Sängerin Judith Chang hat nicht lange gezögert. "Wir haben das gesehen und sofort gedacht: Das machen wir", erzählt die 16-jährige Schülerin aus Braunschweig. Mit ihren Freundinnen Frieda und Jennifer ist sie beim evangelischen Kirchentag in Hamburg am Donnerstag auf eine Video-Bühne gestiegen und hat dort ein Kirchenlied aufnehmen lassen. "Der Mond ist aufgegangen", begleitet von einem Pianisten. Für die drei schon ein Auftritt mit Routine: "Singen ist unser Hobby, wir sind im Chor der Domsingschule."
Die Aufnahme wird Teil eines einzigartigen Tonarchivs: der Aktion "Vielklang". Mitarbeiter von "evangelisch.de" wollen das gesamte Evangelische Gesangbuch auf Video einsingen lassen. "Fünf Tage, 500 Lieder" lautet das Motto. "Wir möchten ein dauerhaftes Lieder-Archiv in Internet schaffen, das man nachhören kann", erläutert Portalleiter Hanno Terbuyken. Bereits vor vier Jahren machte evangelisch.de mit einer spektakulären Aktion auf sich aufmerksam: Damals ließ das Portal die gesamte Bibel in Twitter-Kurzbotschaften zusammenfassen und schaffte damit einen Weltrekord.
Pianist Ben Crane hat alle Lieder geübt
Diesmal hat das Team Zettel mit allen 535 Liedern des Gesangbuch-Stammteils in eine blaue Sporttasche verpackt. Wer an der "Song-Box", einem silbern-glänzenden amerikanischen Retro-Wohnwagen, vorbeikommt, kann einen dieser Zettel herausziehen und mitsingen.
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Zuweilen ergeben sich daraus neue Bekanntschaften. Die Seniorinnen Dina Hinrichs und Renate Book aus Ostfriesland haben gerade "Großer Gott, wir loben dich" gezogen, suchen aber noch Mitstreiter. Die lassen sich nicht lange bitten: Gisela und Manfred Schmermbeck aus der Nähe von Köln sowie Elisabeth Werner aus dem Harz verstärken die spontane Gesangsgruppe. "Ich singe seit 60 Jahren im Kirchenchor", lacht die agile Seniorin Schmermbeck. Und ist sich darin ganz einzig mit Dina Hinrichs: "Für uns gehört zum Kirchentag die Musik hinzu."
Pianist Ben Crane ist begeistert von den Sängerinnen und Sängern. "Man merkt, das viele schon einmal auf einer Bühne gestanden haben." Der Deutsch-Brite aus Düsseldorf hat in der Ecke der Bühne sein elektronisches Piano aufgebaut, das er auf Knopfdruck von Klavier auf Orgel umstellen kann. Alle 535 Lieder hat er seit April eingeübt. Im Stile eines erfahrenen Dirigenten leitet er die Sänger an: "Ein Vorspiel noch, dann geht es los. Versucht zu lächeln, ja toll. Wenn Du nicht strahlst, geht gar nichts."
Der Kirchentag hat zu wenige Viertelstunden
Zwei Stunden nach dem Start der "Song-Box" hat das Video-Team schon ein Dutzend Lieder im Kasten. Als erstes gehen natürlich die Klassiker weg: Volkslieder wie "Geh aus mein Herz und suche Freud" oder Gospels. "Das ist ein Selbstläufer", sagt Moderator Matthias Buck aus Schwerin, der die Leute anlocken soll. "Wenn die einen singen, kommen die anderen dazu."
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Portalleiter Hanno Terbuyken weiß, dass die Zeit knapp wird. Rund eine Viertelstunde dauert eine Aufnahme. "So viele Viertelstunden hat der Kirchentag gar nicht." Deshalb soll das Projekt nach dem Protestantentreffen weitergehen: "Wir fordern die Leute auf, sich auch zu Hause vor die Kamera zu stellen und ihr Video auf unserer Seite hochzuladen."
Die Song-Box steht noch bis zum 5. Mai auf dem Messegelände in Hamburg zwischen den Hallen A 3 und A 4.