gezielt zu helfen."
Vier Millionen Menschen in Textilinsdustrie beschäftigt
Inzwischen ließ die Regierung 18 Textilfabriken wegen Baumängeln schließen. Der Brand in einer elfgeschossigen Textilfabrik in Dhaka am späten Mittwochabend war nach Angaben der Behörden dagegen nicht auf Sicherheitsmängel zurückzuführen. Dabei waren mindestens acht Menschen gestorben, vor allem durch Panik, Rauch und giftige Gase. Unter den Opfern ist auch der Direktor der Fabrik.
Der Bangladescher Ökonom und Friedensnobelpreisträger, Muhammad Yunus, bezeichnete das Unglück als "Symbol unseres Scheiterns als eine Nation". Regierung und Bürger müssten bei Reformen zusammenarbeiten. Der Mikro-Kredit-Pionier bat internationale Markenfirmen, Bangladesch nicht zu verlassen, sondern die Arbeiterinnen von Subunternehmern de facto als eigene Angestellte zu betrachten.
Bangladesch ist einer der größten Textilhersteller der Welt. Kleidung und Wäsche machen rund 80 Prozent des Exports aus. Der Wert beläuft sich auf jährlich 20 Milliarden US-Dollar, die Branche beschäftigt vier Millionen Menschen.