Es sind dramatische Bilder. Eine über 90-jährige Frau wird in Gegenwart von Polizisten mit einem Krankenwagen abtransportiert. Die Tochter steht verzweifelt daneben und versucht die Männer aufzuhalten. So erzählte der erste Einspielfilm in "Menschen bei Maischberger" die Geschichte von Hiltrud Boldt und ihrer Mutter. Der Hintergrund: Gegen den Willen von Mutter und Tochter soll eine Berufsbetreuerin die alte Dame ins Heim gebracht haben, obwohl diese zu Hause leben wollte und – so ihre Tochter – konnte. Schon im Februar hatte Boldt diese Geschichte bei Maischberger erzählt, viele Zuschauer zeigten sich fassungslos.
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Für die Maischberger-Redaktion waren die vielen Reaktionen Grund genug, das Thema Betreuung ein weiteres Mal aufzugreifen. Diesmal ging es um die Frage: "Entmündigt – Haben Betreuer zu viel Macht?" Zu Gast ist diesmal Jörg Tänzer, fachlicher Geschäftsführer des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer. Der Fachanwalt für Sozialrecht bezweifelte die Darstellung von Hiltrud Boldt. So brauche es für die Einweisung in eine Unterbringung gegen den Willen einer Person ein richterliches Gutachten, auch komme die Polizei nicht grundlos. Im Laufe der Sendung gerieten Boldt und Tänzer immer wieder aneinander und stritten über den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Allein – dem Zuschauer war damit wenig geholfen. Der Einzelfall half weder beim Fortschritt der Sendung noch beim Erkenntnisgewinn des Zuschauers weiter.
Viel Betroffenheit, wenig Konkretes
Mit Ursula Butenschön saß eine weitere Betroffene in der Runde. Als ihr Mann an Demenz erkrankte, wurde sie seine Betreuerin. Damit war es ihre Aufgabe, sämtliche Transaktionen vom Konto ihres Mannes zu dokumentieren, doch das sagte ihr niemand. Als sie das Amtsgericht aufforderte, die Rechnungen der letzten vier Jahre vorzulegen, ist sie dazu nicht in der Lage. Nun soll sie ihrem Mann 54.000 Euro zurückzahlen – auf das gemeinsame Konto. Der Fall endete damit, dass das Gericht einen Berufsbetreuer bestellte.
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Fortan musste Butenschön den Betreuer in Entscheidungen einbinden. Etwa, wenn sie mit ihrem Mann in den Urlaub fahren wollte. Der Betreuer verhielt sich, so Maischberger, unkompliziert und kooperativ. Die eigentliche Problematik lag woanders: Eine Frau wird Betreuerin ihres Mannes, als dieser erkrankt. Aber niemand klärt sie über ihre Rechte und vor allem ihre Pflichten auf. Mit dem Thema der Sendung, der Macht von Betreuern, hat das jedoch wenig zu tun.
Lange hält sich die Runde an den Einzelschicksalen auf und tritt auf der Stelle. Daran können auch die geladene Berufsbetreuerin und Volker Thielen nichts ändern. Der Rechtsanwalt für Betreuungsrecht kritisiert zwar, dass Betreuer viel zu viele Rechte haben, doch konkret wird auch er nicht. Dabei hätten ein paar Fakten der Sendung gut getan. Wann werden Betreuer bestellt? Wer entscheidet, ob die Aufgabe ein Angehöriger, ein Freund, ein ehrenamtlicher oder Berufsbetreuer übernimmt? Unter welchen Umständen werden welche Aufgaben übertragen und welche Rechte haben Angehörige? Fragen, um die es in der Sendung hätte gehen müssen, die aber höchsten am Rande besprochen wurden und insgesamt viel zu kurz kamen.
Maischberger verzettelt sich
Als sechsten Gast hatte Sandra Maischberger Gaby Köster eingeladen. Die Geschichte der Schauspielerin sollte zeigen, wie schnell man zum Betreuungsfall werden kann. Mit Mitte 40 erlitt Köster einen Schlaganfall und lag danach mehrere Wochen im künstlichen Koma. Seit Jahren kämpft sie sich zurück ins Leben. Im Gespräch mit ihr verliert Maischberger das Sendungsthema jedoch völlig aus den Augen und stellt vor allem beckmanneske Fragen: "Sie waren einfach weg. Komplett ausgeschaltet. Was wissen Sie noch von der Zeit nach dem Aufwachen?" Die beantwortet Köster bewundernswert geduldig und mit Humor. Entlarvend wird die Situation, als die Moderatorin Köster fragt, ob sie einen Promibonus hatte und sich deshalb ihre Mutter statt eines Berufsbetreuers um sie kümmern konnte.
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Zu oft wurde an diesem Abend erwähnt, dass man den Betreuer zunächst im Kreise der Familie sucht und erst Berufsbetreuer einsetzt, wenn sich bei den Angehörigen keine geeignete Person findet. Das war nicht das einzige Mal, dass Sandra Maischberger unvorbereitet wirkte. Erschreckend, wurde das Thema doch zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen diskutiert. Die Diskussion hätte sehr viel mehr Sorgfalt verdient.