Foto: Michael Lenz
Mit einem Gebetsmarathon beteten protestantische Christen vor der Wahl in ganz Malaysia für ehrliche und saubere Wahlen. Bei der Gebetssession in Kota Kinabalu im malaysischen Borneostaat Sabah kamen Malaysias Flagge und biblische Schofarhörner zum Einsatz.
Malaysia: Wahl mit ungewissen Folgen
Im Vorfeld der malaysischen Wahlen hat die Regierungskoalition Barisan Nasional (BN) sich als Verteidiger des Islam profiliert - auf Kosten anderer religiöser Gruppen. In der Wahl hat die BN einige Wähler verloren, bleibt aber dennoch an der Macht.

"Gott ist gut. Beide wurden rausgeschmissen", jubelt Chrisanne Chin. Die Freude der jungen malaysischen Christin, Vorstandsmitglied der Dachverbands der protestantischen Kirchen Council of Churches of Malaysia (CCM), gilt der Wahlniederlage von Zulkifli Noordin und Ibrahim Ali bei den malaysischen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag. Die beiden radikalen islamischen Politiker waren von der Partei United Malays National Organisation (UMNO), der dominierenden Partei in der Regierungskoalition Barisan Nasional (BN) als Verteidiger von Islam und der Vormachtstellung der Malaien aufgestellt worden. Die Malaien sind größte ethnische Gruppe Malaysias und müssen laut Verfassung dem Islam angehören.

Zulkifli Noordin hatte sich in den vergangenen Jahren einen Namen als Gegner der indischstämmigen Malaysier und des Hinduismus gemacht. Dabei schreckte er nicht vor Gewaltaktionen zurück, wie der zu trauriger Berühmtheit gelangte Kuh-Kopf-Fall zeigt. Aus Protest gegen einen indischen Tempel in Shah Alam trampelten seine Anhänger im August 2009 auf einem blutigen Kuhkopf herum. Kühe gelten Hindus als heilige Tiere. Ibrahim Ali hingegen, dessen Berater Malaysias graue Eminenz und Ex-Premierminister Mohamed Mahatir ist, ist der Scharfmacher gegen Christen. Erst vor wenigen Wochen hatte der Vorsitzende der extremen malaiisch-islamischen Organisation Perkasa zu Bibelverbrennungen aufgerufen.

Wahlverlierer mit Regierungsauftrag

Ob mit der Wahlniederlage von Zulkifli Noordin und Ibrahim Ali die Politisierung der Religion in Malaysia beendet ist, kann angesichts des Wahlergebnisses bezweifelt werden. Die BN hat zahlenmäßig mit 133 der 222 Parlamentssitze die Wahl gewonnen und kann weitere fünf Jahre regieren. Ansonsten hat die BN wenig Grund zur Freude. Sie musste im Vergleich zur letzten Wahl 2008, in der sie bereits ihre Zweidrittelmehrheit einbüßte, den Verlust von weiteren Sitzen hinnehmen. Unter den Verlierern waren auch einige Minister und enge Berater von Premierminister Najib Razak. Weitere Schmach: erstmalig seit 56 Jahren ist nicht die BN die Gewinnerin des Popular Vote, sondern mit über 51 Prozent der Stimmen die Oppositionskoalition Pakatan Rakyat (PR).

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Die Wahl hat Malaysias Spaltung offengelegt: Stadt gegen Land; konservative muslimische Malaien gegen multikulturelle Malaysier. In den urbanen Zentren ist die PR stärkste politische Kraft. Während die BN sich auf dem Land behaupten konnte. Damit ist zunächst die Rechnung der BN aufgegangen. Im Kampf um die Stimmen der konservativen Muslime malte die BN eine Bedrohung des Islam als offizielle Religion Malaysias durch einen Umsturzplan der Christen an die Wand. Erschreckender Höhepunkt dieser Kampagne war ein BN-Wahlplakat, das wenige Tage vor der Wahl auftauchte.

Wahlkampf mit Allah

Auf dem Plakat wurden die Kirchen als "Verdränger Allahs" diffamiert. Das Plakat zeigte zwei Kirchen und dazu den Text: "Wenn wir es zulassen, dass das Wort Allah in Kirchen benutzt wird (...) ist das der Ausverkauf unserer Religion, Rasse und Nation (...) Wählt zum Schutz von Religion, Rasse und Nation Barisan Nasional." Malaysias Regierung hatte nach dem Verlust der Zweidrittelmehrheit 2008 den Christen des Landes verboten, in Bibeln in der Landessprache Bahasa Malaysia, Allah als das arabische Wort für Gott zu benutzen, wie es seit der ersten Bibelübersetzung in malaiischer Sprache vor 400 Jahren unbeanstandet üblich war. Die Botschaft war klar: wer die Oppositionskoalition aus Anwar Ibrahims Volksgerechtigkeitspartei, der chinesisch dominierten, sozialdemokratischen Aktionspartei und der  islamischen PAS wählt, die den  Exklusivitätsanspruch der BN auf Allah für Unsinn hält und für die Gleichheit der ethnischen Gruppen eintritt, der ist ein Verräter des Islam.

