Georgiana will später mal Polizistin werden. Ein erstaunlicher Wunsch für ein achtjähriges Roma-Mädchen im siebenbürgischen Hermannstadt (Sibiu). Sie erlebt häufig, wie bettelnde Straßenkinder aus ihrer Nachbarschaft in Konflikt mit den Ordnungshütern kommen. Doch Georgiana verbringt ihre Tage nicht auf der Straße, sondern im "Offenen Haus" der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde - gemeinsam mit 19 anderen Kindern. Dass diese diakonische Arbeit finanziert werden kann, ist nicht zuletzt der evangelischen Initiative "Hoffnung für Osteuropa" mit Sitz in Stuttgart zu verdanken.
Rumänische Roma-Kinder erleben bereits in der Schule Diskriminierung. Manche von ihnen leben mit ihrer zehnköpfigen Familie in einem einzigen Raum, fließend Wasser steht nicht immer zur Verfügung, warmes Wasser fast nie. In der diakonischen Einrichtung können die jungen Menschen duschen und ihre Kleider waschen lassen.
"Alle Kinder haben Verhaltensauffälligkeiten", sagt die Leiterin des "Offenen Hauses", Monika Brandsch. Deshalb gibt es seit vergangenem Herbst eine Therapiegruppe mit zwei Psychologen. Die Eltern motivieren nur selten zum Schulbesuch. Eine Mutter, die weder lesen noch rechnen gelernt hat, verstehe oft nicht, wozu die Kinder das brauchten, sagt die Sozialarbeiterin.
Keine staatliche Förderung
Im "Offenen Haus" erhalten die Mädchen und Jungen kostenlos ein Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Anregungen zum gemeinsamen Spiel. 55.000 Euro braucht die Einrichtung dafür pro Jahr - vom Staat bekommt sie nichts. Dafür müsste sie den Status einer Stiftung oder eines Vereins haben. Die staatliche Förderung eines Arbeitszweiges der Kirchengemeinde sieht das rumänische Recht nicht vor.
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Armut ist in dem südosteuropäischen Land weit verbreitet. Der Durchschnittslohn liegt zwischen 300 und 350 Euro. Die Sozialausgaben lagen 2011 prozentual niedriger als bei jedem anderen EU-Mitglied - und Bukarest arbeitet weiterhin mit dem Rotstift. Im vergangenen Jahr mussten die Ämter die Vorgabe umsetzen, die Zahl der Empfänger von Sozialleistungen um 100.000 zu reduzieren.
Das alles geht einher mit einer überbordenden Bürokratie. Davon berichten die Betreiber eines evangelischen Altenheims in Hetzeldorf (Atel) bei Mediasch. Um an Zuschüsse aus dem Arbeits- und Sozialministerium zu kommen, müssen sie alle drei Jahre einen Antrag im Umfang von 90 Seiten stellen.
Andere Rumänen berichten von unglaublichen Kontrollen: Ein Blinder müsse jährlich nachweisen, dass er nichts sehen kann. Eine Frau mit einer verkrüppelten Hand, an der drei Finger fehlen, müsse jedes Jahr beim Amt vorzeigen, dass die Gliedmaßen inzwischen nicht nachgewachsen sind.
Frustrierende Erfahrungen
Um die diakonische Arbeit der Konfessionen besser zu koordinieren und auch die Fördertöpfe der Europäischen Union anzuzapfen, baut die junge katholische Betriebswirtin Zsuzsa Laszlo in Klausenburg (Cluj) ein Netzwerk zur Projektentwicklung auf. Ihr Start war allerdings von frustrierenden Erfahrungen geprägt. "Ich empfehle derzeit keine EU-Projekte", sagt sie. Der Grund dafür liege am Unvermögen der rumänischen Bürokratie, die entsprechenden Gelder zu beantragen. Gemeinnützige Einrichtungen leiden aber auch unter der verzögerten Auszahlung zugesagter Gelder. Dadurch müssten sie Personal- und Sachkosten selbst vorfinanzieren, was in Einzelfällen bereits zum Ruin geführt habe, sagt Zsuzsa Laszlo.
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Eine medizinisch-soziale Beratungsstelle betreibt die rumänisch-orthodoxe Kirche in einer riesigen Plattenbausiedlung in Klausenburg. Motor ist die orthodoxe Nonne und Apothekerin Mavra Mirela Epure. Hier bekommen soziale Härtefälle eine kostenlose ärztliche Untersuchung, Medikamente, aber auch Hilfen im Umgang mit Behörden sowie Suchtberatung. Die Nonne hat inzwischen ein Netz in der ganzen Stadt gesponnen, in dem sich ehrenamtliche Helfer, darunter auch Mediziner, verbinden.
Der orthodoxe Theologieprofessor Radu Preda nennt diesen Verbund die "Mafia des Guten". So kommen bedürftige Patienten ärztliche Hilfe, ohne die üblichen 50 Euro an Bestechungsgeld mitbringen zu müssen.