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Beten zwischen Bars und Bordellen
Kirchentag auf der "sündigen Meile" in Hamburg
Die "sündige Meile" von Hamburg ist ein durchaus frommer Ort. Der Stadtteil St. Pauli wurde 1833 nach dem Apostel Paulus benannt, und damals durften hier die ersten katholischen, reformierten und mennonitischen Gemeinden gegründet werden. Ein aktives Gemeindeleben prägt heute das Leben rund um den "Kiez".
02.05.2013
epd
Thomas Morell

Schon immer war der Mythos rund um St. Pauli und die Reeperbahn glanzvoller als der ungeschönte Blick. Schon allein der Name "Geile Meile" ist übertrieben für eine Straße, die nur rund 900 Meter misst. Eine muntere Szene von Musikclubs, Szenebars und Restaurants ist in den letzten Jahren rund um den Kiez gewachsen. Das alljährliche Reeperbahn Festival im September ist mit mehr als 25.000 Besuchern eines der größten Europas. An warmen Sommernächten strömen Tausende junger Menschen mit mehr oder weniger Promille durch die Straßen zwischen Fischmarkt und dem Millerntor-Stadion des FC St. Pauli.

Die Reeperbahn war Konfessionsgrenze

Doch auch heute gibt es eine triste Seite: Um die Gewalt auf dem Kiez einzudämmen, hat der Senat nicht nur Messer und Waffen, sondern sogar Biergläser und Glasflaschen auf den Straßen verboten. Auf rund 400 wird die Zahl der Prostituierten geschätzt, und auch diesmal wird sich der eine oder andere Kirchentagsbesucher wundern, warum er in der Bar für ein Bier und ein "Glas Sekt für die Dame" über hundert Euro zahlen muss.

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Ihren Namen hat die "Große Freiheit" nicht, weil die Frauen der Striplokale hier besonders wenig anhaben. Der Name ist religiös begründet. Auf der Reeperbahn verlief bis 1864 die Grenze zwischen der vergleichsweise kleinen Hansestadt Hamburg und dem Königreich Dänemark. Altona im Westen war damals nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt Dänemarks. Hier durften Juden, Katholiken und Mennoniten öffentlich Gottesdienst feiern, während dies in Hamburg Lutheranern vorbehalten war. Später wurde Altona preußisch und 1937 durch das "Groß-Hamburg-Gesetz" ein Stadtteil von Hamburg.

Baugeschichtliches Zeugnis der Religionsfreiheit auf der "Großen Freiheit" ist die katholische St. Josephskirche (1721). Mit Curd Jürgens wurde 1970 "Der Pfarrer von St. Pauli" gedreht. Während des Kirchentags wird Gemeindereferentin Evelyn Krepele Besucher über die "Große Freiheit" führen. Bis Mitternacht bleibt die Kirche geöffnet und bietet als Kontrastprogramm zu den Discos "Musik der Stille" an.

Seelsorge im Striplokal

Zum "Pastor von St. Pauli" haben die Medien Sieghard Wilm von der evangelischen Kirchengemeinde am Pinnasberg gekürt. Von seinem Pastorat aus hat man einen schönen Blick über Hafen und Schiffe. Einen "Stadtteil der Wunder und Wunden" nennt er sein St. Pauli. Im Pfarrgarten gedeihen Äpfelbäume und Gemüsebeete. Fleißige Bienen sammeln kiloweise Honig, dessen Erlöse der Sozialarbeit zugutekommen. Seelsorgegespräche führt er auch schon mal im Striplokal.

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Angesichts von 5.400 Gemeindegliedern sei es ein Vorurteil, "dass auf St. Pauli keiner an Gott glauben würde", sagt Pastor Wilm. Während des Kirchentags wird die Außenwand seiner St. Pauli-Kirche in ein Kunstwerk verwandelt. Kirchentagsbesucher erhalten das in der Gemeinde entwickelte Tattoo "Glaube-Liebe-Hoffnung" - ein klassisches Motiv der christlichen Seefahrt mit Kreuz, Anker und Herz. Dieses können sie sich auf den Körper kleben und sich damit von einem Profi fotografieren lassen. Die Porträts werden als Plakat gedruckt und an die Kirchenwand geklebt. Das riesige Bild aus mehreren hundert Plakaten soll noch Monate später an den Kirchentag erinnern.