Foto: epd-bild/Stephan Wallocha
Luftballons mit der Kirchentagslosung, im Hintergrund der Turm des Hamburger Rathauses.
Jeder soll sich das nehmen, was er benötigt
Anmerkungen zur Kirchentagslosung "Soviel du brauchst"
Der evangelische Kirchentag in Hamburg steht unter dem Leitwort "Soviel du brauchst". Damit greift das Christentreffen, zum dem kommende Woche mehr als 100.000 Gäste erwartet werden, das brisante Thema Gerechtigkeit auf: Wir leben in einer Welt zwischen Überfluss und Mangel.
24.04.2013
evangelisch.de

###mehr-artikel###Es ist wohl eine der berühmtesten Erzählungen im Alten Testament, aufgeschrieben im zweiten Buch Mose, im Kapitel 16: Nach dem Auszug aus Ägypten wandert das Volk Israel durch die Wüste Sinai und leidet schrecklichen Hunger. Ein großes Murren entsteht, doch Gott hört die Klage der Menschen und verspricht zu helfen: "In den Abendstunden werdet ihr Fleisch essen und am Morgen werdet ihr vom Brot satt sein." In der Nacht lässt er tatsächlich Manna vom Himmel regnen, in Tonkrügen sammeln die Menschen, soviel sie brauchen, um satt zu werden.

Einsatz für jene, die am Rand stehen

"Soviel du brauchst" lautet das biblische Motto des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der kommende Woche in Hamburg beginnt. Kirchentagspräsident Gerhard Robbers versteht die Losung, die im Januar 2012 beschlossen worden war, als Zuspruch und Aufmunterung, aber auch als deutliche Aufforderung, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen. Dazu zählt er der Trierer Verfassungsrechtler den Einsatz für die Schwachen und für jene, die am Rand der Gesellschaft stehen, ebenso wie die Frage nach verantwortungsvollem Wirtschaften oder die Integration von Menschen aus fremden Kulturen und Religionen.

###mehr-links###Das Thema Gerechtigkeit, das der Kirchentagslosung innewohnt, wird sich wie ein roter Faden durch zahlreiche der rund 2.500 Veranstaltungen bei dem Hamburger Christentreffen ziehen. Es hat zahlreiche Facetten: Warum gibt es in weiten Teilen der Erde Armut, Elend und Hunger, während andere mit Nahrungsmitteln spekulieren? Wie lässt sich in Deutschland unter den Bedingungen von Hartz IV ein menschenwürdiges Leben führen, während andere ihren Reichtum ausstellen? Der Einsatz für eine gerechtere Welt ist keine abstrakte Frage, sondern spricht jeden ganz persönlich an – denn er kann und muss im Kleinen beginnen.

Brot vom Himmel, gerecht verteilt

In der Geschichte vom Himmelsbrot ist unterdessen ein zweites Wunder verborgen: Da das Manna leicht verderblich war, sollte sich jeder nur soviel davon nehmen, wie er am gleichen Tag benötigte. Nun hatten einige viel gesammelt, andere wenig – doch in den Krügen war am Ende gleich viel. Gott hatte nicht nur für Nahrung gesorgt, sondern auch für dessen gerechte Verteilung. Vorratshaltung lehnte er ab. Die Jahrtausende alte Erzählung könnte kaum aktueller sein – während heute in den Entwicklungsländern alle paar Sekunden ein Mensch verhungert, wirft jeder Deutsche jährlich mehr als 80 Kilogramm Lebensmittel weg.

###autor###"Das ist das göttliche Prinzip vom täglichen Brot", sagt Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär über die Losung des Treffens, in der sie eine biblische Positionsbestimmung und Routenplanung zugleich sieht. "Gott sorgt für dich, es ist so viel da, wie du brauchst". Damit verbunden sei aber die Aufforderung: Gebrauche nur so viel, wie da ist. "Es geht um das richtige Maß", ergänzt die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs diesen Gedanken. Den Israeliten sei es jedoch so wie den Menschen heute ergangen: Was man brauche, wisse man gar nicht so genau. "Was zu viel ist, verdirbt - den Charakter übrigens auch."

Die Kirchentagslosung "Soviel du brauchst" wird in Hamburg allgegenwärtig sein – auf Plakaten, T-Shirts, Schals, Luftballons – vor allem aber, so hoffen die Veranstalter, in den Köpfen der mehr als 100.000 Teilnehmer. Die Geschichte vom Manna ist auch Grundlage der Predigten bei den vier zentralen Eröffnungsgottesdiensten am 1. Mai. Sie finden am Strandkai, auf der Reeperbahn, am Fischmarkt und auf dem Rathausmarkt statt und beginnen jeweils um 17 Uhr. Hier der Predigttext (2 Mose 16,11-18)  in einer eigenen Übersetzung des Kirchentags:

(11) Und der LEBENDIGE sagte zu Mose:
(12) Ich habe den Protest der Töchter und Söhne Israels gehört. Sag zu ihnen: In den Abendstunden werdet ihr Fleisch essen und am Morgen werdet ihr vom Brot satt sein. So werdet ihr erkennen, dass ich der LEBENDIGE bin, Gott für euch.
(13) Tatsächlich: Am Abend zog ein Schwarm von Wachteln herauf und bedeckte das Lager. Und am Morgen war Tau rund um das Lager gefallen.
(14) Als der Tau verdunstet war, da, auf dem Wüstenboden: ein feines Knistern, fein wie Raureif auf der Erde.
(15) Die Töchter und Söhne sahen das und fragten einander: Man hu? Was ist das? Denn sie wussten nicht, was das war.
Mose sagte zu ihnen: Das ist das Brot, das der LEBENDIGE euch zu essen gibt.
(16) Dafür gilt die Anweisung des LEBENDIGEN: Sammelt davon, so viel ihr jeweils zum Essen braucht, ein Krugmaß pro Kopf, nach der Anzahl Eurer Personen. Alle sorgen für ihr eigenes Zelt.
(17) So machten es die Töchter und Söhne Israels. Sie sammelten, die einen viel, die anderen wenig.
(18) Als sie mit dem Krug maßen, hatten die, die viel gesammelt hatten, nichts übrig und die, die wenig gesammelt hatten, keinen Mangel. Alle hatten gesammelt, so viel sie brauchten.