Der Streit um Streik bewegt auch den Kirchentag. Die Gewerkschaften rücken nicht von ihrer harten Linie ab.
Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Der Streit um Streik bewegt auch den Kirchentag. Die Gewerkschaften rücken nicht von ihrer harten Linie ab.
Der Kirchentag streitet über das kirchliche Arbeitsrecht
Über das besondere kirchliche Arbeitsrecht wird weiter gestritten. Auf dem Hamburger Kirchentag blieben die Fronten zwischen ver.di und Kirche weitgehend verhärtet. Die Gewerkschaften hielten daran fest, für das Streikrecht bis zum Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Die Kirchenvertreter sahen aber eine "Annäherung in Zwischentönen", wie es Kirchentagspräsident Robbers formulierte.

Kirchentagspräsident Gerhard Robbers sah eine leichte Annäherung der verschiedenen Meinungen zum sogenannten Dritten Weg: Er habe eine "neue Nachdenklichkeit" bei ver.di gespürt, sagte Robbers am Samstag in Hamburg. Zuvor hatte er mit dem Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft, Frank Bsirske, über den Dritten Weg gestritten.

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Bsirske verteidigte dabei die Verfassungsbeschwerde seiner Gewerkschaft gegen ein Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts, das im vergangenen November den Sonderweg bei der Festlegung der Arbeitsentgelte für Mitarbeiter von Diakonie und Kirche grundsätzlich bestätigt hatte. Kirchenvertreter warben für ihr Arbeitsrecht, das sich über Jahrzehnte bewährt habe.

Beim kirchlichen Sonderweg im Arbeitsrecht werden Löhne zwischen Arbeitgebern und -nehmern in paritätisch besetzten Kommissionen ohne Beteiligung der Gewerkschaften ausgehandelt. Mit Verweis auf eine besondere christliche Dienstgemeinschaft sind Streiks und Aussperrungen ausgeschlossen. Die Kirchen berufen sich dabei auf ihr im Grundgesetz verankertes Selbstbestimmungsrecht.

Robbers sprach nun von einer "Annäherung in Zwischentönen". So habe ver.di-Chef Bsirske seinen Vorschlag, den Dialog mit vertiefenden Seminaren und Veranstaltungen zum Arbeitsrecht wie auch zu Glaubensgrundlagen fortzusetzen, positiv aufgenommen, sagte der Präsident des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentags.

Schneider: Gemeinsamkeiten zwischen Kirche und ver.di entdecken

Von einem "ersten kleinen Schritt" sprach auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. "Eigentlich ist doch mit den Gewerkschaften eine hohe Interessen-Identität da", sagte er. Es komme darauf an, dass ver.di und die Kirche ihre Gemeinsamkeiten entdeckten - im Interesse der Mitarbeiter. "Wir bewegen uns kräftig", sagte Schneider: "Wir wollen uns auch auf ver.di zubewegen." Er selber werbe darum, dass ver.di bei den arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirche ihr Know-how einbringen könne.

Der ver.di-Vorsitzende Bsirske unterstrich am Samstag auf dem Protestantentreffen, die Kirchen sollten nicht das Recht haben, auf dem Rücken der Beschäftigten Lohndumping zu betreiben und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Bereits am Abend zuvor hatte er betont, das Recht auf Streik sei "unteilbar und unverzichtbar". Arbeitskämpfe müssten uneingeschränkt auch bei Kirche und Diakonie möglich sein.

Bsirske bekräftigte die Ankündigung von DGB-Chef Michael Sommer, wegen des Streikrechts notfalls bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ziehen. Der Ratsvorsitzende sagte dazu später vor Journalisten, auch eine juristische Auseinandersetzung könne dazu beitragen, dass sich Kirchen und Gewerkschaften besser verstünden.

Beide Seiten könnten in Europa klagen

Kirchentagspräsident Robbers schloss nicht aus, dass die Kirchen ihrerseits den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen, falls ver.di ein generelles Streikrecht für Kirchenmitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht durchsetzen sollte. Der Staatsrechtsprofessor forderte die Gewerkschaften auf, wieder in den arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirche mitzuarbeiten. Zudem warb er dafür, dass beide Seiten gemeinsam neuen Ideen entwickeln, um die derzeitige "Verhärtung" aufzulockern.

Johannes Stockmeier, Präsident des Diakonie-Bundesverbandes, sagte auf einer Kirchentagsveranstaltung, gute und faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten erreichten Kirche und Diakonie auch ohne Streiks. Stockmeier warf ver.di "besonders ausgeprägten Dogmatismus" vor. Anstatt die Gerichte zu bemühen, solle die Gewerkschaft das Gesprächangebot der Diakonie annehmen, um gemeinsam nach Wegen zu suchen, die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts umzusetzen und den Dritten Weg unter Mitwirkung der Gewerkschaften zu modernisieren.