Läuft die Angst nun immer mit beim Marathon?
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Läuft die Angst nun immer mit beim Marathon?
"Laufen hat eine frohe und angstbefreiende Wirkung"
Laufexperte und Buchautor Frank Hofmann über den Anschlag in Boston, den bevorstehenden Hamburg-Marathon und die Kraft aus dem Glauben
Nicht mal ganz eine Woche ist es her, dass der Boston-Marathon von einem Terror-Anschlag überschattet wurde. Und schon stehen die nächsten Großveranstaltungen der Laufszene ins Haus: Die Marathonläufe in Hamburg und London. Läuft die Angst nun immer mit? Fragen an Frank Hofmann.
20.04.2013
evangelisch.de

Wie und wo haben Sie von dem Anschlag auf den Boston-Marathon erfahren - und welches waren Ihre ersten Gedanken und Emotionen?

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Frank Hofmann: Ich war im Predigerseminar in Hofgeismar, da ich zur Zeit noch ein zusätzliches Theologiestudium absolviere. Ein Kommilitone hatte sich über den neuesten Nachrichtenstand informiert und so die ersten Meldungen mitbekommen. Ich saß dann die ganze Nacht über am Laptop und habe die weiteren Entwicklungen verfolgt - und natürlich die E-Mails, bis am Ende fest stand, dass zumindest keinem Teilnehmer aus unserem "Runner's World"-Verbund etwas zugestoßen ist. Ich konnte das erst überhaupt nicht fassen, dass so etwas passiert war. Dabei ist das eigentlich relativ naheliegend, wenn man weiter darüber nachdenkt. So ein Marathon ist einfach eine extreme Schwachstelle innerhalb einer modernen Gesellschaft: Man wird nie 42 Kilometer in einer Großstadt komplett absichern können; kaum eine andere Großveranstaltung ist so schwierig zu schützen; es kommen sehr viele Menschen zusammen; es sind sehr viele ausländische Berichterstatter da, so dass sofort eine weltweite Aufmerksamkeit garantiert ist - und der Kontrast zwischen all den fröhlichen Menschen, den Zuschauern und all dem Leid, das da passiert ist, könnte auch kaum größer sein. Deshalb ist es aber auch so besonders infam, einen solchen Anschlag zu verüben.

Und dann kommt noch dazu, dass der Boston-Marathon so eine Art Traumziel für fast jeden Läufer ist, oder?

Hofmann: Ganz genau. Der Boston-Marathon ist der älteste jährlich ausgetragene Marathon der Welt. Und dadurch, dass man sich für ihn - im Unterschied zu vielen anderen großen Marathonläufen - qualifizieren muss, ist er tatsächlich so etwas wie ein Lebenstraum für alle ambitionierten Marathonläufer weltweit: Einmal in Boston zu laufen ist sehr viel begehrenswerter, als zum Beispiel in New York, wo man sich im Prinzip nur anmelden und die entsprechende Reise buchen muss. Und dieser Traum wird jetzt für immer mit diesem schrecklichen Ereignis verbunden sein. Dieser Marathon ist einfach nicht mehr das unbeschwerte Event wie bisher, man wird immer auch an diese Katastrophe denken dabei.

"Marathon ist mehr als bloß 'gefährlich'"

Wie waren die ersten Reaktionen in der 'Läuferszene', die sie mitbekommen haben?

Hofmann: Die Betroffenheit unter den Läuferinnen und Läufern ist ganz besonders groß, weil sich jeder vorstellen kann, dass er dort dabei gewesen wäre. Man musste sich gar nicht erst groß in die Situation reindenken, man hatte sofort ein Bild vor Augen und konnte sich vorstellen, wie man dort in diese Explosion läuft. Vor allem aber gab es auch sehr schnell eine ganze Menge Initiativen, die Geld sammeln wollen für die Opfer und die Hinterbliebenen - und die die Aufmerksamkeit, die den Läufern auf einer solchen Veranstaltung zuteil wird, nutzen wollen, um hier zu helfen und Gutes zu tun. Jetzt aktuell auf dem Hamburg-Marathon - der zweitgrößten deutschen Marathonveranstaltung - hat der Veranstalter auf die Schnelle organisiert, dass Solidaritäts-Armbänder ausgeteilt werden, es wird eine Gedenkminute abgehalten werden: Da passiert einiges. Und da zeigt sich jetzt auch die positive Seite des Laufens: Dass Laufen etwas ausdrücken kann, dass es etwas Völker verbindendes und zutiefst Friedliches hat. Vor allem aber ist es mehr als bloß 'gefährlich'. Das sollte jetzt auf keinen Fall in den Köpfen hängen bleiben. Ich bin sogar überzeugt davon, dass man durch Laufen ein ganz klein bisschen ein besserer Mensch werden kann.

