Foto: epd/Norbert Neetz
Überall in Hamburg ist Kirchentag - die blauen Schals hat schon jeder gesehen. Aber wie viel Glaube ist in der Stadt wirklich? Das will das Kunstprojekt "Faithbook" zeigen.
Gläubige Stadt? Das "Faithbook" will es wissen
Im Fußballstadion über Glauben sprechen, oder in einer Kneipe in St. Pauli: Das Kunstprojekt "Faithbook Hamburg" will den urbanen Raum der Hansestadt für Gespräche über Glauben nutzen. Auf dem Kirchentag kommen so Fremde an besonderen Orten zusammen.

40 Minuten Zeit. Egal ob im Bus, im Theater oder am Weltkriegsdenkmal: An 40 verschiedenen Orten kommen auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag jeweils zwei wildfremde Menschen zusammen, um beim Projekt "Faithbook Hamburg" sehr persönlich über Glauben zu diskutieren. Begleitet werden Sie von Kameras. Die Aufnahmen sollen dann zu einem 40-minütigem Film werden, der kurz vor Ende des Kirchentages gezeigt wird.

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"Es ist ein künstlerisches Medienprojekt in der Stadt, durch das grundsätzliche Fragen beantwortet werden sollen", erklärt der Initiator und Projektleiter Michael Batz. Bei Batz laufen alle Fäden des Projekts zusammen. Für den Theatermacher und Lichtkünstler bedeutet dies vor allem Stress. "Wir haben die ganze Zeit fünf Videoteams im Einsatz, sonst würden wir das gar nicht schaffen", erklärt Batz, bevor er von einem Telefonanruf unterbrochen wird. Über vier Tage verteilt werden so die 40 Gespräche aufgezeichnet.

Die zentrale Zahl 40 führt Batz zurück auf zwei Bibelgeschichten, die 40-jährige Reise des israelitischen Volkes und die 40 Fastentage von Jesus, beides in der Wüste: "Die Wüste ist im Gegensatz zur Stadt als reiner Ort des Glaubens belegt", erklärt Batz weiter. Dem gegenüber stehe die Stadt als "biblischer Ort des Unglaubens", wie Batz weiter erläutert. Doch die Auseinandersetzung mit dem Glauben, die im biblischen Kontext in der Wüste stattfand, soll nun in Stadt getragen werden.

Was bedeutet Glauben in einer Stadt wie Hamburg?

Dabei soll ergründet werden, was Glauben in einer Stadt wie Hamburg bedeutet und ob eine Stadt "glaubwürdig" ist. Im Vordergrund sollen dabei persönliche Stellungnahmen rund um den eigenen Glauben stehen, die auch bestimmendes Element des Projektfilms sein sollen.

Bei den "blind dates" zwischen Menschen, die in Hamburg leben und Besuchern und Auswärtigen, die zum Kirchentag angereist sind, sollen auch die verschiedenen Orte eine besondere Rolle spielen: "Die Orte sind der dritte Gesprächspartner", erklärt Batz: "Ich werde sicherlich in einer Kneipe auf St. Pauli anders kommunizieren als im Bestattungsforum des Ohlsdorfer Friedhofs."

Batz erhofft sich Impulse daraus, dass sich fremde Menschen außerhalb von alltäglichen Vorgängen austauschen. Sollte dies gelingen und sich daraus Kommunikation im urbanen Raum ergeben, sagt Batz, "brauchen wir keine Zweifel an unserer Kultur und Zivilisation zu haben".

Filmschnitt in Echtzeit

Bis zum späten Donnerstagabend wurde bereits die Hälfte der Gespräche aufgezeichnet: "Wir hatten schon Gespräche in einem Hochbahnbus und auf einer Hafenfähre, natürlich bei laufendem Betrieb, wo es schwierig sein kann, zwei Kameras aufzubauen", schildert Michael Batz. Er ist zuversichtlich, dass die Termine eingehalten werden: "Bislang hatten wir nur eine kurzfristige Absage."

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Batz' Projektteam, dass aus bis zu 30 Mitarbeitern besteht, will auf diese Weise rund 1.600 Minuten Filmmaterial sammeln. Das Team besteht zu einem großen Teil aus Studenten der Hochschule für Angewandte Kunst, die sich dabei unter Echtzeitbedingungen an Kameraaufzeichnungen versuchen können. Die Deadline, um diese mehr als 26 Stunden Aufnahmen zu sichten, zu schneiden und zu produzieren, ist dann der späte Samstagabend: Bis 22 Uhr muss das Projekt fertig sein, dann soll es im Congress Center Hamburg, Saal B, zum ersten Mal gezeigt werden.