Foto: epd-bild/Benajmin Dürr
Precious, eine freiwillige Sozialarbeiterin der Entwicklungshilfeorganisation "Sonke" verteilt Kondome in einem armen Vorort-Viertel von Johannesburg. Die Mitarbeiter der Organisation gehen hier von Tür zu Tür, sprechen gezielt Jungen und Männer an: Aus gewalttätigen Familienoberhäuptern sollen fürsorgliche Väter und Brüder werden. Die Umerziehung ist ein neues mittel im Kampf gegen Vergewaltigung, häusliche Gewalt und HIV.
Die Zähmung der Männer
In Südafrika rüttelt ein Hilfswerk an alten Rollenbildern: Aus Rambos sollen fürsorgliche Väter werden. Die Umerziehung gilt als neuer Schlüssel im Kampf gegen Vergewaltigung, häusliche Gewalt und HIV.
09.05.2013
epd
Benjamin Dürr

Vier Mal klopft Precious an die Tür. Durch den Spalt schaut eine junge Frau. Ob ihr Mann zu Hause sei, fragt Precious. Aus dem Dunkel taucht nach ein paar Minuten ein Mann mit kleinen Augen auf. Wie viele Kinder er habe, fragt die Sozialarbeiterin. Wer sich um sie kümmere. Es ist Donnerstagmittag in Yeoville, einem Armenviertel bei Johannesburg, und die Sozialarbeiterin Precious zieht mit ihrem Kollegen Frank durch die Straßen.

Sie klopfen an die Türen und wollen mit den Männern sprechen. Statt sich im Kampf gegen ungewollte Schwangerschaften, sexuelle Gewalt und HIV nur an Frauen zu richten, werden in Südafrika Jungen und Männer mit einbezogen. Die Entwicklungshilfe-Organisation "Sonke" schickt Freiwillige wie Precious in die Townships, um Männer aufzuklären: dass sie ihre Frau nicht zum Sex zwingen sollen, wie man ein guter Vater wird, wie man ein Kondom benutzt.

Kondome und ein Comic-Heft

Precious gibt dem Mann ein Flugblatt mit zehn Tipps, was man als Vater tun sollte. An der nächsten Tür öffnet wieder eine Frau, 15 Menschen wohnen in der Drei-Zimmer-Wohnung. Die Sozialarbeiterin, die wie viele Ehrenamtliche nur beim Vornamen genannt wird, überreicht drei Päckchen Kondome und ein Comic-Heft für die Kinder. An der dritten Tür öffnet ein junges Paar.

15 Freiwillige ziehen in Teams durch das Viertel. Arbeitslosigkeit und Alkoholkonsum sind verbreitet, es gibt viele Ausländer. Die Ehrenamtlichen kennen die Umgebung, sie sind im Hauptberuf Polizisten, Studenten oder Hausfrauen. Auch mit dem Teufelskreis der Gewalt sind sie vertraut: Aus Frust über Arbeitslosigkeit und Armut fangen die Männer an zu trinken, ihre Kinder zu schlagen, die Frauen zu drangsalieren und zum Sex zu zwingen.

Vater-Kind-Nachmittage

Bisher habe man sich vor allem um die Opfer gekümmert, sagt Dean Peacock, der "Sonke" im Jahr 2006 gegründet hat. "Um Probleme wie häusliche und sexuelle Gewalt in den Griff zu bekommen, muss man aber auch die Rolle der Männer hinterfragen." Besonders in traditionellen Gesellschaften in Entwicklungsländern herrsche ein veraltetes Bild von Männlichkeit, erklärt Peacock: "Männer müssen Stärke zeigen, das letzte Wort haben, die Frau dominieren, mit vielen Partnerinnen geschlafen haben, sie dürfen nicht um Hilfe fragen."

Dieses Männerbild versucht die Organisation zu ändern: Normalerweise kümmern sich in afrikanischen Ländern Frauen um die Kinder - in den Townships organisiert "Sonke" dagegen Vater-Kind-Nachmittage. In Workshops werden Männer über HIV und Aids aufgeklärt, Kampagnen von Tür zu Tür sollen so viele Familien wie möglich erreichen.

###mehr-artikel###"Probleme wie HIV und sexuelle Gewalt kann man nur ernsthaft bekämpfen, wenn man die Männer mit einbezieht", sagt der "Sonke"-Chef. Aber in der Praxis sind solche Ansätze neu. Die Niederlande sind einer der größten staatlichen Geldgeber, die Männer-Projekte in Entwicklungsländern wie "Sonke" fördert. In diesem Jahr will Den Haag 8,8 Millionen Euro dafür ausgeben.

Projekte wie Vater-Kind-Nachmittage könnten sinnvoll sein, um das Bild von Männlichkeit langfristig zu verändern, sagt Kopano Ratele, Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften in Pretoria. "Je früher man Jungen sagt, sie müssten an der Beziehung zwischen den Geschlechtern etwas ändern, desto wahrscheinlicher ist ein gesellschaftlicher Wandel."

"Ein bestimmtes Männerbild ist in uns allen tief verankert"

Gleichzeitig müsse sich aber auch im Sozialsystem und im Gesundheitswesen etwas ändern, sagt Ratele. "Es gibt Geschichten von Männern, die mit ihren Kindern zum Impfen gehen und wieder weggeschickt werden mit der Frage, wo denn die Mutter sei."

In Yeoville klopfen die Mitarbeiter an die letzten Türen an diesem Tag. Meist sind die Menschen offen für ein Gespräch. "Manche Männer wissen nicht einmal, wie sie ein Kondom benutzen müssen", sagt Sozialarbeiterin Precious. Manchmal seien die Leute zu verklemmt, um das Päckchen Präservative anzunehmen. "Andere sagen, wir würden für Prostitution werben", sagt Precious. Es sei nicht so einfach, sagt sie. "Ein bestimmtes Männerbild ist sehr tief verankert - in uns allen."