Sie haben gerade schon den Hamburg-Marathon erwähnt. Mit welchen Gefühlen im Bauch geht man da jetzt an den Start und welche Gedanken spuken einem im Kopf herum - eine knappe Woche nach den Ereignissen von Boston?

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Hofmann: Man spult das ganz sicher in seiner Phantasie noch einmal alles ab und macht sich dabei bewusst, was für eine verletzliche Sache so eine Marathonveranstaltung ist. Und man wird natürlich auch im Startbereich ein bisschen von dieser Gefahr spüren, alleine schon wegen der nochmal erhöhten Sicherheitsvorkehrungen. Aber vielleicht könnten wir da auch ein bisschen von den Israelis lernen. Ich bin vor zwei Jahren den Jerusalem-Marathon gelaufen und da ist ein Tag vor dem Start eine Bombe explodiert. Aber es stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte, daraufhin den Marathon abzusagen. Da wurde einfach mit großer Selbstverständlichkeit weiter gemacht, wie bisher - und somit den Attentätern gezeigt: Unser Leben geht weiter!

Ganz in diesem Sinne hat ein großes deutsches Boulevardblatt diese Woche ja die Läuferinnen und Läufer, die in Hamburg an den Start gehen, auch "Helden" genannt. Sehen Sie das auch so? Überwiegen da wirklich Trotz und Stolz - oder vielleicht doch die Angst?

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Hofmann: Also, die Läufer jetzt zu Helden zu stilisieren, finde ich schon ein klein bisschen übertrieben. Ich glaube, dass bei vielen schon ein Quäntchen Angst da ist und dass das eine Zeit braucht, ehe man die bei solchen Läufen wieder abbaut. Aber ich glaube, dass das Laufen an sich auch so eine frohe und angstbefreiende Wirkung hat, dass die Angst irgendwann von selbst verschwindet auf der Strecke. Biologisch ist das ja tatsächlich so, dass genau die Gehirnbereiche, die für Angst zuständig sind, beim Laufen weniger durchblutet werden. Insgesamt werden die Läufer also schon eher sagen: "Jetzt erst recht! Wir wollen zeigen, dass Marathonläufer die friedlichsten Menschen sind, die man sich vorstellen kann und dass Laufen etwas ist, das alle Völker und Schichten verbinden kann."

"Gott ist genau da, wo gerade das Leid am größten ist"

Sie sind überzeugt, dass Laufen auch ein spirituelles Erlebnis sein kann und haben auch ein Buch darüber geschrieben: "Marathon zu Gott". Kann denn der Glaube Ihrer Meinung nach in genau so einer Situation so etwas wie Kraft und Zuversicht geben?

Hofmann: Ja. Ich denke ja, dass das Besondere des christlichen Glaubens in der Überzeugung besteht, dass Gott immer bei denen ist, die am meisten leiden. Es geht nicht in erster Linie darum, zu fragen, warum Gott so etwas zulässt. Gott ist ja erstmal nicht dafür da, das Übel, das wir selbst verursachen, von uns abzuwenden, sondern er ist unsere Gewissheit, das wir auch in den dunkelsten Stunden nicht alleine sind. Gerade im Angesicht von Katastrophen kann meiner Meinung nach ein richtig verstandener christlicher Glaube die Kraft geben, zu sagen: Gott ist genau da, wo gerade das Leid am größten ist.

Wir wird es nun mit dem Marathonlaufen allgemein und vor allem mit dem Boston-Marathon weiter gehen?

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Hofmann: Ich bin überzeugt davon, dass der Boston-Marathon 2014 auch stattfinden wird - und zwar mit absoluter Rekordbeteiligung! Der Boston-Marathon in diesem Jahr wird zwar immer ein schwarzer Fleck in der Geschichte sein, aber das wird die Marathon-Bewegung als solche nicht aufhalten.