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In den Tagen danach wurden die Töne noch schriller. Mahatir warnte am vergangenen Samstag die Wähler "zum Schutz der Ehre des Islam und der Zukunft des Landes", ihre Stimmen der islamischen Partei PAS zu geben. Hardliner Hasan Ali prophezeite eine "Judisierung" (Jewification) der Wirtschaft. Die Opposition werde im Falle eines Wahlsiegs unverzüglich den Handel mit Israel aufnehmen. Ein absurder Vorwurf angesichts der Fakten. Zwar unterhält Malaysia aus Solidarität mit den Palästinensern keine diplomatischen Beziehungen mit Israel, gleichwohl lag 2010 Israel auf Platz 15 der wichtigsten Handelspartner Malaysias.

Chinesischer Tsunami versus nationale Versöhnung

Wenig Gutes lässt auch der rassistische Tonfall von Premierminister Najib Razak erwarten, der am Montag nach der Wahl einen "chinesischen Tsunami" für das schlechte Abschneiden der BN verantwortlich machte. Mit großer Mehrheit hatte die chinesische Minderheit der BN den Rücken gekehrt. Reverend Eu Hong Seng, Vorsitzender des Dachverbands der Kirchen Malaysias, der Christian Federation of Malaysia (CFM) widerspricht Najib. "Das Wahldebakel der BN hat nicht so sehr mit den Chinesen zu tun, sondern mit der Spaltung Malaysias in wohlhabende urbane Regionen und dem weniger entwickelten ländlichen Regionen sowie der Politik des Geldes."

Die Wahl hat zwei klare Ergebnisse gebracht: die Zeiten der Herrschaft einer Partei sind vorbei, ein Zweiparteiensystem ist etabliert. Das Volk will einen Wechsel, weg von Korruption, weg von Vetternwirtschaft, weg von einer Politik, die auf rassischen Kriterien im multiethnischen Malaysia basiert.

Schwarze Facebookprofile

Die Reaktion der Oppositionsanhänger auf das Wahlergebnis ist gespalten. Einerseits ist Chrisanne Chin traurig darüber, dass so viele ihrer Facebookfreunde am Montag aus Trauer über die Wahlniederlage ihre Facebookprofile geschwärzt hätten. Andererseits sagt sie: "Das Wahlergebnis ist viel besser als erwartet. Es war auf jeden Fall besser als 2008, obwohl die von der Regierung kontrollierten Medien die rassistischen und religiösen Dinge hochgespielt und so Angst erzeugt haben."

Wohin die politische Reise Malaysias geht, ist aber nach der Wahl offen. Hardliner mögen abgewählt worden sein. Aber auf beiden Seiten des politischen Spektrums erlitten auch Reformer dieses Schicksal. Dann wiederum gab es Wahlkreise, in den reformorientierte Politiker der BN beachtliche Siege einfuhren. Die vielleicht ehrlichste Analyse des Wahlausgangs lieferte am Montag Khairy Jamaluddin, Abgeordneter und einflussreicher Vorsitzender der UMNO-Jugend: "Was wir gestern bekommen haben war ein Aufschub. Wenn die BN nicht den Wechsel bringt, den das Volk verlangt, dann ist es für uns bei der nächsten Wahl aus." Ob das die alten, wichtigen Kräfte in der UMNO auch so sehen, oder einen noch konservativeren, noch islamischeren Kurs einschlagen und damit Christen und Hindus noch stärker unter Druck setzen werden, bleibt abzuwarten.

Mit Skepsis ist jedenfalls der Aufruf von Premierminister Najib zur "nationalen Versöhnung" aufgenommen worden. Der weckt Erinnerungen die Kampagne "1Malaysia", die Najib als Nachfolger des über der Wahlschlappe von 2008 gestürzten Premierministers Abdullah Badawi zur Versöhnung der ethnischen Gruppen gestartet hatte. Nur um dann den Hetzkampagnen von malaiisch-islamischen Rassisten wie Zulkifli Noordin, Hasan Ali oder Ibrahim freien Lauf zu lassen. Über den neuerlichen Versöhnungsappell sagt Eu Hong Seng nur knapp: "Die Zeit wird zeigen, ob das nur ein Scherz war."

Ende Mai steht der erste Testfall für die nationale Versöhnung an. Dann beginnt vor einem Gericht in Kuala Lumpur die nächste Runde im Allah-Streit. Die Katholische Kirche Malaysias hatte gegen das Allah-Verbot geklagt und den Prozess Ende Dezember 2009 gewonnen. Militante Muslime zündeten daraufhin Kirchen an und das Innenministerium legte Berufung gegen das Urteil ein. Religion bleibt in Malaysia ein Politikum.