"Wir haben kein Wetter in der Halle." Annika Lenz, Sandro Klimmek und Mike Wulfestieg genießen die Sonne vor der Halle A1 auf dem Hamburger Messegelände. Sonne, Regen oder was auch immer draußen ist bekommen die drei Pfadfinder nur selten zu sehen. Denn A1 ist ihre Halle, der Markt der Möglichkeiten ihre Verantwortung. Sie sind Teil der Hallenleitung von A1, drei der 5.500 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die den Kirchentag überhaupt möglich machen.
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Aber auch wenn sie das Wetter vor der Halle nicht mitbekommen, müssen sie in der Halle dennoch manchem Sturm standhalten. Bei den ehrenamtlichen Hallenleitungen laufen alle Stränge zusammen, sie sind Ansprechpartner für die Kirchentagsorganisation, die Besucher, die Aussteller und Mitwirkenden, die Sicherheitskräfte und die Messe.
Das ist nicht immer einfach. In Halle A1 stehen, dicht an dicht gedrängt, 230 Ausstellungsstände, jeder mit seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Wenn die Zeit drängt, der Aufbau schnell gemacht werden muss, die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen, dann braust auch mal eine steife Brise Temperament durch die Halle. Man braucht eine gute Portion Gleichmut, um das abzufangen, berichten die drei.
"Alt werden ist nichts für Feiglinge"
"Fahnen dürfen bei uns aus Sicherheitsgründen nicht höher sein als 3,50 Meter", erklärt Sandro Klimmek. Der 22-Jährige forderte deshalb die Aussteller am Anti-Atomkraft-Stand auf, ihre sieben Meter hohen Banner auf die vorgeschriebene Höhe zu bringen. Und musste sich dann anhören, er würde das nur einfordern, weil er für Atomkraft sei. "Ich wurde angepöbelt, weil die Schlangen an den Essensständen zu lang sind", erzählt sein 26-jähriger Mit-Hallenleiter Mike Wulfestieg.
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"Die Leute meinen das nicht persönlich", erklärt Annika Lenz, sondern suchen nur eine Lösung für ihr Problem - und das kommt von der Hallenleitung. Und die Konfrontationen sind nicht der Regelfall: "Die meisten Leute sind sehr verständnisvoll und bedanken sich." Die 26-Jährige erzählt auch solche Geschichten. Zum Beispiel die von der 81-jährigen Kirchentagsbesucherin aus Nürnberg, die fußlahm und erschöpft zur Hallenleitung fand. Bei einem Glas Wasser teilte sie mit den jungen Pfadfinderinnen und Pfadfindern ihre Erkenntnis mit: "Wisst ihr, alt werden ist nichts für Feiglinge." Und bedankte sich ganz herzlich für die Hilfe.
Hilfe, die die fünf Pfadfinderinnen und Pfadfinder der Hallenleitung nicht zum ersten Mal leisten. Sie kommen aus der gleichen Region, kennen sich schon lange, und auch die meisten ihrer fast 40 Helfer kommen aus ihrem Bezirk in und um Braunschweig. Seit dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 stellt der Bezirk eine Hallenleitung für den Markt der Möglichkeiten. "Ich trete in die Fußstapfen meiner Gruppenleiter", sagt Sandro. Der evangelische Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadinder stellt schon seit Jahren das größte Kontingent an Helfern. Knapp 1.500 junge Ehrenamtliche in den grauen Hemden des VCP haben sich für Hamburg das rote Helferhalstuch umgeschlungen, sie arbeiten in allen Ebenen des Kirchentages mit.
"Man lernt unglaublich viel"
Im Hallenleitungsbüro von A1 müssen Mit-Hallenleiter Florian Müller und Sven Grüner noch eine Entscheidung treffen: Für morgen haben sich hundert Ehrenamtliche aus der Nordkirche angekündigt, die sich in prominenter Begleitung den Markt der Möglichkeiten anschauen wollen. Gruppenfoto mit dem Bischofsbevollmächtigten Gothart Margaard und Torsten Albig, anschließend geben die beiden den Ehrenamtlichen noch ein Eis aus. Für die Hallenleitung vor allem ein logistisches Problem: die große Gruppe soll die Gänge nicht verstopfen. Florian Müller sagt zu, einen weiteren Eingang dafür zu öffnen. "Super kooperativ", freut sich Pressereferentin Dorothea Frauböse, die den Besuch organisiert.
Draußen muss Mike Wulfestieg noch eben einen LKW stoppen, der auf das vollbesetzte Gelände fahren will. Die Hallenleitungen sind auch für die Sicherheit verantwortlich. "Man bekommt große Verantwortung zugetraut", sagt Annika Lenz. "Man lernt unglaublich viel." Dem können ihre Mit-Hallenleiter nur zustimmen: "Man lernt super viel im Umgang mit Menschen, mit Technik." Kein Wunder, wenn im Schnitt immer 2.000 bis 3.000 Menschen gleichzeitig in der Halle sind.
Vom restlichen Kirchentag bekommen die ehrenamtlichen Hallenleiter aus A1 allerdings nichts mit. Schon vier Tage vor der Eröffnung waren sie mit ihrer Halle beschäftigt, und das werden sie bis zum Ende des Abbaus am Montag auch bleiben. Morgens die ersten, abends die letzten in der Halle, täglich von halb acht morgens bis halb zehn abends, allzeit bereit und zuständig für alles - außer natürlich für das Wetter.