Mario Götze
Foto: BVB.de/Bongarts/Getty Images/Friedemann Vogel
Mario Götze auf seinem offiziellen Borussia-Foto. Dafür, dass er nächste Saison beim ärgsten Konkurrenten spielt, überschütten ihn Fans mit Hass.
"Gott hat uns einen Geist der Besonnenheit gegeben"
Der "Fall Götze" erregt die Gemüter. Einer der besten Fußballer Deutschlands wechselt aus Dortmund zum ärgsten Konkurrenten seines Vereins, zum FC Bayern München. Die BVB-Fans überschütten den jungen Spieler auf seiner Facebookseite mit Hass: "Judas", "Verräter", "du mieses Schwein". Woher kommt dieser Hass? Gottseidank sind nicht alle Fans so - vor allem nicht die vom christlichen Fanclub "Totale Offensive BVB 09". Ein Interview über Enttäuschung, Verrat und das christliche Menschenbild.
23.04.2013
evangelisch.de

Mario Götze wechselt von Borussia Dortmund zum FC Bayern München. Daraufhin wird der Spieler auf seiner Facebookseite mit Hass und Aggressionen überschüttet. Können Sie sich vorstellen, wo das herkommt?

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Thomas Stede: Ja. Er wird ja als Dortmunder Junge bezeichnet und gesehen. Er hat im Dezember noch beteuert, in Dortmund zu bleiben. Und jetzt, vor dem wichtigsten Spiel seit 15 Jahren, kommt dann diese Meldung raus! Gerade zu dem ersten Konkurrenten, dem man in letzter Zeit oft in die Suppe spucken konnte, zu gehen. Da ist jetzt solch eine tiefe Enttäuschung, dass ich glaube, dass die Enttäuschung der meisten Fans schon in Hass umschlägt. Das kriegt man in allen möglichen Facetten immer wieder, das kennt man aus anderen Vereinen auch: Da wird einfach die Sache gesehen und nicht der Mensch, der dahintersteckt. Ich glaube, es ist einfach diese ganz tiefe Enttäuschung, die da eine Rolle spielt.

Die Fans werfen Mario Götze vor, öffentlich seine "echte Liebe" zum BVB betont zu haben und sie jetzt im Stich zu lassen. Auf seiner Facebookseite wird Götze wiederholt als "Judas" beschimpft. Ist er jetzt der Verräter, der Judas des BVB?

Stede: Der Judas, der Verräter, diese Vokabeln hatten wir schon ganz oft gehabt im Fußball. Jeder, der den Verein wechselt, wenn's dann noch zum direkten Konkurrenten geht, wird oftmals als Judas bezeichnet. Ich finde das schwierig, das so zu auszudrücken. Wenn er aber kurz vorher noch andere Äußerungen getan hat, empfindet man es schon als Verrat am Verein und an den Fans und an allen, die hinter Borussia Dortmund stehen. Ich denke, Mario Götze muss mit diesen Ausdrücken leben. Die muss er sich anhören, die muss er sich auch gefallen lassen, weil es immer wieder dieses Empfinden ist, gerade auch von Dortmunder Seite aus, dass man da schon verraten wird und dass einfach nicht offen und ehrlich gespielt wird. Aus welchen Gründen auch immer.

Was ist ihrer Erfahrung nach wichtiger für die meisten Fans: die Liebe zum eigenen Verein oder die Abgrenzung zum anderen Verein?

Stede: Ich glaube, beides spielt eine Rolle. Wenn man die Dortmunder kennt, die sind ja nicht umsonst bekannt für ihr Fan-Sein. Die "gelbe Wand" ist weltbekannt. Dortmunder Fans tun eigentlich alles für ihre Mannschaft, das fing damals schon an in Kopenhagen, wo man 90 Minuten lang gehüpft ist. Das ist ja um die Welt gegangen. Und wer die Fan-Choreographie gesehen hat gegen Malaga, was da auf die Beine gestellt wird... Der Dortmunder Fan tut letztlich alles für seinen Verein und steht dahinter.

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Aber weil es zum direkten Konkurrenten geht, ist es auch die Abgrenzung zum anderen Verein. Ich glaube, wenn er gewechselt hätte nach Manchester oder nach Barcelona oder was weiß ich wohin, wäre das schlimm gewesen. Aber Bayern… das ist ein richtiger Stich, weil es zum direkten Konkurrenten in der eigenen Liga geht. Da bin ich gespannt, wie es in den nächsten Begegnungen sein wird, da bin ich gespannt, wie er auch selber damit zurecht kommen wird. Denn dafür ist er noch ziemlich jung.

Was bedeutet es in einer solchen Situation, ein christlicher Fußballfan zu sein? Reagiert man dann anders?

Stede: Ich als Fußballfan lebe auch von dem, was in der Bibel steht. Und Gott hat uns allen einen Geist der Besonnenheit gegeben. Ich möchte nicht aus irgendwelchen Gefühlen und Emotionen in ein Horn stoßen, in das alle anderen auch stoßen. Sondern ich möchte Fakten sammeln, und ich möchte auch den Spieler hinter all dem sehen. Er wird letztlich von anderen beraten, von anderen geführt, andere verdienen auch an ihm. Ich wünsche ihm eigentlich für sein Leben, dass er im Umkreis von Menschen ist, die ihn vorbehaltlos lieben und ihn deshalb auch vernünftig beraten und führen können.

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Es ist glaube ich ein ganz großes Problem bei Fußballprofis, dass das nicht der Fall ist. Es geht immer ums Geld, es geht immer um Macht, es geht immer um Ehre. Und weniger um den Menschen, der dahinter steht. Bei all dem, was ich als Fan an Enttäuschung habe, auch an Ärger und Unverständnis… trotz alledem möchte ich den Mario Götze als Mensch dahinter sehen. Das sind zwei Seiten, die einfach da sind, und die wir als christlicher Fanclub vielleicht anders betrachten als andere Fanclubs.